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Fussball

So bereitet sich der Berner Stadtpräsident auf den YB-Meistertitel vor

Trikots, Schal, Hut, Sonnenbrille und Jahresabo: Berns Stapi Alec von Graffenried ist bestens mit YB-Utensilien gerüstet für eine Meisterfeier des BSC Young Boys.

Ein gut gelaunter Berner Stadtpräsident empfängt die «Schweiz am Wochenende» im Erlacherhof zum Interview. Der Sitz des Stadtpräsidenten gilt als bedeutendstes privates Bauwerk der Stadt Bern, wurde zwischen 1745 und 1757 erstellt. In seinem Büro hat Alec von Graffenried ein YB-Trikot, das ihm der Verein schenkte, mit den Unterschriften der Spieler. Im Büro hängt aber auch das Trikot des Schweizer Ex-NHL-Hockeyprofis Mark Streit.

Herr Stadtpräsident, hat die Euphorie um den BSC Young Boys auch Sie erfasst?

Alec von Graffenried: Ja. Wäre ich nicht schon seit eh YB-Fan, wäre ich es spätestens jetzt geworden. Die ganze Bevölkerung spricht von YB.

Im Stadion sitzen Sie offenbar im Sektor der echten Fans: im Block D.

Ich sitze da oben auf dem Balkon. Aber ich bin nicht immer am selben Ort. Ich gehe allerdings gerne in den Block D. Dort bekommt man am meisten mit von der Stimmung der Fans.

Haben Sie ein YB-Jahresabo?

Ja.

Dürfen wir es sehen?

Ich habe es nicht dabei. Es liegt zu Hause bei meinem YB-Schal, meinem YB-Hut und meiner YB-Sonnenbrille.

Sie sind also bestens ausgerüstet mit Fanartikeln. Ein YB-Trikot mit den Unterschriften aller Spieler haben Sie ja hier im Büro.

Zu Hause habe ich noch ein weiteres Leibchen, eines mit Opel als Sponsor. Ich fragte bei YB sogar mal nach, ob es das Trikot von 1986 noch gibt.

Das Trikot aus dem Jahr also, in dem YB letztmals Schweizer Meister wurde.

Genau. Aiwa war damals der Sponsor. Das schönste YB-Trikot ist für mich aber das gelb-schwarz gestreifte Leibchen, so wie ein «Wäschpi», das YB in der Saison 2009/2010 trug. Hätte ich beim Design etwas zu sagen, würde ich es YB wieder ans Herz legen.

Wie wurden Sie YB-Fan?

Als Stadtberner Kind ist das naheliegend. Mein allererstes Leibchen war aber ein Trikot des SC Bern. Als ich in die vierte Klasse ging, trug ich die Nummer 17 von Spielertrainer Paul- André Cadieux. Damals war der SCB Kult und nicht YB. Ich spielte zwar Fussball, aber eben im SCB-Trikot. Das ging.

Ist Ihre Beziehung zu YB enger als zum SCB?

Nein. Aber man muss sehen: Als Kind kam ich nie zum Hockeyspielen. Ich kann auf Schlittschuhen nicht rückwärts übersetzen. Ich spielte immer Fussball. Für mich ist Fussball spannender als Eishockey. Marc Lüthi, CEO des SCB, sagte vor kurzem in einem Interview, er gehe nie an ein Fussball-Spiel, weil ihm dieser Sport zu langsam sei. Das sehe ich ganz anders. Fussball ist unglaublich schnell geworden. Und Fussball verstehe ich. Der Seitenfall-Rückzieher von Guillaume Hoarau zum 1:0 gegen den FC Basel war schlicht grossartig. Vergleichbares könnte ich im Eishockey nicht spontan nennen. Ich verstehe den Sport zu wenig.

32 Jahre nach dem letzten Titel wird YB 2018 nach menschlichem Ermessen wieder Schweizer Meister. Zur Feier kommen wohl über 100'000 Personen...

Das wird ja immer besser. Zuerst war die Rede von 50'000 Personen, dann von 50'000 bis 100'000. Und Sie reden jetzt von über 100'000. Die Stadt Bern hat zurzeit 142'000 Einwohner.

Bei den SCB-Meisterfeiern von 2010, 2013, 2016 und 2017 kamen 20'000 bis 50'000. Bei YB ist die Sehnsucht aber exponentiell grösser.

Ich lasse mich gerne überraschen. Verdoppeln kann man Berns Einwohner aber nicht. Wenn jedoch auch Aargauer und Waadtländer YB-Fans werden und selbst die Zuger nach Bern kommen, statt nur über den Finanzausgleich zu jammern, dann haben wir definitiv etwas richtig gemacht (lacht).

Seit dem 2:2 gegen den FC Basel ist die Euphorie spürbar.

Lange wagte man nicht, an den Meistertitel zu glauben, verbot sich das im Kopf. Das hat zu tun mit einer Mischung aus schlechter Erfahrung und Aberglaube. 2009 stand YB im November mit 13 Punkten Vorsprung auf Basel an der Tabellenspitze und wurde 2010 doch nicht Meister. Jetzt können wir uns langsam davon befreien. Die Freude wird immer grösser.

Die Stadt Bern bereitet die Meisterfeier vor. Sie soll auf dem Bundesplatz stattfinden. Oder auf der Allmend. Können Sie mehr verraten?

Kommen 120'000 Personen zur Feier, so wie Sie das erwarten, funktioniert das aus Sicherheitsgründen wohl nicht auf dem Bundesplatz. Wir müssten allenfalls auf einen grösseren Platz wie die Allmend ausweichen. Klar, auf dem Bundesplatz gäbe es eine gute Stimmung, der Platz ist Feste gewohnt. Wir haben ja noch einen Moment Zeit uns vorzubereiten und stehen mit YB in Kontakt. Wir sind Event-erprobt. Ich habe keine Angst, dass wir dieser Herausforderung nicht gewachsen wären. Das gibt ein gutes Fest.

Wann rechnen Sie mit dem Meistertitel?

Auf der Website meistertraum.ch gibt es einen Zähler. Dort lässt sich nachschauen, wann YB frühestens Meister werden kann (schaut auf dem Handy nach). Zurzeit ist das frühestens möglich in 8 Tagen, 4 Stunden und 49 Minuten (das Interview fand am Dienstag statt). Im besten Fall wäre YB am 18. April Meister (stockt einen Moment). Uuups: Das wäre der Geburtstag meiner Frau. Das wäre nicht so günstig.

Dass der SC Bern nicht schon wieder Meister wird, kommt Ihnen gar nicht so ungelegen?

Ich will das Ausscheiden des SC Bern gegen die ZSC Lions nicht schönreden. Es tut mir extrem leid, da der SCB in der Regular Season sehr überlegen war. Die ungelöste Frage aber ist: Wie viel sportliches Glück erträgt die leidgeprüfte Berner Seele überhaupt? Wir sind glücklich, dass der SCB zweimal in Serie Meister wurde. Und wir sind glücklich, wenn er nächstes Jahr wieder Meister wird. Aber für den Rest der Saison konzentrieren wir uns nun auf YB.

Was würde Ihnen der Meistertitel für YB bedeuten?

Das wäre der Hammer! Und auch eine Befreiung.

Auch der Cupfinal – mit YB – findet wieder in Bern statt. Ist das Ihr Verdienst?

Wir diskutierten das gemeinsam im Gemeinderat und mit dem Fussballverband. Solange ich mich erinnern kann, fand der Cupfinal in Bern statt. Und ich möchte, dass er auch in Zukunft in Bern stattfindet. Das hängt damit zusammen, wie wir die Stadt Bern sehen: als Hauptstadt, als Zentrum der Schweiz. Nationale Veranstaltungen sollen vor allem in Bern stattfinden. Diese Funktion von Bern möchten wir stärken.

Als Stadtpräsident möchten Sie Bern sehr stark als Sportstadt positionieren?

Das muss ich gar nicht. Bern ist eine Sportstadt. Die Begeisterung ist hoch. Selbst wenn es nicht läuft, hat YB mehr Zuschauer als andere Klubs. Wir haben auch Breitensportanlässe wie den Frauenlauf oder den Grand Prix, die sehr gut zu Bern passen. Heute spielt der Sport eine viel grössere Rolle für den Kitt einer Gesellschaft als früher. Doch wir wollen nicht nur eine Sportstadt sein, sondern auch eine Wirtschaftsstadt, eine Kulturstadt und vor allem auch eine Politikstadt. Bern ist das politische Zentrum der Schweiz. Diese Funktion wollen wir weiter stärken.

Bern habe seinen Fokus zu eindimensional nur auf seine Bären und auf das Unesco-Welterbe gerichtet, kritisierte Marcel Brülhart, der neue Chef von Bern Welcome. Welches Profil soll Bern künftig haben?

Das Unesco-Welterbe ist das Rückgrat von Bern. Man kann die Stadt Bern gar nicht vermarkten, ohne auf dieses Erbe hinzuweisen. Die Altstadt Berns ist ein unglaublich starkes Symbol mit identitätsstiftendem Wert. Sie hat Weltrang. Aber wir müssen breiter werden. So wollen wir auch die starke Verzahnung von Stadt und Land zeigen, schauen Sie nur hier zum Fenster hinaus, das ermöglicht eine unglaublich hohe Lebensqualität.

Zu einem wichtigen Pfeiler soll aber auch die Kultur werden.

Ein riesiges, hochkarätiges Kulturangebot ist bereits vorhanden, aber es ist zu wenig bekannt. Ein Beispiel da- für ist unser Symphonieorchester. Es ist ausgezeichnet und hat mit Mario Venzago einen hervorragenden Chefdirigenten. Es wird aber ausserhalb der Stadt Bern zu wenig wahrgenommen. Wir haben in Bern eine extrem lebendige Kulturszene mit einer spannenden Besonderheit.

Welche?

Die Kultur kommt von unten. Dampfzentrale und Progr entstanden als Kulturzentren von unten, genauso wie das Zentrum Paul Klee als Museum, das auf eine Schenkung zurückgeht. Die grosse Leistung der Stadtpolitik in den letzten Jahren war, dass sie diese Entwicklungen zugelassen hat. Der Progr hat sich als Kulturzentrum zu einer wahren Kreativitätsmaschine entwickelt. Wir sollten diese vielfältige Kulturszene sichtbarer machen.

Ist der Tourismus ein weiterer Pfeiler für Bern?

Im Unterschied zu anderen Städten macht der Binnentourismus die Hälfte unseres gesamten Tourismus aus. Da wir das Zentrum der Schweiz sind und sein wollen, stärkt sich der Tourismus damit automatisch.

Gibt es eher Probleme bei der Wirtschaft?

Das sagen Sie. Wo liegt das Problem?

An der fehlenden Dynamik?

Dann erzähle ich Ihnen eine andere Geschichte über den Wirtschaftsstandort. Bern ist die einzige Stadt der Schweiz, die deutlich mehr Arbeitsplätze aufweist als Einwohner: Berns Bevölkerungszahl beträgt 142'000 und wir haben rund 185'000 Arbeitsplätze. Wir haben mehr Arbeitsplätze als Genf und in etwa gleich viele wie Basel – obwohl wir deutlich weniger Einwohner haben. Das ist Schweizer Rekord. Dazu kommt noch ein weiterer Punkt.

Welcher?

Berns Umland hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert. Die Swisscom verlagerte ihre Arbeitsplätze weitgehend nach Ittigen, die Bundesverwaltung verlegte viele Jobs nach Köniz, die Credit Suisse nach Muri. Zwar verlor die Stadt Bern sehr viele Arbeitsplätze an die Vorortgemeinden. Sie konnte die Zahl der Arbeitsplätze in der Stadt aber dennoch erhöhen. Bern entwickelt eine enorme Dynamik darin, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Sehr wichtig ist dabei der Gesundheitssektor. Mit dem Inselspital haben wir das grösste Spitalzentrum der Schweiz. Eine Studie von BAK Basel zeigt zu- dem, dass Bern bei der Wertschöpfung pro Arbeitsplatz absolut auf Augen- höhe liegt mit Genf und Basel, und da spricht niemand von Problemen.

Im Wahlkampf hatten Sie versprochen, Steuern zu senken. Wo stehen Sie da?

Man kann generell sagen, dass sich die Finanzlage deutlich entspannt hat, weil Bern seit der Jahrtausendwende wieder wächst. In den nächsten Jahren haben wir aber Nachholbedarf bei den Investitionen. Das belastet den Finanzhaushalt und erschwert Steuersenkungen.

Muss Bern wirtschaftlich nichts tun?

Doch. Wir müssen beste Rahmenbedingungen für die Wirtschaft schaffen. Wir sind schon heute unbürokratischer als andere Städte, haben schnellere Entscheidungswege. Aber wir wollen da noch besser werden.

Schon bald kommt das Buch «Mein Bern» des Werd-Verlags heraus – mit 77 Erlebnistipps von Ihnen.

Genau. Der Verlag trat an mich heran und fragte mich, ob ich bereit sei, Bern in Zusammenarbeit mit einem Journalisten zu zeigen. Das Buch erscheint am 27. April. Nicht alles gelang perfekt (lacht). Kurz vor Redaktionsschluss realisierte ich, dass das Bundeshaus fehlt.

Das konnten Sie noch korrigieren?

(Lacht) Ja, das Bundeshaus konnten wir noch reinquetschen. Es fehlen aber immer noch der Kursaal oder der Gurten, die mir auch wichtig wären. Und im Buch werden zwar viele Restaurants genannt. Die Meisten aber natürlich nicht.

Das Buch wird Ihnen also auch Ärger einbrocken?

Damit rechne ich (lacht). Vielleicht müssen wir sofort einen zweiten und dritten Band nachliefern, mit den nächsten 77 Tipps.

Was ist Ihr schönster Tipp?

Sie fragen mich, was das Beste an Bern ist? Bern ist meine Heimat, mein Leben, mein Alles. Was aber in Bern sicher am meisten «fägt», ist die Aare. Sie ist unübertreffbar. Die Aare ist der dynamischste Fluss der Schweiz (lacht). Etwas Besseres, als in der Aare zu schwimmen, gibt es nicht.