«Wir haben gerade einen Tanker vor der Küste Venezuelas beschlagnahmt, einen grossen Tanker, einen sehr grossen, den grössten, der jemals beschlagnahmt wurde», sagte Trump. Er fügte hinzu, dass «noch andere Dinge geschehen». Darüber werde er später mehr sagen. Aus US-Kreisen verlautete, die Beschlagnahmung sei von der US-Küstenwache geleitet und von der Marine unterstützt worden. Die Aktion sei unter die Zuständigkeit der US-Strafverfolgungsbehörden gefallen. Es war unklar, wem der Tanker gehörte und unter welcher Flagge er fuhr.

Die venezolanische Regierung hat die militärische Erstürmung vor der Küste des südamerikanischen Landes scharf verurteilt. Der bewaffnete Einsatz sei «ein dreister Raubüberfall und ein Akt internationaler Piraterie», wetterte das Aussenministerium in Caracas. US-Justizministerin Pam Bondi und FBI-Chef Kash Patel hatten die aussergewöhnliche Aktion damit begründet, dass das Schiff Teil eines illegalen Netzwerks zum Transport von Öl gewesen sei, mit dem ausländische Terrororganisationen unterstützt werden sollten.
Kriegsschiffe, Kampfjets und Soldaten
Mit der Erstürmung des Öltankers haben die Spannungen zwischen beiden Ländern eine neue Eskalationsstufe erreicht. In den vergangenen Monaten versenkte das US-Militär immer wieder Schnellboote in der Karibik, die angeblich mit Drogen beladen waren. Ausserdem zogen die USA in der Region eine schlagkräftige Streitmacht aus Kampfflugzeugen, Soldaten und Kriegsschiffen zusammen, darunter der weltgrösste Flugzeugträger.
Venezuela hat riesige Ölvorkommen, ist stark von den Exporteinnahmen abhängig und liefert sein Öl vor allem an den US-Rivalen China. Der autoritär regierende Präsident Nicolás Maduro wirft der Trump-Regierung vor, es bei der Eskalation des Konflikts vor allem auf diese Bodenschätze abgesehen zu haben und einen Machtwechsel in Caracas erzwingen zu wollen.
«Jetzt zeigen sich die wahren Gründe für die andauernde Aggression gegen Venezuela. Es geht nicht um Migration. Es geht nicht um Drogenhandel. Es geht nicht um Demokratie. Es geht nicht um Menschenrechte», hiess es in der Stellungnahme des venezolanischen Aussenministeriums. «Es geht immer um unsere Bodenschätze, unser Öl, unsere Energie, um die Ressourcen, die ausschliesslichen dem Volk Venezuelas gehören.»
Wofür wurde der Tanker genutzt?
Der Tanker sei für den Transport von sanktioniertem Öl aus Venezuela und dem Iran genutzt worden, schrieb US-Justizministerin Bondi auf der Plattform X. FBI-Chef Patel behauptete dagegen, der Tanker sei verwendet worden, um Öl aus Venezuela an den Iran zu liefern.
Die «New York Times» berichtete unter Bezug auf einen ungenannten Mitarbeiter der Küstenwache, das Schiff fahre unter dem Namen «Skipper» und habe Öl der staatlichen venezolanischen Ölgesellschaft transportiert. Früher sei es mit dem Schmuggel iranischen Öls in Verbindung gebracht worden.
Soldaten seilen sich auf Schiff ab
Bondi und Patel veröffentlichten ein Video, das die spektakuläre Aktion zeigen soll. Darauf ist ein Tanker zu sehen, dem sich ein Hubschrauber nähert. Soldaten seilen sich aufs Deck des Tankers ab und sichern das Schiff mit gezückten Waffen. Von der Mannschaft ist nichts zu sehen.
Wohin das Schiff unterwegs war und unter welcher Flagge es fuhr, war angesichts der widersprüchlichen Angaben aus den USA zunächst unklar. An der Übernahme des Tankers waren nach Angaben Bondis die Küstenwache, das FBI und das Heimatschutzministerium beteiligt, mit Unterstützung des inzwischen als «Kriegsministerium» bezeichneten Pentagons.
Trump: Maduros Tage sind gezählt
Seit Monaten lässt Trump den Konflikt mit Venezuela schrittweise eskalieren. Seine Regierung rechtfertigt den Einsatz militärischer Gewalt als notwendiges Mittel im Kampf gegen organisierte Drogenkriminalität und Rauschgift schmuggelnde «Terroristen», die eine Gefahr für die Bevölkerung der USA darstellten. Aus Sicht von UN-Menschenrechtsexperten verstösst Trumps Regierung damit gegen das Völkerrecht.
Der US-Präsident genehmigte auch verdeckte Einsätze des Auslandsgeheimdienstes CIA in Venezuela und betonte mehrfach, dass er Einsätze an Land nicht ausschliesse. Zuletzt entgegnete er im Interview des Nachrichtenportals «Politico» auf die Frage nach einer möglichen amerikanischen Bodeninvasion, er wolle weder etwas bestätigen noch ausschliessen.
Auch auf die Frage, wie weit er gehen würde, um Präsident Maduro aus dem Amt zu drängen, wollte Trump nicht antworten. Er betonte aber: «Seine Tage sind gezählt.» Der US-Präsident warf Maduro vor, das venezolanische Volk «furchtbar» zu behandeln.
Maduros politische Gegnerin lässt sich feiern
Die neue Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado ist Stunden nach der offiziellen Preisverleihung in Oslo eingetroffen. Die venezolanische Oppositionsführerin zeigte sich in der Nacht auf Donnerstag auf einem Balkon des Grand Hotel in der norwegischen Hauptstadt, wie im Fernsehen zu sehen war. Danach begrüsste die Gegnerin des autoritären Staatschefs Nicolás Maduro unten auf der Strasse ihre Anhänger. Diese hatten zuvor die venezolanische Nationalhymne angestimmt und «libertad, libertad» (Freiheit) skandiert.
Machado war am Mittwoch in Abwesenheit «für ihren unermüdlichen Einsatz für die demokratischen Rechte des venezolanischen Volkes und für ihren Kampf für einen gerechten und friedlichen Übergang von Diktatur zur Demokratie» mit dem diesjährigen Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Da sie es nicht pünktlich zu der Zeremonie schaffte, nahm ihre Tochter Ana Corina Sosa Machado den Preis im Osloer Rathaus für sie entgegen.
Die venezolanische Regierung kritisierte die Nobelpreiszeremonie als politische Show. Vizepräsidentin Delcy Rodríguez sagte im staatlichen Fernsehen: «Das sah aus wie eine Totenwache, es war ein totaler Misserfolg. Die Show ist gescheitert, denn die Dame (Machado) ist nicht erschienen.» Die Auszeichnung für die venezolanische Oppositionsführerin bezeichnete Rodríguez als einen «mit Blut befleckten Preis.»
Machado ist die wichtigste Vertreterin der venezolanischen Opposition. Sie war im vergangenen Jahr die treibende Kraft hinter dem Wahlkampf des Oppositionskandidaten Edmundo González, der die Präsidentenwahl nach Einschätzung der Regierungsgegner und zahlreicher Drittstaaten gewann. Trotz der Betrugsvorwürfe liess sich der autoritäre Präsident Maduro allerdings zum Sieger erklären. González ging daraufhin nach Spanien ins Exil. Auch zahlreiche andere Oppositionelle sind längst ins Ausland geflohen.
In Venezuela wird unter anderem wegen Vaterlandsverrats gegen Machado ermittelt. Vor ihrer Reise nach Oslo lebte sie seit über einem Jahr weitgehend im Untergrund. Die Staatsanwaltschaft hatte angekündigt, Machado als flüchtig zu betrachten, sollte sie das Land verlassen. Bei einer Rückkehr nach Venezuela könnte sie demnach festgenommen werden. Denkbar wäre aber auch, dass ihr die Einreise in ihr Heimatland verweigert wird. (dpa/AP)