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Sonntagspresse

Spur in der Affäre Stocker, Corona-Impfstoff für über eine Milliarde entsorgt und Schweizer Kampfdrohnen

Wer steckt hinter der Wahlbeschwerde gegen Simon Stocker, der Bund muss Corona-Impfungen entsorgen und die Armee will eigene Kampfdrohnen – die News der Sonntagspresse.

Heikle Rechnungen: Spur in der Affäre Stocker führt zu Wahlverlierer Thomas Minder

Wer steckt hinter der Wahlrechtsbeschwerde gegen Simon Stocker? Eine Spur führt zum unterlegenen Rivalen.
Bild: Michael Buholzer / Keystone

Vor knapp zwei Wochen setzte das Bundesgericht den Schaffhauser SP-Ständerat Simon Stocker per sofort ab, weil er zum Zeitpunkt seiner Wahl überwiegend in Zürich wohnte. Auf das überraschende Urteil folgen jetzt brisante Dokumente, wie der SonntagsBlick publik macht.

Bisher blieb im Dunkeln, wer tatsächlich hinter der Wahlbeschwerde steht, die zur Absetzung von Stocker führte. Das Lager um Wahlverlierer Thomas Minder wollte nichts damit zu tun haben und betonte stets, die Beschwerde stamme von einem unabhängigen Stimmbürger und sei nicht politisch motiviert. Dokumente zeigen jetzt: Das juristische Manöver gegen Stocker kostete 20 000 Franken – und die Rechnungen gingen an Minders ehemaligen Wahlkampfleiter und engsten politischen Vertrauten Claudio Kuster.

Zwischen November 2023 und Juni 2024 mailte der zuständige Anwalt fünf Rechnungen an Kuster mit der Bitte um Bezahlung innerhalb von zehn Tagen. Warum verschleierte das Lager von Minder seine Beteiligung? Konfrontiert mit den Recherchen schickte Kuster dem SonntagsBlick eine Handynachricht, in der er alles bestreitet. Dann tauchte er ab.

Auch Minder und der Anwalt reagierten nicht auf Anfragen. Romina Loliva, Co-Präsidentin der Schaffhauser SP sagt gegenüber dem SonntagsBlick: «Endlich haben wir Klarheit und wissen, dass die Beschwerde politisch motiviert war. Wir haben es mit einer orchestrierten Aktion aus bürgerlichen Kreisen gegen den Wahlsieger Simon Stocker zu tun.»

Private Daten von Bundesräten und hochrangigen Sicherheitschefs offen im Netz

Wie der SonntagsBlick aufzeigt, sind private Handynummern und E-Mail-Adressen von Bundesräten und hochrangigen Sicherheitsbeamten offen im Internet zu finden. In vielen Fällen gelingt es mit wenigen Klicks mittels einer kommerziellen Personen-Suchmaschine, die persönlichen Daten offenzulegen. In Einzelfällen reicht gar eine einfache Google-Suche.

Der SonntagsBlick fand auf diese Weise private Handynummern von Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider, Aussenminister Ignazio Cassis, Armeechef Thomas Süssli, Fedpol-Direktorin Eva Wildi-Cortés, Cyberabwehrchef Simon Müller sowie von Florian Schütz, Direktor des Bundesamts für Cybersicherheit, und Armasuisse-Chef Urs Loher. Die Handynummern und einige der Mailadressen sind jeweils auch mit den Linkedin-Profilen und anderen Diensten verknüpft.

Bei Armeechef Süssli zum Beispiel mit der Sprachplattform Duolingo, einem Schachportal und Sporttracking-Apps. Fedpol-Chefin Wildi-Cortés registrierte sich mit ihrer geschäftlichen E-Mail-Adresse beim Bezahldienst Paypal. Feindliche Geheimdienste könnten über die öffentlich verfügbaren Daten die Kommunikation der Betroffenen hacken, indem sie deren Endgeräte mit Spähsoftware infizierten.

Auch Cyberkriminelle versuchen, per Phishing-Angriffe Zugang zu Geräten und Diensten wie Mailanbietern oder Paypal zu erhalten. Entsprechend warnt ein Cyberexperte im SonntagsBlick vor einem Sicherheitsrisiko. Das Bundesamt für Cybersicherheit (Bacs) hingegen findet das Ganze «nicht heikel». Für «sensible und klassifizierte Gespräche» gebe es «sichere und verschlüsselte Kommunikationskanäle». Und alle öffentlich exponierten Personen seien sich der Risiken bewusst – intern fänden regelmässig «Sensibilisierungskampagnen» statt.

Armeechef gibt «Like» für umstrittene Forderung

Thomas Süssli, der Chef der Armee, bekundet auf dem sozialen Netzwerk Linkedin Sympathie für einen politisch delikaten Beitrag, wie der SonntagsBlick berichtet. Im Text fordert der Verfasser, allen Angehörigen der Armee die Taschenmunition wieder mit nach Hause zu geben. Und Offizieren zusätzlich zu ihrer Pistole «ohne komplizierte Formalitäten» ein Sturmgewehr als Leihwaffe abzugeben. Mit einem Daumen nach oben, einem «Like», hat Süssli die Äusserungen auf Linkedin versehen.

Das ist zum einen brisant, weil die Armeeangehörigen die Taschenmunition seit 2007 nicht mehr zu Hause lagern dürfen. Zum anderen erstaunt Süsslis «Like», weil der Verfasser des Linkedin-Beitrags kürzlich mit einer anderen Meinungsäusserung für Aufsehen gesorgt hatte. Es handelt sich um Thomas Vogel, Oberstleutnant im Generalstab. Der Milizoffizier regte an, die Schweiz solle Streumunition kaufen.

Dass sich der Ende Jahr abtretende Armeechef Süssli mit einem «Like» zur Taschenmunitions-Abgabe exponiert, bedeute keine inhaltliche Stellungnahme, sagte der Armeesprecher Stefan Hofer dem SonntagsBlick. «Dem Chef der Armee ist das Primat der Politik sehr bewusst.» Mit seinem Like drücke Süssli seine Wertschätzung dafür aus, «dass sich Milizangehörige der Armee auch in ihrer Freizeit für eine Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Armee einsetzen».

Corona-Impfstoff für 1,3 Milliarden Franken entsorgt

Der Bund musste viele Impfdosen vernichten.
Bild: Pablo Gianinazzi / Keystone

Der Kampf gegen die ­Corona-Pandemie war auch die grösste Impfkampagne der Schweizer Geschichte. Nun zeigt die Staatsrechnung der Eidgenössischen Finanzverwaltung, was das gekostet hat. Auffällig ist laut SonntagsZeitung der Posten «Covid Sanitäts­material» – wo die Impfstoffbeschaffung den Löwenanteil ausmacht.

Gekauft wurde zwischen 2020 und 2023 Material im Wert von 2282 Millionen Franken. Gebraucht hat die Schweizer Bevölkerung aber lediglich Impfdosen im Wert von 567 Millionen Franken. Impfstoffe im Wert von 268 Millionen Franken wurden als humanitäre Hilfe ins Ausland geschickt. Aber Material im Wert von 1447 Mil­lionen Franken musste «wertberichtigt» werden.

Der Grossteil dieses abgeschriebenen Materials landete gemäss Angaben der Eidgenössischen Finanzverwaltung wortwörtlich im Abfall. «90 Prozent der Wertberichtigungen entfallen auf Impfstoffe, die nach Ablauf des Verfallsdatums entsorgt werden mussten», sagt ein Sprecher. Das sind Impfstoffe im Wert von über 1,3 Milliarden Franken. Für die Beschaffung verantwortlich war vor allem das Bundesamt für Gesundheit. Es erklärt die hohen Wertberich­tigungen mit zeitlichem Druck.

Bund zahlt 47 Millionen für die Entwicklung von Kampfdrohnen

Aufklärungsdrohnen besitzt die Schweizer Armee bereits .
Bild: Philipp Schmidli / KEYSTONE

Die Armee soll möglichst rasch eigene Kampfdrohnen aus heimischer Produktion einsetzen können. Das ist das erklärte Ziel der im vergangenen Sommer eingesetzten Task-Force Drohnen des Bundesamtes für Rüstung Armasuisse. 47 Millionen Franken sollen dafür in den nächsten drei Jahren ausgegeben werden, wie Armasuisse der «NZZ am Sonntag» bestätigte.

Das Ziel ist klar: «Wir wollen 2027 über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, um in einer ausserordentlichen Lage bewaffnete Drohnen über grössere Distanzen einsetzen zu können», sagt Thomas Rothacher, Stellvertretender Rüstungschef und Leiter der Drohnen-Task-Force. Beim Bund spricht man von einer rollenden Planung. Die Drohnen könnten in einem ersten Schritt Abwürfe ohne Sprengstoff durchführen und den Einsatz von Waffen auf diese Weise simulieren. «Diese Tests beginnen wohl im nächsten Jahr», so Rothacher.

Die Frage ist, wo die Armee grösser angelegte Versuche in der dicht besiedelten Schweiz durchführen kann. Recherchen der «NZZ am Sonntag» zeigen, dass der Bund schon eine Region ins Auge gefasst hat: das Val Cristallina im Kanton Graubünden, wo heute bereits ein Schiessplatz existiert. «Das Val Cristallina ist tatsächlich eine der Optionen», sagt Rothacher.

Ob aber die Schweizer Hersteller tatsächlich mitmachen, ist offen. «Ganz allein für die Schweiz eine militärische Drohnenindustrie aufzubauen, ist sehr schwierig», sagt der ETH-Professor Roland Siegwart. Der Schweizer Markt sei viel zu klein. Deshalb müssten heimische Hersteller zwingend exportieren können. «Doch die Schweiz wird im Ausland nicht als zuverlässiger Partner angesehen. Praktisch niemand will Schweizer Rüstungsgüter kaufen», so Siegwart.

Der Kanton Zürich trennt alte Paare beim Einzug ins Heim

Der Kanton Zürich verschärft seine Praxis für Personen, die in ein Heim einziehen. Wie die «NZZ am Sonntag» schreibt, müssen neu alle am neuen Ort angemeldet werden, sofern sie dort länger bleiben. Das führt dazu, dass Betagte für die letzten Monate oder Jahre ihres Lebens ihren langjährigen Wohnsitz verlieren – mit entsprechenden Folgen auch für die Steuern und die Bestattung. Und es werden Paare melderechtlich getrennt, wenn nur der Mann oder die Frau in ein Alters- oder Pflegeheim zieht.

Dagegen regt sich in der Bevölkerung Widerstand. Und die Gemeinde Grüningen hat beim Zürcher Regierungsrat interveniert. Die Gemeindeschreiberin Yvonne Cassol spricht von einer «bürokratischen und unmenschlichen Situation». «Dieser neue, amtlich verordnete Zwang ist für uns nicht nachvollziehbar und auch für viele Menschen, insbesondere Ehepaare, absolut belastend! Es wird damit ein System geändert, das sich seit Jahrzehnten bewährt hat», heisst es in ihrem Schreiben.

Das kantonale Gemeindeamt weiss um die Schwierigkeiten, die die neue Regelung mit sich bringt: «Dies kann in Einzelfällen für die Betroffenen zu unbefriedigenden Lösungen führen», sagt die zuständige Abteilungsleiterin Nadia Gianini. Das Amt sei auf der Suche nach möglichst praktikablen und zufriedenstellenden Ansätzen.

Das Thema sorgt auch in anderen Kantonen für Probleme. Nun beschäftigt sich auch die nationale Politik damit. Der Präsident des Gemeindeverbands, der grüne Ständerat Mathias Zopfi, fände es «grundsätzlich sinnvoll», ein nationales Meldegesetz zu prüfen. Für ihn ist klar: «Personen sollen bei einem Wechsel in ein Alters- und Pflegeheim ihren Wohnsitz behalten dürfen.»

Armut in der Schweiz: Nur wenige sind dauerhaft arm

Diese Woche verkündete der Bund die neueste Armutsquote von 8,1 Prozent. Doch nur wenige Betroffene bleiben über einen längeren Zeitraum arm, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet. Während 17,9 Prozent der Bevölkerung zwischen 2020 und 2023 mindestens einmal in Armut gerieten, waren nur 1,5 Prozent dauerhaft arm. «Armut ist in der Schweiz meist von kurzer Dauer», schreibt das Bundesamt für Statistik dazu.

Der Ökonom Patrick Leisibach sagt gegenüber der Zeitung: «Die soziale Mobilität ist in der Schweiz hoch und Armut deshalb oft nur eine vorübergehende Erfahrung.» Die Politik müsse sich deshalb auf jene konzentrieren, die tatsächlich dauerhaft betroffen sind. Armutsforscher Oliver Hümbelin weist in der «NZZ am Sonntag» darauf hin, dass Langzeitarmut insbesondere auch Familien trifft. Er schlägt deshalb Ergänzungsleistungen vor, wie sie heute schon vier Kantone kennen.

Post-Chef Roberto Cirillo: Millionen für externe Berater

Unter Roberto Cirillo stiegen die Ausgaben der Post für externe Berater stark an.
Bild: Peter Schneider / Keystone

Die Post hat die Ausgaben für externe Berater in der Amtszeit des abtretenden CEO Roberto Cirillo stark erhöht. 2024 belief sich der «Beratungs-, Büro- und Verwaltungsaufwand» auf 431 Millionen Franken – ein neuer Spitzenwert.

Bemerkenswert ist der Mehrjahresvergleich: Unter Susanne Ruoff, welche die Post von 2012 bis 2018 führte, betrugen die Ausgaben in diesem Bereich durchschnittlich 255 Millionen Franken pro Jahr. In der Ära Cirillo dagegen wurden im Schnitt 401 Millionen ausgegeben. Die Post begründet den Anstieg in erster Linie mit steigenden IT-Aufwänden.

Recherchen der NZZ am Sonntag zeigen jedoch, dass auch die Vergabe zahlreicher Beratungsaufträge für Firmen wie McKinsey und Co. zur Entwicklung beigetragen haben. 2020 sicherte sich die Post die Dienste von 25 Beratungsfirmen, die man in der Folge für einzelne Projekte gegeneinander antreten liess – etwa im Zusammenhang mit Akquisitionen. Wie viele Aufträge es genau waren, will die Post nicht verraten.

Auch zur Gesamtsumme, die in den vergangenen fünf Jahren an die 25 Beratungsunternehmen geflossen sind, schweigt der Staatskonzern. Aus dem Zuschlagsentscheid vom Januar 2020 geht jedoch hervor, dass die berücksichtigten Anbieter in ihren Offerten Tagessätze von bis zu 25'325 Franken eingegeben haben.