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Flüchtlinge

Vor dem EU-Sondergipfel geht der Streit um Flüchtlinge weiter

Trotz eines Beschlusses zur Verteilung von 120'000 Flüchtlingen in Europa streitet die EU weiter über den Kurs in der Asylpolitik. Unmittelbar vor dem EU-Sondergipfel am Mittwoch gab es neue Kritik am Mehrheitsbeschluss der Innenminister.

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat vor dem Krisengipfel die EU-Chefs zu Geschlossenheit aufgerufen: "Wir sind nun an einem entscheidenden Punkt angelangt, an dem wir gegenseitige Beschuldigungen und Missverständnissen beenden müssen", sagte der Gipfelchef am Mittwoch in Brüssel.

Vielmehr müsse jetzt über Fakten gesprochen werden, nicht über Illusionen und Emotionen. Grund für den Appell Tusks ist die Empörung einiger mittel- und osteuropäischer Staaten wie Ungarn, Rumänien, Tschechien sowie die Slowakei. Sie hatten verärgert darauf reagiert, dass sie am Dienstag beim Treffen der EU-Innenminister zur Flüchtlingsverteilung überstimmt wurden.

Ungarns Regierungschef Viktor Orban etwa warf Deutschland am Mittwoch bei einem Treffen mit Politikern der bayrischen Christlichsozialen "moralischen Imperialismus" vor. Er wehrte sich auch gegen Darstellungen, sein Land habe die Grenze zu Serbien komplett geschlossen.

Es sei nur die bislang offene grüne Grenze gesichert worden, sagt Orban. Daneben gebe es klar gekennzeichnete Grenzübergänge, an denen sich Flüchtlinge registrieren lassen könnten.

Die Slowakei ihrerseits will den Quoten-Entscheid nicht akzeptieren. "Lieber gehe ich in ein Strafverfahren gegen die Slowakei als dass ich dieses Diktat respektiere", sagte Regierungschef Robert Fico in Bratislava. Auch Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis kritisierte das Votum der EU-Innenminister.

Tschechiens Ministerpräsident Bohuslav Sobotka will anders als die Slowakei auf rechtliche Schritte verzichten. Europa dürfe in der Flüchtlingskrise nicht zerfallen. "Ich möchte daher die Spannungen mit Klagen nicht weiter steigern", sagte Sobotka.

Der tschechische Präsident Milos Zeman äusserte die Hoffnung, der EU-Sondergipfel werde die Entscheidung revidieren. Das schloss EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker allerdings aus: "Der Beschluss steht."

Merkel räumt Versäumnisse ein

Am Gipfel wollen die EU-Staats- und Regierungschefs über die finanzielle Unterstützung von Nachbarstaaten Syriens wie Jordanien, Libanon oder die Türkei mit vielen Flüchtlingen diskutieren.

Auch über die bessere Sicherung der EU-Aussengrenze, zusätzliche Hilfe für Erstaufnahme-Länder sowie die schnellere Rückführung von Menschen, die kein Asyl in der EU erhalten, werden die EU-Chefs sprechen.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, auf deren Drängen der Krisengipfel einberufen worden war, forderte ein grösseres aussenpolitisches Engagement der EU, um die Ursachen der Flüchtlingsbewegungen wirksamer zu bekämpfen.

Sie räumte Versäumnisse bei der finanziellen Unterstützung vor Ort ein. "Hier haben wir alle miteinander, und da schliesse ich mich ein, nicht gesehen, dass die internationalen Programme nicht ausreichend finanziert sind, dass Menschen hungern in den Flüchtlingslagern."

Die Mittel für die UNO-Organisationen wie das Welternährungsprogramm müssten aufgestockt werden. Auch Deutschland will sich daran beteiligen.

Mehr Geld für Flüchtlinge

Finanzielle Unterstützung soll es auch von anderen EU-Ländern geben. Frankreichs Präsident François Hollande etwa sicherte den Nachbarstaaten Syriens mehr Geld bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu. "Es wird weitere Hilfen Frankreichs und der EU für diese Länder geben", sagt er.

Konkreter äusserte sich der britische Premier David Cameron. Grossbritannien werde weitere 100 Millionen Pfund zur Bewältigung der Folgen des Kriegs in Syrien zur Verfügung stellen.

Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite kritisierte, dass erst jetzt die Wurzeln des Problems angegangen würden. Die Fragen, die jetzt besprochen würden, hätten bereits zu Beginn des Jahres diskutiert werden müssen, sagte sie.

"Wir haben mit der Umverteilung begonnen, doch sind wir nicht ernstere Fragen angegangen." Als Beispiele nannte sie den Schutz der Aussengrenzen und die Unterstützung der Herkunftsländer.

Brüssel erhöht Druck auf EU-Staaten

Die EU-Kommission verstärkte unmittelbar vor dem Gipfeltreffen den Druck auf die EU-Staaten, die europäischen Asylgesetze in nationales Recht umzusetzen. Brüssel eröffnete am Mittwoch Verfahren wegen entsprechender Verstösse gegen 19 EU-Staaten - darunter sind etwa Deutschland, Frankreich und Spanien.

Zudem gab die EU-Kommission bekannt, weitere 1,7 Milliarden Euro für die Bewältigung der Flüchtlingskrise bereitzustellen. Das Geld ist insbesondere für die der besseren Versorgung von Flüchtlingen aus Syrien vorgesehen, wie EU-Haushaltskommissarin Kristalina Georgieva sagte. Damit soll die Summe für die Flüchtlingshilfe auf insgesamt 9,2 Milliarden Euro steigen.