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Bürokratie

Swissness: Wenn das Schweizerkreuz zur Last wird

In drei Jahren müssen Schweizer Lebensmittelfirmen ihre Produkte dann zu mindestens 80 Prozent aus Schweizer Rohstoffen herstellen, wenn sie weiterhin mit dem Schweizerkreuz werben wollen. Warum das ein grosses Problem werden kann.

Ab 2017 sollen einheitliche Regeln für die Verwendung der Marke Schweiz gelten. Lebensmittelfirmen wie Wernli müssen ihre Produkte dann zu mindestens 80 Prozent aus Schweizer Rohstoffen herstellen, um sie weiterhin mit dem Schweizerkreuz anpreisen zu dürfen.

Müssen sie mehr Zutaten aus dem Ausland importieren, brauchen sie eine Ausnahmegenehmigung.

Die Verordnungen, die dies regeln, seien jedoch viel zu kompliziert, kritisieren die Hersteller. Ihnen könnte ein bürokratischer Kraftakt bevorstehen, wie sich anhand zweier Beispiele zeigen lässt.

Ausnahmen sind schwierig

Erstes Beispiel: Neben Kakao, der in der Schweiz gar nicht wächst und deshalb nicht mitberechnet wird, verarbeitet Wernli auch Zutaten, «die wir aus Qualitätsgründen importieren müssen», wie der Vorsitzende des Verwaltungsrats Werner Hug erklärt.

Speziell gemahlenen Zucker müsse Wernli beispielsweise aus Süddeutschland importieren, da er in dieser Form in der Schweiz nicht erhältlich sei. Dafür eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen, werde nach den neuen Regeln sehr kompliziert, sagt Hug.

Zweites Beispiel: Der Fertiggerichtehersteller Knorr verwendet für seine Suppen insgesamt 10 unterschiedlich verarbeitete Karotten.

In der Minestrone sind sie recht grob geschnitten, in der Rüebli-Suppe dagegen eher klein. Nun ist die Karotte wahrlich kein Produkt, das in der Schweiz schwer zu bekommen wäre.

«In der Schweiz gibt es jedoch kein Unternehmen, das die Karotten so verarbeitet, wie wir sie in unserer Rüebli-Suppe einsetzen», sagt Andreas Reschek aus dem Knorr-Verwaltungsrat.

Theoretisch sei dies zwar in der Schweiz machbar, doch in den kleinen Mengen, die Knorr benötigt, nicht zu beschaffen. Reschek hat dabei das gleiche Problem wie Werner Hug von Wernli: Das Verfahren für eine Ausnahmegenehmigung ist schlichtweg zu bürokratisch.

Neben den Ausnahmen für importierte Rohstoffe stehen die Lebensmittelhersteller noch vor einem weiteren Problem, wie Knorr-Verwaltungsrat Reschek erklärt:

«In Thayngen stellen wir 580 Produkte für den Schweizer Markt her. Dafür setzen wir 970 Rohstoffe ein. Die Verordnung verlangt, dass wir die geografische Herkunft jedes Rohstoffs für jedes einzelne Produkt nachweisen können — ein kaum zu leistender bürokratischer Aufwand.»

Dass die Herkunft aller Zutaten eines Produkts offengelegt werden muss, birgt eine weitere Schwierigkeit: Die Regelung würde von den Zulieferern verlangen, ihre Rezepturen zu verraten — und die sind in vielen Fällen Firmengeheimnisse.

Verbände für Vereinfachung

An der ungenügenden Praxistauglichkeit stören sich auch die Verbände. «Eine Vereinfachung ist nötig», heisst es seitens Economiesuisse. Marlis Henze, zuständig für Wettbewerb und Regulatorisches, erklärt: «Die Verordnungen gehen in einigen Punkten über die ohnehin schon engen Vorgaben des Gesetzes hinaus, zum Beispiel bei den Rohstoffen im Nahrungsmittelbereich.» Das müsse korrigiert werden. Für alle Industrien gelte im Übrigen: «Je stärker verarbeitet die Produkte, desto komplizierter und aufwändiger wird die gesamte Berechnung», sagt Henze.

Dass bei Nahrungsmitteln künftig allein das Verhältnis der eingesetzten Rohstoffe darüber entscheidet, ob ein Produkt schweizerisch ist, kritisiert Urs Furrer, Co-Geschäftsführer der Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien (fial).

«Das Know-how, das in stark verarbeiteten Nahrungsmitteln steckt, wird ausgeblendet». Für den Konsumenten gehe es bei diesen Produkten «auch um ‚Wer hat’s erfunden’ und ‚Wo wird’s hergestellt’ und nicht nur um ‚Wo ist’s gewachsen’».

Ideen, wie den Unternehmen geholfen werden könnte, gibt es bereits. So könnte man sich im Hause Knorr vorstellen, Herkunftsnachweise für Produktgruppen, wie zum Beispiel Tütensuppen insgesamt, statt für jedes einzelne Produkt zu liefern. «Das würde den Prozess schon erheblich erleichtern», sagt Reschek.

Die Vernehmlassung zu den Verordnungen endete vor rund 3 Wochen. Noch im ersten Halbjahr 2015 sollen die zuständigen parlamentarischen Kommissionen konsultiert werden. Im selben Jahr entscheidet der Bundesrat über das Inkrafttreten des Gesetzes.

Grosse Chance für Unternehmen

Für die Schweizer Unternehmen ist die Swissness-Initiative eine grosse Chance, sich durch einen einheitlichen Herkunftsnachweis von der internationalen Konkurrenz abzuheben.

Der Schutz der Marke Schweiz ist für alle beteiligten ein Gewinn. Durch eine zu komplexe Umsetzung könnte der Schuss jedoch nach hinten losgehen.

So wirbt der Wernli-Verwaltungsratsvorsitzende Hug zwar gern mit dem Schweizerkreuz — er sagt aber auch: «Wir würden eher darauf verzichten, als eine Qualität zu produzieren, die wir nicht verantworten können.» Das sehen auch andere so. Die Firmen brauchen daher praktikable Lösungen.

Wenn die Einhaltung der Regeln so umständlich ist, dass viele Firmen freiwillig auf das Schweizerkreuz verzichten, wird der erhoffte Erfolg der Swissness-Initiative für die Schweizer Wirtschaft ausbleiben.