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Ukraine-Krieg

Sieben Kehrtwenden in acht Monaten: Trumps erstaunliche Achterbahnfahrt in seiner Russland-Politik

Hat sich der US-Präsident mit seiner Sanktionierung von grossen russischen Öl-Firmen jetzt endgültig auf die Seite der Ukraine und Europas gestellt? Angesichts seines Schlingerkurses in den vergangenen Monaten sind Zweifel erlaubt.
Historischer Eklat im Weissen Haus: Donald Trump überschüttet Wolodimir Selenski mit Vorwürfen und lässt seinen Gast kaum zu Wort kommen. Das Treffen am 28. Februar findet ein vorzeitiges, abruptes Ende.
Bild: Jim Lo Scalzo/EPA

Wer Donald Trumps Haltung zur Ukrainefrage verfolgen möchte, riskiert bei so viel Hin und Her «ein Schleudertrauma»: Das schrieb jüngst die ARD-Tagesschau.  Das einzig Beständige bei Donald Trumps Schlingerkurs sei die Unbeständigkeit.

Tatsächlich hat der US-Präsident mindestens sieben grössere und jeweils sehr abrupte Kehrtwenden in seinem Verhältnis zum Kreml-Herrscher Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski vollzogen. Wer sich noch detaillierter durch Trumps Äusserungen in den sozialen Netzwerken und offizielle Verlautbarungen liest, kommt seit Amtsantritt im Januar auf gut und gerne die doppelte oder sogar dreifache Anzahl.

Chronologie der Kehrtwenden
  • September 2024: Der US-Wahlkampf befindet sich in der heissen Phase. Der republikanische Herausforderer Donald Trump verspricht an mehreren Auftritten, er werde den Ukraine-Krieg noch vor Amtsantritt oder alternativ innert 48 Stunden beenden. Wolodimir Selenski wirft er vor, immer «so kleine, beleidigende Bemerkungen über ihn» zu machen. Selbst «der schlechteste Deal sei besser als der jetzige Zustand», sagt Trump in Richtung Ukraine.
  • 28. Februar 2025: Selenski trifft sich mit Trump in Washington wegen eines Rohstoffabkommens, wird aber von ihm und Vizepräsident JD Vance vor laufenden Kameras mit Vorwürfen der Undankbarkeit überhäuft und schliesslich aus dem Weissen Haus geworfen. In der Woche davor bezeichnete Trump Selenski bereits als «Diktator ohne Wahlen», der einen «schrecklichen Job» mache. Am 3. März stellt Trump jegliche Militärhilfe an die Ukraine ein, diese müsse überprüft werden.
  • 13. März 2025: Nach einem Entschuldigungsbrief Selenskis und Verhandlungen in Saudi-Arabien erklärt sich die Ukraine zu einem bedingungslosen 30-tägigen Waffenstillstand bereit. Trump hebt das Waffenembargo auf und nimmt Moskau in die Pflicht: Es wäre «ein enttäuschender Moment für die Welt», sollte Putin nicht zustimmen. Der Kreml erklärt sich im Prinzip einverstanden, stellt aber weitläufige Vorbedingungen, die auf eine Kapitulation Kiews hinauslaufen.
  • 26. April 2025: Während der Abdankungsfeier von Papst Franziskus treffen sich Trump und Selenski zu einem Vieraugengespräch im Vatikan. Nachdem der US-Präsident wenige Tage davor noch der Ukraine die Schuld am verschleppten Friedensprozess gegeben hat («Selenski hat keine Karten mehr zum Ausspielen»), fragt er öffentlich auf Truth Social, ob Putin ihn bloss mit leeren Versprechen hinhalte. Trump droht Moskau die Verhängung von Sanktionen an.
  • 19. Mai 2025: Trump hält das erste in einer Reihe von Telefonaten mit Putin und verkündet Moskaus Einverständnis zu sofortigen Waffenstillstandsgesprächen. Wie schon nach der Annäherung im April quittiert der Kreml diese Ankündigung mit ausserordentlich schweren Luftangriffen auf ukrainische Städte mit fast 30 Toten. Er sei «absolut verrückt geworden», schimpft Trump über Putin und droht mit Strafzöllen, lässt sich aber in Folgetelefonaten wieder besänftigen.
  • 14. Juli 2025: Trump setzt Putin ein 50-Tage-Ultimatum, um mit Selenski einen Waffenstillstand abzuschliessen. Diese Frist wird Ende Juli auf 10 bis 12 Tage verkürzt. Gleichzeitig genehmigt die US-Regierung Waffenverkäufe an Kiew und droht Russland und allen seinen Erdöl-Kunden, insbesondere China und Indien, mit Strafzöllen in der Höhe von 100 Prozent. Nach weiteren schweren russischen Luftangriffen schreibt Trump: «Das muss endlich aufhören!»
  • 15. August 2025: Trump empfängt Putin mit grossem Pomp in Alaska und danach Selenski samt europäischen Partnern in Washington. Sondergesandte Steve Witkoff hat zuvor von einer weiteren Moskau-Mission gute Nachrichten mitgebracht: Putin ist zu einem Gebietsabtausch im Gegenzug für Frieden bereit! Das ganze erweist sich als peinliches Missverständnis und Übersetzungsfehler, der Alaska-Gipfel endet ergebnislos – und trotzdem sind Sanktionen, ausser gegen Indien, vom Tisch.
  • 22. Oktober 2025: Moskau rückt keinen Zentimeter von seinen Vorbedingungen für eine Waffenruhe ab. Den nach Alaska von Trump vorgeschlagenen Dreiergipfel mit Selenski hat der Kreml mit Verweis auf die angeblich fehlende Legitimität des ukrainischen Präsidenten abgeblockt. Derweil drängt die Ukraine auf die Lieferung weitreichender Tomahawk-Marschflugkörper. Putin kommt Selenski zuvor, telefoniert ein weiteres Mal mit Trump und dieser kündigt statt Tomahawks überraschend ein Gipfeltreffen in Budapest an. Wenige Tage später die bisher letzte Kehrtwende: Ein Treffen mit Putin sei «Zeitverschwendung», findet Trump und sagt den Gipfel ab. Dafür werden Sanktionen gegen Russlands zwei grosse Öl-Firmen Lukoil und Rosneft verhängt.

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