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Naher Osten

Kein Krieg mit dem Iran –  US-Präsident Joe Biden setzt auf Mix aus Vergeltung und Abschreckung

Mit zwei gestaffelten Angriffen am Wochenende hat der amerikanische Präsident Vergeltung für den Tod dreier US-Soldaten geübt. Ziel der Luftschläge waren militärische Einrichtungen pro-iranischer Milizen in Syrien, Irak und Jemen.

Seit dem Hamas-Terrorüberfall am 7. Oktober und dem israelischen Gegenschlag in Gaza fühlt sich die «Achse des Widerstands» beflügelt. Das von Irans Mullah-Regime ins Leben gerufene und gesponserte Milizen-Netzwerk hat schon über 160 Mal US-Stützpunkte im Irak und in Syrien angegriffen. Die Übergriffe auf die internationale Schifffahrt im Roten Meer zwingen grosse Reedereien teilweise dazu, die kostspielige Ausweichroute rund um Afrika zu nehmen.

Mit dem Tod von drei US-Soldaten nach einem Drohnenangriff vor einer Woche an der jordanisch-syrischen Grenze ist der Druck auf Präsident Joe Biden zusätzlich gestiegen, diesem Treiben den Riegel zu schieben.

Über das Wochenende entschieden sich die USA zu einer gestaffelten Antwort: In der Nacht auf Samstag griffen sie zunächst laut eigenen Angaben mit B-1-Langstreckenbombern mehr als 85 Ziele in Syrien und im Irak an. Dieser Luftschlag, der sich gegen die Verursacher des tödlichen Drohnenangriffs vor Wochenfrist richtete, soll nur etwa 30 Minuten gedauert haben.

Im Vordergrund seien Kommandozentralen, Geheimdienststandorte und Waffen­lager gestanden, die von den iranischen Revolutionsgarden und mit ihnen verbundenen Milizen genutzt wurden. Laut der oppositionsnahen syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte gab es dort 23 Tote, im Irak wurden nach Regierungsangaben 16 Menschen getötet.

In der Nacht auf Sonntag waren dann Ziele des Huthi-Re­gimes im Jemen an der Reihe. Unterstützt von Typhoon-Jets der britischen Luftwaffe griffen US-Kampfflugzeuge 36 Ziele an 13 verschiedenen Orten an. Die zwei US-Zerstörer «USS Gravely» und «USS Carney» setzten zudem Marschflugkörper des Typs Tomahawk ein, die vom Roten Meer aus abgefeuert wurden; dies berichtete das US-Verteidigungsministerium.

Die Angriffe hätten auf unterirdische Waffenlager, Raketen- und Luftverteidigungssysteme, Radaranlagen und Helikopter abgezielt. Der britische Verteidigungsminister Grant Shapps teilte seinerseits mit, seine Jets hätten ein Ziel westlich der Hauptstadt Sanaa getroffen, von dem aus Huthi-Drohnen gegen Schiffe im Roten Meer eingesetzt worden seien.

«Exakt die richtigen Stellungen» getroffen

Internationale Agenturen zitierten den Huthi-Sprecher Jachja Sarea mit der Aussage, dass die westlichen Angriffe nicht unbeantwortet bleiben würden. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell rief alle Seiten zur Mässigung auf. Der US-Präsident beteuerte bereits am Freitag nach Bekanntwerden der ersten Angriffsmeldungen auf Irak und Syrien, er wolle keinen Regionalkrieg im Mittleren Osten.

Der amerikanische Präsident Joe Biden nahm am Freitag an einer militärischen Zeremonie in Dover (Delaware) teil, an der die Leichname von drei getöteten Soldaten empfangen wurden.
Bild: Bild: EPA

Der Präsident hatte vor Beginn der Attacken auf dem Luftwaffenstützpunkt in Dover (Delaware) an einer Zeremonie teilgenommen, an der die Leichname der drei getöteten amerikanischen Soldaten William Rivers (46), Kennedy Sanders (24) und Breonna Moffett (23) mit militärischen Ehren empfangen wurden.

In einem Hintergrundgespräch mit Medienschaffenden in Washington betonte Generalleutnant Douglas Sims, der Operationschef des US-Generalstabs, die Vergeltungsschläge seien «erfolgreich» gewesen. Zudem gab er sich überzeugt davon, dass die US-Militärs «exakt die richtigen Stellungen» getroffen hätten. Die Frage, ob es bereits zu Reaktionen der pro-iranischen Milizen gekommen sei, beantwortete er negativ.

Offensichtliches Ziel der amerikanischen Gegenschläge ist es, die anhaltenden Attacken gegen amerikanische Soldatinnen und Soldaten zu stoppen, die in der Region stationiert sind. Daneben hofft Washington, dass sich Teheran die zahlreichen Organisationen, die es in der Region mit Waffen, Geld oder strategischen Ratschlägen unterstützt, vorknöpft.

Denn diese sind in unterschiedlichem Grad vom Mullah-Regime abhängig, agieren vielfach eigensinnig und sind längst nicht nur blosse Befehlsempfänger der Machthaber in Teheran.

Gleichzeitig signalisiert Biden aber auch, dass er nicht aufs Ganze gehen will. Eine Attacke gegen Ziele auf iranischem Territorium sei nicht geplant, sagte John Kirby, ein Sprecher des Präsidenten. Vielmehr kündigte Kirby an, dass die Attacken gegen pro-iranische Kräfte weitergehen würden, bis die Gefahr für die USA gebannt sei. Biden liess sich mit den Worten zitieren: «Wenn Sie einem Amerikaner Schaden zufügen, werden wir darauf reagieren.»

Republikaner fordern härtere Reaktion

In ersten Reaktionen lobten Demokraten die Antwort der amerikanischen Regierung. Jack Reed, ranghoher Senator, sprach von einer «starken, proportionalen Antwort». Republikaner bemängelten hingegen, dass es fünf Tage gedauert habe, bis die Regierung Biden reagiert habe.

Damit «untergrabe» der Präsident seine Bemühungen, die Barrage von Angriffen ein für alle Mal zu beenden. Auch forderten einige sicherheitspolitische Falken ein schärferes Vorgehen gegen Teheran. Er habe keine Angst vor einem Krieg mit dem Iran, sagte beispielsweise Senator Lindsey Graham.

Diese Stimmen zeigen, wie sehr Joe Biden bei allen Entscheidungen im Mittleren Osten von der Stimmungslage in der Heimat abhängig ist. Schwäche kann er sich in Zeiten des Wahlkampfs schlicht nicht leisten.