Nach dem Bundesrat hat sich gestern auch der Nationalrat für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie ausgesprochen. Die Mehrheiten waren derart klar – es hätte nicht einmal der Enthaltung der FDP bedurft, um die entsprechenden Vorstösse durchzubringen. Das ist ein deutliches Signal an den Zweitrat: Jene zumal christdemokratischen Ständeräte, die in ihrer Haltung bisher
Bemerkenswert ist die Historie des gestrigen Entscheides: Ermöglicht wurde er durch das Zusammenspiel von CVP sowie BDP mit den führenden Energiepolitikern der SP. CVP-Präsident Christophe Darbellay hat den Ausstieg gleich nach Fukushima als Chance für seine Partei erkannt: kurzfristig als Notwendigkeit, um im Wahlherbst nicht unterzugehen. Dann aber auch als schönes Zukunftsprojekt: Die CVP liess sich in den letzten Jahren inhaltlich kaum mehr fassen, der Ausstieg bietet ihr jetzt eine so sinnvolle wie ehrgeizige Perspektive. Auf der anderen Seite haben es die sozialdemokratischen Energiepolitiker Roger Nordmann und Eric Nussbaumer verstanden, mit der Mitte ins Geschäft zu kommen und diese für ihre Ziele einzuspannen.
Sie liessen die Forderung nach einer konkreten Jahreszahl für den Ausstieg fallen und stellten sich den Mitteparteien als Souffleure im Hintergrund zur Verfügung. Letztlich verrichteten sie ihr Werk allerdings doch nicht diskret genug, um es vor den übrigen Parteien zu verbergen. Aber klar: Der historische Entscheid von gestern ist nicht zuletzt der Triumph linker Realpolitik. Ehe der Baselbieter Nationalrat Nussbaumer zum Energiechef der SP aufgestiegen ist, hatte der Basler Rudolf Rechsteiner diese Funktion inne. Dieser führte den Kampf gegen die Atomkraft mit dem ideologischen Zweihänder. Er hätte die Annäherung an die CVP nie geschafft, den Ausstieg also vergeigt. Ins gleiche Kapitel gehört im Übrigen die ironische Tatsache, dass die Grünen mit ihren Ideologieparolen beim Atomausstieg am Ende so gut wie keine Rolle spielten.
Der durchschlagende Erfolg der Mitte-Links-Allianz hat indes eine Kehrseite. Diese machte sich gestern prompt bemerkbar: Nach dem Ausstieg befand der Nationalrat über Massnahmen, wie sich eine Zukunft ohne AKW erreichen liesse. Hier war die CVP in der Regel darauf bedacht, jeden grünlich schimmernden Vorstoss abzulehnen – eben um nicht in Ideologieverdacht zu geraten. Im Verein mit der SVP verhinderte die CVP etwa einen von der FDP mehrheitlich unterstützten Vorstoss, der mehr Mittel für die Energieforschung forderte. Das alles heisst: Der Ausstieg ist zwar beschlossene Sache.
Auf dem Weg dahin dürfte es indes zu noch mehr Schwierigkeiten und Rückschlägen kommen, als es sich die Beobachter ohnehin schon ausgemalt haben. Zu den finanziellen Aspekten, der Frage der Versorgungssicherheit und dem Widerstand der Grosswirtschaft gesellen sich parteipolitische Empfindlichkeiten und sehr viel Psychologie. Beim nächsten Schritt in die AKW-freie Zukunft jedenfalls müssen die Souffleure der SP noch einen Tick diskreter agieren.