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Bundesrat

«Unberechenbar», ein «Chrampfer», «voller Widersprüche»: Das sagen die Medien zu Ueli Maurers Rücktritt

Bundesrat Ueli Maurer tritt zurück. Die Schweizer Medien betonen seine Wandlung vom SVP-Präsidenten zum Staatsmann. Gleichzeitig unterstreichen sie, dass er mehr als einmal das Kollegialitätsprinzip verletzt habe und schwer durchschaubar bleibe. 

Bundesrat Ueli Maurer tritt per Ende Jahr von der Politik zurück. Er habe wieder Lust auf «etwas Neues», sagte er. 
Bild: Keystone

Nach 44 Jahren in der Schweizer Politik, 14 davon in der Landesregierung, ist Schluss: Bundesrat Ueli Maurer hat am Freitag seinen Rücktritt per Ende Jahr angekündigt. Tags darauf ziehen die Schweizer Medien Bilanz über die Karriere des gebürtigen Hinwilers.

Mit Maurer verabschiedet sich laut den Tamedia-Zeitungen «einer der schillerndsten Schweizer Politiker der letzten Jahrzehnte». Der Kommentator betont dabei Maurers inzwischen ikonischen Satz «Kä Luscht», als er 2015 nach seiner Wiederwahl in den Bundesrat gegenüber einem Journalisten seine Unlust auf einen Kommentar kund tat. Dieser Satz verdeutliche alles, wofür Maurer stehe: «Seine Aussenwirkung. Seine Saloppheit. Sein gespanntes, wenn nicht feindseliges Verhältnis zu den Medien. Seine ostentative Hinwendung zu den Seinigen.» Vor allem zeige es seine «Unberechenbarkeit», wie es im Kommentar heisst:

«Keiner konnte als Bundesrat so unvermittelt von Staatsmann auf Provokateur umschalten und wieder zurück.»

Als Bundesrat habe Maurer durchaus Gefallen an der Funktion des Landesvaters gezeigt. «Besonders behagte ihm die Rolle als besorgter Kassenwart.» Gleichzeitig umgebe ihn aber etwas «Janusköpfiges». Kleine Provokationen, angriffige Reden oder fragwürdige Auftritte in Parteiblättern zögen sich durch seine Bundesratszeit. «In der Corona-Pandemie traten trotzige, wenn nicht leicht querulatorische Züge hervor», so der Kommentator. Am meisten Aufsehen erregte er dabei, als er mit einem Leibchen der sogenannten Freiheitstrychler posierte.

Identifikationsfigur für jene, die «denen in Bern oben» misstrauen

Auch der Chefredaktor der CH Media Zeitungen unterstreicht in seinem Kommentar die vielen Widersprüche von Ueli Maurer. Er sei in all den Jahren er selber geblieben und habe sich nicht vom System vereinnahmen lassen:

«Der widerborstige Bauernsohn mit KV-Lehrabschluss war der Aussenseiter im Bundesrat, doch er litt nicht an dieser Rolle, im Gegenteil. Er suchte sie und blühte darin auf.»

Dies zeigte sich insbesondere in der Pandemie, als er über die Covid-App spottete, die zweite Impfung verweigerte, oder sich ein Trychler-Shirt überzog. Nur um später wieder linientreu die bundesrätliche Coronapolitik zu unterstützen. Maurer müsse wohl irgendwann entdeckt haben, dass er für jene Menschen eine Identifikationsfigur ist, die «denen in Bern oben» misstrauen. Weiter schreibt der Kommentator:

«Maurer beherrscht das Spiel zwischen Regierung und Opposition wie kein Zweiter. Nicht nur bei Corona. Immer wieder ritzte oder verletzte er das Kollegialitätsprinzip.»

Im Bundesrat habe er vor allem als Finanzminister Erfolg gehabt. So habe Maurer für einen gesunden Haushalt gekämpft, mit den Covid-Krediten für KMU und auch für den Finanzplatz Schweiz. «Weniger glücklich» habe er dafür Verteidigungsminister agiert. «Sein wichtigstes Projekt, der Kauf des Kampfjets Gripen, wurde vom Volk versenkt.»

Ein «ausgesprochen guter Finanzminister»

Die Kommentatorin der «NZZ» geht ebenfalls auf die Vielseitigkeit von Ueli Maurer ein und nennt ihn einen «Schmoller, Chrampfer, Staatsmann». Insgesamt verdanke ihm die Schweiz viel. er sei einer, der...

«...fast sein ganzes Leben lang für sein Vaterland gearbeitet hat – ein überzeugter Vertreter des komplizierten Schweizer Systems.»

Ueli Maurer gehöre zu den Politikern, «die zu Anfang ihrer Karriere belächelt, später gefürchtet oder gehasst und am Schluss respektiert werden.» Als Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements habe er schliesslich «die Rolle seines Lebens» gefunden. «Sein Meisterstück waren die Covid-19-Kredite, die er während der Pandemie gemeinsam mit den Grossbanken aufgleiste und in Rekordzeit umsetzte», so die «NZZ».

Dem Land werde der 71-Jährige Zürcher als «ausgesprochen guter Finanzminister im Gedächtnis bleiben», schreibt die Kommentatorin weiter. Es werde sich aber auch an einen «ausgesprochen launischen Bundesrat» erinnern:

«Wenn Maurer hässig war, war er hässig. Sollen es alle mitbekommen. Ihm doch wurscht.»

Als Bundesrat sei Maurer, anders als einige seiner Vorgänger, nie in direkte Opposition zu seiner Partei gegangen. «Er war kein halber Bundesrat, aber auch nie ein Knecht seiner Partei», so die Kommentatorin.

Viele werden «wehmütig» an Maurer zurückdenken

Der Chefredaktor der Blick-Gruppe betont wiederum, dass die Medien bei seiner Wahl in den Bundesrat 2008 für ihn das gleiche Schicksal vorsahen, wie für SVP-Doyen Christoph Blocher, der aus der Landesregierung abgewählt wurde. Seitdem seien 14 Jahre vergangen. Dabei hob er sich von seinem einstigen Ziehvater ab:

«Maurer glückte, was Blocher misslang: Er wechselte wie auf Knopfdruck vom Modus des Parteichefs in den des Bundesrats – von einem Tag auf den anderen zeigte er sich plötzlich zurückhaltend.»

Trotzdem sei er sich «auf bemerkenswerte Weise» treu geblieben. «Auch, indem er sich immer wieder vollendet unmagistral zeigte», so der Kommentator. Dieser Widerspruch zeige sich selbst in seiner Rücktrittsrede: «Er beklagte die Spaltung des Landes und beschimpfte im gleichen Atemzug die Medien als links und langweilig.»

Im Frühsommer sei er seiner Nachfolgerin im Verteidigungsdepartement Viola Amherd wegen des Armeebudgets in den Rücken gefallen. «Und auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie zog er ein Hemd über, das ihn als Impfskeptiker kenntlich machte.» Doch letztendlich funktioniere politische System der Schweiz so gut, «weil alle Lebensrealitäten in den Bundesrat einfliessen.» Der Kommentator ist indes überzeugt, dass wohl «viele wehmütig an ihn zurückdenken werden».