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Gesellschaft

Sozialhilfefälle in Städten bleiben stabil – Experten fordern trotzdem ein Umdenken bei Massnahmen

Die Zahl der Sozialhilfefälle hat sich letztes Jahr in den Städten trotz Pandemie kaum verändert. Dies zeigt eine Analyse der Sozialhilfestatistik. Gleichzeitig orten Experten Nachholbedarf bei den Bildungsmassnahmen für die Hilfesuchenden. 

Die städtischen Sozialdienste monieren, dass es ihnen oft an finanziellen und personellen Ressourcen mangle. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Entgegen vielen Befürchtungen sind die Fallzahlen in der Sozialhilfe während der Pandemie nicht gestiegen. Das zeigte bereits das Monitoring der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) im Februar . Während die Skos damals noch sagte, es sei zu früh für eine Entwarnung, untermauert nun die jährliche Analyse der Sozialhilfestatistik den positiven Trend. Die von der Berner Fachhochschule verfasste Studie, welche die Städteinitiative Sozialpolitik am Dienstag publiziert hat, nahm dabei 14 Städte unter die Lupe. In diesen leben rund ein Viertel aller Sozialhilfebeziehenden der Schweiz.

Demnach ist die Zahl der Sozialhilfefälle in den Städten Basel, Bern, Biel, Chur, Lausanne, Luzern, St. Gallen, Schaffhausen, Schlieren, Uster, Wädenswil, Winterthur, Zug und Zürich im vergangenen Jahr stabil geblieben. Konkret sind die Fallzahlen im Schnitt um 0,3 Prozent gegenüber 2020 zurückgegangen.

Deutlich weniger neue Fälle

Auch die Zahl der unterstützten Personen ist nahezu gleich geblieben. Hier zeigt sich eine leichte Zunahme um 0,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Darüber hinaus hatte die Mehrheit der Städte deutlich weniger neue Sozialfällen zu bearbeiten: Die Zahl der Neuaufnahmen ist 2021 im Schnitt um 7,1 Prozent gegenüber dem Durchschnitt der drei Vorjahre zurückgegangen.

Die Studienautorinnen und -autoren kommen deshalb zum Schluss, dass die Pandemie zwar vorübergehend zu einer Zunahme bei der Zahl der Hilfesuchenden geführt habe. Doch bislang habe sie «keine generelle Erhöhung des Sozialhilfebezugs ausgelöst».

Immer noch viele Hürden bei Bildungsmassnahmen

Auch wenn diese Entwicklung aus Sicht der Städte erfreulich ist, orten die Autorinnen und Autoren der Studie Nachholbedarf bei der Sozialhilfe, wobei sie die Bildungsmassnahmen für Sozialhilfebezüger hervorheben. So hat eine Umfrage bei 33 Städten ergeben, dass es immer noch viele Hürden gibt, die eine nachhaltige Bildung für die Hilfesuchenden erschwert.

So seien etwa Stipendien für Personen über 25 Jahre oder spät eingewanderte Ausländerinnen und Ausländer gar nicht zugänglich. Als weitere Probleme nannten die befragten städtischen Sozialdienste zudem «mangelnde Ressourcen und Kompetenzen».

Generell liege der Fokus der Sozialhilfe heute nach wie vor auf «kurzfristiger Beschäftigung statt auf langfristiger finanzieller Unabhängigkeit», heisst es in der Studie. Gemäss den Autoren braucht es folglich «ein gewisses Umdenken respektive eine Abkehr von bisherigen Prinzipien».

Mangelhafte Ausbildung als Armutsrisiko

Nicolas Galladé, Präsident der Städteinitiative Sozialpolitik und Stadtrat von Winterthur, fordert deshalb, die im Bericht genannten Bildungshürden abzubauen. «Menschen ohne Ausbildung ist ein anerkannter Abschluss zu ermöglichen», lässt er sich in der Mitteilung zitieren.

Denn gemäss der jüngsten Analyse der Städteinitiative Sozialpolitik haben 54,9 Prozent der Sozialhilfebezüger keinen anerkannten Berufsabschluss. Im Schweizer Durchschnitt sind es nur 12,6 Prozent. «Wenn fehlende Bildung Armut verursacht, dann muss man dort ansetzen», fordert Galladé.

Die Städteinitiative Sozialpolitik gehört zum Schweizerischen Städteverband. Laut eigenen Angaben vertritt er die sozialpolitischen Interessen von rund 60 Schweizer Städten aus allen Landesteilen.