Bei Vorträgen musste UBS-Unternehmenshistoriker Christian Leitz sein Publikum bis vor kurzem enttäuschen. «In der Geschichte der UBS gibt es nicht die eine Person, die sinnbildlich für die Bank steht», sagte er jeweils. Ganz anders bei der Konkurrentin Credit Suisse: Sie umwehte der Pioniergeist ihres Gründers, des Eisenbahnvisionärs und herausragenden liberalen Politikers Alfred Escher (1819–1882).
Seit die UBS die taumelnde Credit Suisse im März 2023 geschluckt hat, kann Christian Leitz auch auf diese Figur zurückgreifen. Escher ist mit der Übernahme Teil des historischen Inventars der einzigen verbliebenen Grossbank geworden. Leitz kann nun mit der packenden Biografie des Pioniers hausieren – auch wenn er sich persönlich mehr für die Strukturen und die längerfristigen Zusammenhänge der Firmengeschichte interessiert.
Banken als Stützen der Industrialisierung
In der neuen Ausstellung im UBS-Hauptsitz in der Zürcher Bahnhofstrasse kommen beide Aspekte zusammen. Sie trägt den Titel «Schlüsselmomente – wie Banken die moderne Schweiz mitprägten» und zeichnet nach, wie die Finanzinstitute ab Mitte des 19. Jahrhunderts wegweisende Infrastrukturprojekte finanziert und den wirtschaftlichen Aufstieg des Landes begleitet haben.
Denn dass die Schweiz als bergiges, rohstoffarmes Land zu beträchtlichem Wohlstand gekommen ist, bedarf Erklärungen. Eine davon sind ausreichend leistungsfähige Banken, die etwa das Eisenbahnnetz finanzieren konnten. In der Ausstellung können Besucherinnen und Besucher an einem zeitgenössischen Telefon eine Rede von Alfred Escher hören, der 1849 warnte: Die Schweiz drohe bei der Eisenbahn den Anschluss zu verpassen, sie manövriere sich «in die Einsiedelei» und riskiere, dass die Bahnlinien um die Schweiz herumgebaut würden.
Die Warnung zeigte Wirkung. Die Schweiz holte in den folgenden Jahrzehnten auf. Dazu trug neben der 1856 gegründeten Kreditanstalt (die spätere Credit Suisse) auch die Vorgängerbank der heutigen UBS bei. Die «Bank in Winterthur» wurde 1862 gegründet und spielte eine wichtige Rolle beim Eisenbahnbau.
Nach Zürich kam die Winterthurer Bank Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie kaufte ein Gebäude an der Bahnhofstrasse, um einfacheren Zugang zur Börse zu erhalten. Gleichzeitig errichtete der expandierende Basler Bankverein am Paradeplatz einen Ableger, heute Symbol des Schweizer Finanzplatzes. Dieser erreichte, vom Ersten Weltkrieg verschont, bald internationale Bedeutung.
Das lag auch an der «Bank in Winterthur» und dem Bankverein. Die beiden Institute sollten sich zum Ende des Jahrhunderts nicht nur räumlich in Zürich treffen. Bankverein und Bankgesellschaft – Letztere war durch die Fusion der «Bank in Winterthur» und der Toggenburger Bank entstanden – verschmolzen 1998 zur UBS. Und seit der Notfusion von 2023 gehört zur neuen Mega-Bank auch die Credit Suisse.
Der Fokus der Ausstellung liegt auf der Pionierzeit zwischen 1848 und 1920. Eine kritische Betrachtung der Finanzkrise 2008, als der Staat die UBS mit 60 Milliarden Franken retten musste, oder der noch frischen CS-Krise sucht man vergebens. Diese Grossereignisse streifen CEO Sergio Ermotti und UBS-Präsident Colm Kelleher lediglich in einem Online-Video. Hier gäbe es noch Potenzial für künftige Ausstellungen.
Fusionen gab es zuhauf
Das Bankengeschäft war schon immer von Umbrüchen geprägt. Das zeigen die unzähligen Fusionen im 20. Jahrhundert. Bemerkenswert ist, dass es im Jahr 1920 hierzulande acht Grossbanken gab. In jenem Jahr hatte die Schweizerische Nationalbank (SNB) erstmals definiert, was ein solches Institut auszeichnet. Massgebend war etwa die «Intensität» der internationalen Verflechtung. Hundert Jahre später gibt es mit der UBS noch eine einzige Grossbank im Land.
Wird es bald wieder mehrere geben oder einst gar keine mehr? Darüber will der UBS-Historiker Christian Leitz nicht spekulieren. Er folgt damit dem Credo seiner Zunft: Wer sich mit der Vergangenheit beschäftigt, hält sich mit Prognosen zurück. Denn diese werden oft von der Realität überholt. Dies zeigte sich zuletzt beim rasanten und für viele undenkbaren Untergang der Credit Suisse.
Ausstellung «Schlüsselmomente – wie Banken die moderne Schweiz mitprägten» ab sofort zu sehen am UBS-Hauptsitz an der Zürcher Bahnhofstrasse 45. Eintritt kostenlos.