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Umstrittener Kandidat

Vor der Wahl rasch die Partei wechseln?

In Baselland wechselt ein Grüner zur FDP, um Regierungsrat zu werden. Was Politiker zum Parteiwechsel treibt – und was der bringt.
Der Baselbieter Klaus Kirchmayr (ehem. Grüne) ist nun der FDP beigetreten – und will für deren Regierungsratssitz kandidieren.
Bild: Kenneth Nars / BLZ

Ein Grüner will für die FDP in den Regierungsrat ziehen: Das klingt erst einmal etwas absurd. Doch genau das will Klaus Kirchmayr im Kanton Baselland versuchen. Dort tritt die freisinnige Bildungsdirektorin Monica Gschwind zurück, im Oktober kommt es zur Ersatzwahl. Kandidaturen aus der FDP haben entsprechend gute Chancen.

Klaus Kirchmayr, 61 Jahre alt, gilt als Urgestein und Parteistratege der Baselbieter Grünen. Der ehemalige Investmentbanker sass 15 Jahre lang für die Grünen im Landrat, dem Baselbieter Kantonsparlament und diente als Vizepräsident, bis er sich Ende 2024 still aus der Partei zurückzog. Dann wechselte er kurzzeitig zu den Grünliberalen.

Im Frühsommer gab Kirchmayr öffentlich bekannt, dass er der FDP beitreten und für den Regierungsrat kandidieren wolle. Er habe bereits lange Vorgespräche mit dem kantonalen Vorstand geführt und sei überzeugt, für freisinnige Werte einstehen zu können. Anfang Juli gewährte ihm die Aescher FDP-Sektion die Aufnahme – wenn auch nach hitziger Diskussion.

«Die Parteilandschaft ist dynamischer geworden»

Damit ist Kirchmayr keineswegs allein. Gerade auf kantonaler Ebene gebe es jedes Jahr Parteiwechsel, sagt der Politikwissenschaftler Hans-Peter Schaub von Année Politique Suisse. Heute geschehe das öfter als noch vor 30 oder 40 Jahren, weil die politische Landschaft dynamischer geworden sei.

Die SVP hat sich nach rechts verschoben, Grüne und SP haben ihre Positionen ebenfalls geschärft. Der Aufschwung der GLP habe das Angebot der politischen Mitte erweitert, sagt Schaub: «Dadurch kommt ein Wechsel für jene, die schon am Rand ihrer Partei politisieren, eher infrage.»

Viele Wechsel einfacher Parteimitglieder erhalten keine öffentliche Aufmerksamkeit. Zu reden geben sie vor allem, wenn die Wechselnden schon gewählt sind. In Gemeinde- und Kantonsparlamenten kann der Wechsel einer Person grossen Einfluss auf die Mehrheiten haben.

So etwa im Fall Isabel Garcias: Die Zürcher Kantonsrätin wurde 2023 für die GLP wiedergewählt. Nur 10 Tage darauf wechselte sie zum Freisinn. Und kippte damit die knappe Mehrheit von SP, Grünen und GLP im Kantonsparlament zugunsten der Bürgerlichen. Der Parteiwechsel hatte denn auch ein juristisches Nachspiel – bis hin zum Bundesgericht. Dieses befand, dass zumindest überprüft werden müsse, inwiefern Garcia den Wechsel schon vor ihrer Wiederwahl geplant hatte.

Garcia selbst begründete ihren Entscheid damit, dass die Wahl sie erst zu einer eingehenden Prüfung ihrer eigenen Ansichten bewogen habe. Solche Meinungsänderungen könne es immer geben, sagt Schaub. Aber: «Der Zeitpunkt so kurz nach der Wahl löste bei vielen den Verdacht aus, dass Garcia die GLP-Wählerschaft quasi getäuscht habe.»

Wer wechselt, tut das meist aus Überzeugung

Generell entstehe für die Wählerschaft bei Parteiwechseln Unsicherheit, wofür die betreffende Person tatsächlich stehe, wo sie politisch zu verorten sei. Den Wiederwahlchancen sei dies vor allem bei Proporzwahlen eher nicht zuträglich, so Schaub. Wer die Partei wechselt, lasse damit auch sein parteiinternes Netzwerk hinter sich – ohne zu wissen, ob und wie sich dieses in der neuen Partei wieder aufbauen lässt.

«Für die meisten ist es daher keine Karrierefrage, sondern eine Frage der Überzeugung», glaubt Schaub. Der Aargauer Nationalrat Matthias Jauslin etwa wechselte von der FDP zur GLP, nachdem sich über zehn Jahre hinweg abgezeichnet hatte, dass ihm erstere zu wenig konsequent grün war. Oft kommen auch zwischenmenschliche Gründe dazu.

So führte der Zürcher Regierungsrat Mario Fehr verschiedene Anfeindungen und Konflikte ins Feld, um seinen Austritt aus der SP zu rechtfertigen. Und manchmal schwingt auch etwas Opportunismus mit – etwa bei der Zürcherin Chantal Galladé, die erst nach ihrer Wahl zur Winterthurer Schulpräsidentin von der SP zur GLP wechselte.

Eine Frage des Zeitpunkts – und des Standings

Bei Majorzwahlen, wie jetzt im Falle Kirchmayrs, könne diese Rechnung eher aufgehen, sagt Schaub, weil ein überparteiliches Image hier vorteilhaft sei. Dafür müsse der Kandidat aber schon als moderater Politiker bekannt sein.

Im Fall von Klaus Kirchmayr ist das nur zum Teil gegeben. In seinen 15 Jahren als Landrat hat er zwar in finanz- und wirtschaftspolitischen Themen immer wieder mit den Bürgerlichen gestimmt. Doch in der Energie- und Verkehrspolitik gilt er als Grüner durch und durch. Er plädierte unter anderem für einen Klimaschutz-Artikel in der Baselbieter Verfassung – den die Bürgerlichen im April abgelehnt haben.

Damit könne in der FDP-Basis die Sorge bestehen, der neue Kandidat sei eine Art «trojanisches Pferd»: einer, der sich nun liberal gebe, dann aber doch wieder grün politisiere. Diese Überzeugungsarbeit steht Kirchmayr bis zur Nomination im August noch bevor. Gelingt sie ihm nicht, dürfte ihm der Parteiwechsel wenig gebracht haben – und sich damit in die lange Reihe jener Wechsel fügen, um die es schnell wieder ruhig wird.