Es war 1 Uhr in der Nacht. Die Kinder im Sommercamp nahe des Guadalupe Rivers in Texas waren schon im Bett, als Hauswart Aroldo Barrera auffiel, dass der Wasserpegel am Fluss während starker Regenfälle in den letzten Stunden deutlich gestiegen war. Er rief seine Vorgesetzten an und entschied gemeinsam mit ihnen, die Kinder in ein höher gelegenes Gebäude zu bringen.
Nur Stunden später rissen Sturzfluten Bäume, Boote und Gebäude mit. Zwischen 2 und 7 Uhr morgens stieg der Pegel des Guadalupe Rivers in Kerrville auf 10 Meter an. Die Überschwemmungen erreichten kurz vor 7 Uhr am Morgen ihren Höhepunkt – als viele noch im Bett waren.
Die Betreiber der Mo-Ranch und viele andere in der beliebten Sommerlager-Region waren bei der Entscheidung, ihre Besucher in Sicherheit zu bringen, komplett auf sich allein gestellt. Warnungen oder Hilfe von den örtlichen Behörden blieben in diesen Stunden aus. Mit seiner Aktion hat Barrera rund siebzig Kindern und Erwachsenen das Leben gerettet.
Rund 400 Helferinnen und Helfer
Nicht alle in der Gegend hatten so viel Glück. Nur rund eine halbe Stunde entfernt wurde das Mädchen-Sommerlager «Camp Mystic» von den Fluten verwüstet. 27 Kinder und Betreuer sind den Unwettern zum Opfer gefallen. «Unsere Herzen sind an der Seite der Familie gebrochen, die diese unvorstellbare Tragödie ertragen müssen. Wir beten ständig für sie», teilte das Camp zusammen mit der Zahl der Todesfälle mit. Noch immer wird nach vermissten Mädchen gesucht.
Rund 400 Helferinnen und Helfer sowie mehrere Hundestaffeln beteiligen sich derzeit an den Sucharbeiten, auch Helikopter und Drohnen sind im Einsatz. Insgesamt bestätigten die Behörden bis Montag mehr als achtzig Todesopfer, wobei die Zahl noch steigen dürfte.
Wie konnte es so weit kommen? Und wieso wurden die Gebiete nicht rechtzeitig evakuiert? Ein Vertreter der Stadt weigerte sich, die ihm gestellten Fragen am Sonntag zu beantworten – und brach kurz darauf die Pressekonferenz ab.
«Das ist eine Jahrhundertkatastrophe»
Präsident Donald Trump sagte am Sonntag, die Katastrophe sei unvorhersehbar gewesen: «Es geschah innerhalb von Sekunden, niemand hat das erwartet.» Er hatte für die betroffene Region den Katastrophenfall erklärt und damit weitere Bundeshilfen freigegeben.
Auf seine Pläne angesprochen, die Katastrophenschutzbehörde (Fema) abzuschaffen oder drastisch zu verkleinern, sagte Trump, darüber könne später gesprochen werden. Nun sei die Behörde mit der Lage in Texas beschäftigt. «Das ist eine Jahrhundertkatastrophe, und es ist so schrecklich, das mit anzusehen», ergänzte er. Voraussichtlich am Freitag werde er das Flutgebiet besuchen.
Auch die Kürzungen der Trump-Regierung beim Wetterdienst (NWS) unter seinem damaligen Berater Elon Musk gerieten in den Fokus. Medienberichten zufolge wurden seit Trumps Amtsantritt mehrere hundert Meteorologen entlassen. Laut US-Sender CNN wurde so die Warnfähigkeit der Behörden geschwächt. Der Präsident verneinte die Frage, ob er diese wieder einstellen würde.
Da die Gefahr von Sturzfluten in dem betroffenen Gebiet bekannt sei, habe es schon vor Jahren Pläne für ein besseres Warnsystem gegeben, hiess es in Medienberichten. So hätten örtliche Behörden darüber diskutiert, Sirenen und Pegelanzeigen zu installieren. Aus Kostengründen sei dies aber verworfen worden, schrieb die «New York Times». Stattdessen seien die Menschen nun über Textnachrichten gewarnt worden, die für einige zu spät gekommen oder übersehen worden seien.
Erst vor wenigen Monaten sei zudem im texanischen Kongress ein Gesetzentwurf zur Verbesserung der Katastrophenhilfe gescheitert, meldete die Zeitung «The Texas Tribune». Der Stadtverwalter von Kerrville, Dalton Rice, sagte, die Behörden würden die Notfallmassnahmen nun überprüfen. Für mindestens achtzig Menschen kommen diese Pläne jedoch zu spät.