Es ist fast genau ein Jahr her, seit eine Allianz aus SVP, BDP, einem Teil der Grünen und die gewerkschaftliche Linke die Revision des Kartellgesetzes im Nationalrat versenkte. Die Linke störte sich daran, dass ihre Vertreter künftig in einer professionalisierten Wettbewerbskommission (Weko) nicht vertreten wären. Auf Widerstand stiess in der Baubranche das geplante Verbot harter Kartelle. Andere störten sich am Ständerat, der einen Passus hineinflickte, der die Schweizer Hersteller dazu verpflichten sollte, ihre Produkte im Inland gleich teuer zu verkaufen wie im Ausland.
Neue Vorstösse zur Werbeallianz
Jetzt wird die Politik aktiv: Die Baselbieter FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger will vom Bundesrat wissen, ob Medienunternehmen, die durch die gemeldete Tätigkeit der SRG direkt betroffen sind und deren Existenz auf dem Spiel steht, im Verfahren des Bundesamts für Kommunikation (Bakom) angehört und als Partei mit einbezogen werden. Ihr Kollege, Thierry Burkart (FDP, AG), will wissen, wie garantiert werden kann, dass durch die Umsetzung des Gemeinschaftsunternehmens keine zusätzliche Marktverzerrung zugunsten der SRG resultiert. Der Obwaldner CVP-Nationalrat Karl Vogler schliesslich verlangt vom Bundesrat einen Bericht, der die Grenzen aufzeigt, welche die Swisscom und die SRG im Wettbewerb mit privaten Marktteilnehmern im Werbebereich einhalten müssen. «Aus staats- und demokratiepolitischer Sicht ist wünschbar, dass die Schweiz eine gebührenfinanzierte SRG und eine starke private Konkurrenz hat.» (ASC)
Welche Konsequenzen die hohe Hürde hat, zeigt sich am Weko-Entscheid von gestern. Es ist ein Entscheid mit medienpolitischer Tragweite. Swisscom, SRG und Ringier haben vor, ihren Werbeverkauf in einem gemeinsamen Unternehmen zu bündeln und etwa personalisierte Werbung anzubieten. Dies wurde im August bekannt. Die Ankündigung führte zu einem Zerwürfnis unter den Verlegern, worauf Ringier aus dem Verlegerverband ausgetreten ist.
Die Weko hat in der Folge eine vertiefte Prüfung eingeleitet. Gestern wurde das Joint Venture ohne Auflagen genehmigt. Laut Weko-Direktor Rafael Corazza spielt beim Entscheid genau die Bestimmung, die hätte revidiert werden sollen, eine entscheidende Rolle: «Die Fusionskontrolle sagt, dass man nur Zusammenschlüsse verbieten kann, wenn das neue Unternehmen oder das Joint Venture eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, die zu einer Beseitigung des Wettbewerbs führen kann.» Dies sei im Fall des angekündigten Gemeinschaftsunternehmens nicht der Fall.
Fusionen werden kaum verboten
Praktisch unbestritten ist unter Experten, dass das neue Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung einnehmen könnte. Die Weko hat diese Frage nicht geprüft. Sie hält lediglich fest, dass das Gemeinschaftsunternehmen zu einem der stärksten Werbevermarkter in der Schweiz aufsteigen wird. Dennoch geht man von einem weiterhin funktionierenden Werbemarkt aus, weil es auch noch andere starke Wettbewerber gebe, wie Weko-Direktor Rafael Corazza sagt. Dass mit Swisscom und SRG zwei staatsnahe Unternehmen beteiligt sind, spiele keine Rolle. «Wir behandeln diese Firmen gleich wie private Firmen. Die Eigentümerschaft ist nicht entscheidend.» Rechtlich behält sich die Weko jedoch ein nachträgliches Eingreifen vor. Dies, falls das Gemeinschaftsunternehmen in Zukunft in eine marktbeherrschende Stellung gelange und diese missbrauche.
Kaum überraschend, ist die Swisscom mit dem Weko-Entscheid zufrieden. Der neue Werbevermarkter habe die Chance, etwas auf dem Werbemarkt der Schweiz zu bewegen, so der ehemalige Monopolist. Ähnlich äusserten sich auch Ringier und die SRG.
Auf der anderen Seite bedauert der Verband der Schweizer Medien (VSM) den Entscheid. Aus Sicht des VSM liegt es nun am Bundesamt für Kommunikation (Bakom), einzugreifen. Man erwarte, das die Regulierungsbehörde das Joint Venture untersagt oder zumindest sicherstellt, dass die Nutzerdaten der Swisscom und der SRG sowie die Inhalte der SRG diskriminierungsfrei zu den gleichen Konditionen weitergegeben werden könne oder sich alle interessierten Partner gleichberechtigt am Joint Venture beteiligen dürfen. Bis dahin sollte das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek), das von Bundesrätin Doris Leuthard geführt wird, sicherstellen, dass das geplante Joint Venture durch die SRG, Swisscom und Ringier nicht vor Abschluss der Untersuchung umgesetzt wird.
Das Bakom stellte gestern Abend genau das fest: Mittels einer vorsorglichen Massnahme werden dem neuen Unternehmen jegliche Marktauftritte und neue Werbeaktivitäten untersagt. Das Verbot gelte bis zum Abschluss des Aufsichtsverfahrens, spätestens aber bis Ende März des kommenden Jahres. Das Bakom prüft bis dann, ob das von der SRG mitgetragene Joint Venture die Erfüllung des Programmauftrages der SRG beeinträchtigt und ob der Entfaltungsspielraum anderer Medienunternehmen erheblich beschränkt werde. Notfalls könnten Massnahmen ergriffen werden.
Lesen Sie hier auch noch den Kommentar von Michael Wanner, Wirtschaftsredaktor der «Nordwestschweiz» und Mitglied des Verwaltungsrats der AZ Medien.