Beat Rechsteiner
Die Armee steckt in einer tiefen Krise. Doch jetzt erhält sie Schützenhilfe von unerwarteter Seite. Der Schweizerische Versicherungsverband veranstaltet heute Nachmittag in Zürich eine Medienkonferenz und verkündet: Die Privatversicherer wollen bei der Rekrutierung ihres leitenden Personals künftig nicht mehr nur auf Managementkurse setzen, «sondern wieder verstärkt auf militärische Führungsausbildung». So steht es im Einladungsschreiben. Vorbei also die Zeit, in der die Chefs die Nase rümpfen, weil der potenzielle Jungmanager, statt zu arbeiten, lange Wiederholungskurse absolvieren müsste?
Klar ist: Der Armee ist diese Imagepflege der besonderen Art noch so willkommen. Tatsächlich geht die Aktion denn auch auf eine Initiative des Militärs selbst zurück. Das erklärt Michael Wiesner, Sprecher des Versicherungsverbandes, auf Anfrage. Und so ist es kein Zufall, dass Armeechef André Blattmann heute an der Medienkonferenz gleich selbst das Wort ergreifen und die Vorzüge der militärischen Führungsausbildung für die Wirtschaft herausstreichen wird. Das hat System, denn der oberste Soldat des Landes ist in dieser Sache regelmässig bei Vertretern verschiedener Branchen zu Gast, wie sein Sprecher Christoph Brunner erklärt.
Bleiben zwei Fragen: Erhält in der Versicherungsbranche künftig nur noch einen Kaderjob, wer es auch in der Armee zu etwas gebracht hat? Und: Welchen Nutzen hat der Versicherungsverband davon, wenn er sich öffentlich fürs Militär ins Zeug legt? «Es geht nicht um einen unmittelbaren Nutzen für uns», antwortet Sprecher Wiesner. «Es geht um ein Bekenntnis zur Führungsausbildung der Armee.» Nur ein Bekenntnis also, kein Prinzip – Zivildienstler und Untaugliche können aufatmen. Eine militärische Kaderposition solle einfach kein Nachteil, sondern vielleicht auch einmal ein Vorteil für Bewerber sein, sagt Wiesner.
Generelle Trendumkehr?
Ob aus dem Engagement des Versicherungsverbands auf eine generelle Trendumkehr zugunsten der Armee zu schliessen ist, darf bezweifelt werden. Max Becker, Präsident der Zürcher Gesellschaft für Personal-Management, setzt jedenfalls «grosse Fragezeichen». «Die Armee steht in Konkurrenz zu Weiterbildungen im zivilen Sektor», sagt er. «Und ich sehe eher, dass Nachdiplomstudien noch wichtiger werden.»
Beim Militär wird man dennoch nicht müde zu betonen, dass die Wirtschaft wieder besser auf die Armee zu sprechen sei als auch schon. Wissenschaftliche Erkenntnisse sollen diese These untermalen. Die Internetausgabe des «Tages-Anzeigers» berichtete kürzlich von einer neuen Studie, die besagt, dass das Prestige des Milizkaders in den letzten Jahren markant gestiegen sei. Und eine zweite Studie stellt fest, dass Offiziere im Beruf leicht mehr verdienen als gewöhnliche Soldaten mit gleichen Voraussetzungen in Bezug etwa auf Alter, Ausbildung oder Unternehmensgrösse.
Urheber dieser zweiten Studie ist übrigens die Abteilung von Bruno Staffelbach, Inhaber des Lehrstuhls für Human Resource Management an der Universität Zürich. Und der ist nicht ganz unbelastet: Brigadier Staffelbach war einst gar als Armeechef im Gespräch.