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Aussenpolitik

«Völlig daneben» und «relativiert die Hisbollah»: Bürgerliche kritisieren Reaktion des Bundes auf Explosionen im Libanon

Nach dem raffinierten Angriff auf die Hisbollah – mutmasslich durch Israels Geheimdienst –sorgt die Reaktion des Aussendepartements auf die jüngste Eskalation in Nahost für Diskussionen im Parlament.
Begräbnis eines Hisbollah-Mitglieds, das bei der Explosion eines Elektrogeräts getötet worden ist (Beirut, 19. September).
Bild: Wael Hamzeh / EPA

Die Geschichte tönt wie aus einem Agentenfilm: Die schiitische Terrororganisation Hisbollah im Libanon bestellt bei einem ausländischen Lieferanten rund 3000 Pager. Doch die elektronischen Geräte gehen auf ihrer Lieferung, so die durch viele Indizien untermauerte Mutmassung, durch die Hände des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad – oder wurden möglicherweise sogar von diesem selbst hergestellt . Die Spezialisten des Mossad sollen die Pager mit Sprengstoff bestückt haben, der sich aus der Ferne zünden lässt.

Am Dienstagnachmittag wurden die Pager praktisch gleichzeitig zur Explosion gebracht. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministers wurden dabei 2323 Menschen verletzt und mindestens 12 getötet.

«Wird da die Hisbollah relativiert?»

Am Folgetag äusserte sich das Aussendepartement EDA auf der Plattform X (ehemals Twitter) zur Lage: Die Schweiz sei «tief besorgt» über die Explosionen im Libanon. Diese drohten, die Stabilität und Sicherheit des Landes und der Region weiter zu untergraben, schrieb das EDA am Mittwochnachmittag.

Die Schweiz rufe alle Parteien zu «äusserster Zurückhaltung» auf, um eine grössere regionale Eskalation zu vermeiden. Auch müsse das Völkerrecht geachtet «und die Zivilbevölkerung jederzeit geschützt werden».

Lukas Reimann (SVP/SG).
Bild: Alessandro Della Valle / KEYSTONE

Insbesondere diese letzte Formulierung des Aussendepartements stösst bei bürgerlichen Aussenpolitikerinnen und Aussenpolitikern im Parlament auf Kritik. Der Angriff habe sich sehr gezielt gegen die Hisbollah und ihre Mitglieder gerichtet, sagt SVP-Nationalrat Lukas Reimann (SG): «Ich finde die Äusserung des EDA völlig daneben.» Seiner Meinung nach hätte die Schweiz besser ganz auf eine Stellungnahme verzichtet.

Marianne Binder (Mitte/AG).
Bild: Alex Spichale / AGR

«Wird da bewusst die Hisbollah relativiert?», fragt Mitte-Ständerätin Marianne Binder (AG) mit Blick auf die Stellungnahme. Das EDA rede von Zivilisten. Dabei seien Kämpfer der Hisbollah ins Visier genommen wurden – einer Terrororganisation, welche praktisch täglich Raketen auf Israel abfeuere. «Das sind doch keine Zivilisten. Viel gezielter die Verursacher der Instabilität und Unsicherheit in der Region zu treffen als mit diesen Pager-Angriffen, ist kaum möglich», sagt Binder.

«Humanitäres Völkerrecht gilt für alle»

Grünen-Nationalrat Nicolas Walder (GE) widerspricht deutlich: «Beim unkontrollierten Explodierenlassen von Pagern aus der Ferne hat Israel zivile Opfer bewusst in Kauf genommen.» Unter den Opfern seien auch Frauen, Kinder und zufällig anwesende Passanten gewesen. Ausserdem bedeute eine Mitgliedschaft in der Hisbollah, die im Libanon eine der grössten politischen Parteien ist, noch nicht, dass die betroffenen Personen Kombattanten und somit legitime Ziele von kriegerischen Aktionen im Sinne des Völkerrechts seien. Es sei deshalb richtig, dass das EDA an die Einhaltung des Völkerrechts und den Schutz von Zivilisten appelliere.

Fabian Molina (SP/ZH).
Bild: Limmattaler Zeitung

Für SP-Nationalrat Fabian Molina (ZH) zeigt die Kritik von Reimann und Binder am Statement des EDA, «dass der Schutz des humanitären Völkerrechts als Maxime der Schweizer Aussenpolitik erodiert». Das humanitäre Völkerrecht gelte für alle. Man könne es nicht nur situativ und je nach politischer Nähe oder Distanz zu einem Akteur einfordern.

«Das EDA ruft seit geraumer Zeit alle Parteien in der Region zu grösstmöglicher Zurückhaltung und zur Deeskalation auf», schreibt das Aussendepartement auf Anfrage. Ebenso würden systematisch alle Parteien zur Einhaltung des Völkerrechts aufgefordert. Dazu gehöre auch, die Grundsätze zur Führung von Feindseligkeiten strikt einzuhalten: die Verhältnismässigkeit, die Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kombattanten sowie Vorsichtsmassnahmen bei Angriffen.