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Studie

So viel Geld verdient ein Parlamentarier in Bern

Forscher der Universität Genf haben in einer Studie die Einkünfte von Parlamentariern in Bern ermittelt. Ihre Studie demontiert das Ideal vom Milizparlament.

Wer sich als Politiker in der Schweiz unbeliebt machen will, fordert ein Berufsparlament. Das musste zuletzt der frühere SP-Nationalrat Hans Widmer erfahren. In einer parlamentarischen Initiative verlangte der Luzerner die Abschaffung des Milizsystems. Der Vorstoss wurde im Jahr 2011 hochkant abgelehnt – wie immer, wenn es um die Frage geht, ob mehr Professionalität ins Bundeshaus gehört.

Nur ein Milizparlamentarier bewege sich unter seinesgleichen und spüre so die Sorgen der Bürger, warnen Politiker aus allen Lagern dann jeweils. Die Rede ist auch von praxistauglicher Politik.

Der Milizcharakter des nationalen Parlaments gehört zu den Eigenheiten der Schweiz. Wohl in keinem anderen Land sind die Politiker so stolz darauf, dass
sie einem Amateurgeschäft nachgehen. Zumindest auf dem Papier mag das zutreffen. Denn in der Realität gleicht ein Mandat als Ständerätin oder als Nationalrat längst einem hauptamtlichen Job.

1000 Arbeitsstunden pro Jahr

Was viele angesichts des komplexer gewordenen Ratsbetriebs ohnehin geahnt haben, bestätigt jetzt eine Studie der Universität Genf im Auftrag der Verwaltungsdelegation der Bundesversammlung. Die Forscher demontieren den Mythos des Milizparlaments mit harten Fakten: Die meisten Parlamentarier sind den grössten Teil der Woche über mit Politik beschäftigt, zeigt eine Umfrage im Rahmen der Studie. Gleichzeitig gibt es grosse Unterschiede bei der Entschädigung. Und je nach Betrachtungsweise fällt diese mehr oder wenig üppig aus.

Für Philippe Schwab, Generalsekretär der Bundesversammlung, steht fest: «Man muss sich von der Idee des Milizparlaments verabschieden.» Echte Milizparlamentarier seien eine Minderheit, sagte er bei der Präsentation der Studie in Bern. Zwar hätten 80 Prozent der Parlamentarier noch immer eine berufliche Tätigkeit, doch der Aufwand für die politische Arbeit werde immer grösser:

Parlamentarier verbringen jährlich im Schnitt rund 500 Stunden in offiziellen Sitzungen. Hinzu kommt die investierte Zeit für die Vorbereitung von Geschäften. Total ergeben sich daraus 1000 Stunden pro Parlamentarier.

Gemessen an einer 42-Stunden-Woche liegt der Beschäftigungsgrad damit bei etwa 50 Prozent. Werden jedoch alle Tätigkeiten im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Mandat berücksichtigt, ist das Resultat ein anderes. 87 Prozent beträgt dann das Pensum von Nationalratsmitgliedern im Schnitt, 71 Prozent sind es bei Ständeräten.

Die Bezüge von Parlamentariern bestehen aus unterschiedlichen Posten: Für die Teilnahme an Sessionen und Sitzungen von Kommissionen und Delegationen erhalten sie durchschnittlich 40 000 Franken jährlich, eingerechnet ist ein fixer Jahreslohn von 26 000 Franken. Gleichzeitig bekommen sie pauschal Spesen ausbezahlt – für Übernachtungen, Mahlzeiten, Reisen. Den grössten Unterschied macht es, ob jemand einen persönlichen Mitarbeiter beschäftigt. Weil es dafür eine steuerfreie Pauschale von 33 000 Franken pro Jahr gibt, bleibt jeder nicht ausgegebene Franken als indirekter Lohn in den Taschen der Parlamentarier.

Nationalräte ohne Mitarbeiter verdienen im Mittel 91 900 Franken pro Jahr, jene mit Mitarbeiter nur 63 000 Franken. Auf die Arbeitslast von 1000 Stunden heruntergebrochen, ergibt das einen Stundenlohn von 93 Franken ohne und von 65 Franken mit persönlichem Mitarbeiter. Im Ständerat sind es 92 200 respektive 69 300 Franken pro Jahr; das macht 96 respektive 67 Franken pro Stunde. Wegen der grossen Unterschiede betonen die Studienautoren um den Politologen Pascal Sciarini: Einen einzigen Stundenlohn zu bestimmen, der «charakteristisch für das Parlament» ist, sei nicht möglich.

Trotz den Unterschieden ist der Lohn eines Parlamentariers im Allgemeinen höher als jener in der Privatwirtschaft. Ein Ratsmitglied verdient im Schnitt pro Stunde etwa gleich viel wie der Geschäftsführer eines Kleinunternehmens im Informatikbereich. Hochgerechnet beträgt der Bruttolohn rund 14 440 Franken pro Monat. Dieser Vergleich bleibt aber theoretisch, weil
das vergütete Pensum eben nur rund 50 Prozent beträgt und verwandte Tätigkeiten nicht vergütet werden.

Nebeneinkünfte unerwähnt

Unerwähnt bleibt in der Studie freilich, dass Parlamentarier oft noch ein zusätzliches Einkommen mit Mandaten bei Verbänden oder Unternehmen generieren. Diese profitieren umgekehrt von der Lobbyarbeit ihrer Interessenvertreter im Bundeshaus. Der Nidwaldner SVP-Nationalrat Peter Keller forderte im vergangenen Jahr in mehreren Vorstössen vergebens mehr Transparenz diesbezüglich.

Die Diskussion über Pensen und Entschädigungen dürfte derweil weitergehen. Dazu sind mehrere Vorstösse hängig. So möchte die Baselbieter SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer, dass die Spesenpauschale von 33 000 Franken künftig versteuert werden muss. Derweil verlangen die Berner SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler und der Zuger FDP-Ständerat Joachim Eder, dass die Pauschale für Übernachtungen nicht mehr voraussetzungslos ausbezahlt wird. In eine andere Richtung zielt Matthias Aebischer. Der Berner SP-Nationalrat verlangt anstelle der heutigen Spesenpauschale, dass Parlamentarier fix persönliche Mitarbeiter mit 80-Prozent-Pensum anstellen können. Die vorberatende Kommission des Nationalrats unterstützt die Idee.