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Sicherheit

Die Zahl der Verkehrstoten steigt: Weshalb die Schweiz im europäischen Vergleich zurückfällt

Die Beratungsstelle für Unfallverhütung fordert Massnahmen für mehr Verkehrssicherheit. Der Bund betont, die Schweiz stehe im europäischen Vergleich gut da - und sagt, wie er die Zahl der Verkehrsopfer senken will.
Dieser Unfall auf der Autobahn A 14 in Buchrain LU forderte im vergangenen September ein Todesopfer und acht Verletzte.
Bild: Luzerner Polizei

Es war ein trauriges Rekordjahr: 1971 starben auf Schweizer Strassen 1773 Personen, 18'785 verunfallten schwer. Seither sind die Fahrzeuge sicherer und die Infrastruktur besser geworden. Auch die Politik handelte. Das Volk segnete 1980 in einer Referendumsabstimmung ein von Bundesrat und Parlament vorgeschlagenes Gurtenobligatorium hauchdünn ab. Seit 20 Jahren gilt 0,5 anstatt 0,8 Promille. Ab 2013 traten erste Massnahmen des Pakets «Via sicura» in Kraft, zum Beispiel schärfere Strafen gegen Raser und ein Lichtobligatorium am Tag.

Im letzten Jahr starben im Schweizer Strassenverkehr 250 Menschen, 3792 wurden schwer verletzt. Die gute Nachricht: Dieser Wert liegt um ein Vielfaches tiefer als 1971, obwohl der Verkehr heute viel dichter ist. Die schlechte Nachricht: Seit rund zehn Jahren hat sich die Zahl der Verkehrstoten auf diesem Niveau eingependelt. In letzter Zeit stieg die Zahl der Opfer tendenziell sogar wieder - um 34 Prozent zwischen 2019 und 2024.

Die Beratungsstelle für Unfallverhütung schlug deshalb am Dienstag in einer Medienmitteilung Alarm: «In keinem anderen europäischen Land verlief die Entwicklung in diesem Zeitraum so negativ.» Im europäischen Durchschnitt sei die Zahl der Toten um 12 Prozent gesunken. Die Beratungsstelle bezieht sich dabei auf einen Bericht der ETSC. Die Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Brüssel trägt zuhanden von Behörden Daten zur Verkehrssicherheit in Europa zusammen.

«Die Verkehrssicherheit ist kein Selbstläufer», mahnt Marco Cavegn, Bereichsleiter Strassenverkehr bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung. Sie kritisiert etwa, dass in der Schweiz erhöhte Anforderungen an Tempo-30-Zonen gestellt würden, während andere Länder diese förderten.

Die Beratungsstelle verlangt einen nationalen Aktionsplan mit mehreren Massnahmen. Unter anderem müssten Kontrollen und Strafen in den Bereichen Geschwindigkeit, Alkohol und Drogen verstärkt werden. Diese Forderung kommt nicht von ungefähr. Zu viel Alkohol und zu hohes Tempo sind die Hauptursachen für tödliche Unfälle.

Bund setzt auf Fahrassistenzsysteme

Auch das Bundesamt für Strassen (Astra) will die Sicherheit verbessern. «Das strategische Ziel, die Zahl der Verkehrstoten bis 2030 auf 100 zu senken, bleibt bestehen», sagt Sprecher Thomas Rohrbach. Jeder Verkehrsunfall mit getöteten oder schwerverletzten Personen sei einer zu viel. Das Astra arbeite zusammen mit Bund, Kantonen, Gemeinden und weiteren Partnern daran, bestehende Massnahmen gezielt zu überprüfen und weiterzuentwickeln.

Konkrete positive Effekte erwartet das Astra etwa mit der Umsetzung des Veloweggesetzes, das die Sicherheit für Velo- und E-Bike-Fahrende erhöhen soll. Auch von Fahrassistenzsystemen in Autos und anderen Fahrzeugen verspricht es sich viel. Zudem prüft es derzeit Massnahmen, um die Unfallzahlen mit 125er-Motorrädern zu reduzieren.

Das Astra betont, die Schweiz weise bereits ein hohes Sicherheitsniveau auf. Ein Blick auf das Ranking der Nichtregierungsorganisation ETSC bestätigt diese Einschätzung. Mit 28 Verkehrstoten pro einer Million Einwohnern liegt unser Land auf Rang sieben und damit in der Spitzengruppe.

Die verhältnismässig hohe Zunahme von 34 Prozent bei den Verkehrstoten zwischen 2019 (187 Tote) und 2024 (250 Tote) lässt sich einfach erklären: Es handelt sich um statistische Ausreisser nach unten und nach oben. Kommt hinzu: In Staaten wie Litauen oder Belgien, die im ETSC-Bericht für ihre jüngste Entwicklung explizit gelobt werden, ist der Verkehr noch immer deutlich gefährlicher als in der Schweiz.