Wenn morgen Donnerstag auf dem Flugplatz Mollis GL der Prototyp mit der geheimnisvollen Bezeichnung «SKYe SH09»aus dem Hangar der Firma Marenco Swisshelicopters gerollt wird, ist das eine mehrfache Premiere. Es ist der erste Helikopter aus Schweizer Produktion überhaupt, es ist eine Schweizer Entwicklung, und auch technologisch ist es der derzeit modernste: Zelle, tragende Teile und Rotoren sind aus Kohlefaser-Verbundwerkstoffen.
Der markt hebt ab
Der neue Schweizer Helikopter kommt gerade rechtzeitig: Die Nachfrage wächst. Ein Teil davon betrifft Ersatzkäufe für in die Jahre gekommene Modelle. Industrieanalyst Brian Foley schätzt, dass in den kommenden zehn Jahren 6000 Zivilhelikopter ausgeliefert werden. Triebwerkhersteller Honeywell ist optimistischer und erhöhte kürzlich die Prognose um 35 Prozent. Allein in den kommenden fünf Jahren würden zwischen 4900 bis 5600 Helis ausgeliefert, das sind mehr als 1000 Exemplare. Die meisten davon sind Firmenhelikopter (vgl. Grafik). Die Analysten von Marketresearchreports (USA) schätzen das Wachstum des zivilen Heli-Marktes auf drei Prozent pro Jahr. Wichtige Abnehmer sind China und Indien, dies, weil dort im Bereich Luftrettung noch grosser Nachholbedarf bestehe. 2000 Helikopter würden in den kommenden 10 Jahren nach China verkauft. Angeblich kommen auch die meisten Orders für «SKYe» aus China. Dieser gehört in die Kategorie der leichten Einturbiner, die 47 Prozent des gesamten Zivilheli-Marktes ausmachen. Die gefragtesten Modelle sind Eurocopter EC130/AS350,Bell 407 und Robinson R66.(sts)
Alte Helis: Mängel
Hinter dem Projekt stehen der Unternehmer Martin Stucki und sein Mitstreiter und Ingenieur Daniel Schultheiss. Grund für das Projekt waren einerseits die Mängel der bisherigen Helikopter. Andererseits sei seit über 30 Jahren kein Heli in der «Leichtklasse» von Grund auf neu entwickelt worden. Der «SKYe» ist deshalb eine vollständige Neuentwicklung. Deshalb wurde auch von Anbeginn auf die sehr zähen und leichten Kohlefaser-Harze gesetzt. Und schliesslich war klar, dass eine Nachfrage nach dieser Sorte Heli besteht.
Deutlich weniger Knattern
Der 2,5 Tonnen schwere «SKYe» soll dank des eingefassten Heckrotors weniger laut sein (der Querwind und der Abwind des Hauptrotors verursachen das charakteristische Knattern). Ausserdem bietet der Ring um den Heckrotor einen gewissen Schutz gegen Kollisionsschäden. Auch die Vibrationen sollen wegen des fünfblättrigen Hauptrotors geringer sein.
Je nach Kabinenlayout finden bis zu acht Personen Platz. Mit einer Reisegeschwindigkeit von 270 km/h ist er der Schnellste seiner Gewichtsklasse, die Reichweite beträgt 800 km. Der Stückpreis: drei Millionen Franken. Das Ziel sei es, den Komfortstandard eines Autos auf den Helikopter zu übertragen.
«Bis jetzt haben wir schon 47 Vorbestellungen», sagte Stucki im Frühjahr gegenüber der «Südostschweiz». «Der Marenco-Helikopter ist ein massgeschneidertes Schweizer Produkt», so Stucki weiter. Wenn es um hohe Präzision mit geringen Stückzahlen ginge, sei das Land durchaus konkurrenzfähig. «Im internationalen Markt war das Label Schweiz ein riesiger Vorteil.»
Für die ersten beiden Produktionsjahre sei man schon ausgebucht. «Der Helikopter hat sich fast von selber verkauft.» In Mollis sollen dereinst bis zu 80 Stück pro Jahr hergestellt und die Produktion auf grössere und kleinere Modelle ausgeweitet werden.
Mitfinanziert hat das Projekt mehrheitlich der russische Milliardär Alexander Mamut. Er war 2009 bei Marenco eingestiegen Er habe sein Vermögen im Bankgeschäft gemacht, heisst es in Medienberichten. Die Entwicklungskosten belaufen sich auf 50 Millionen Franken, eine erstaunlich tiefe Summe. Die Entwicklung eines Prototyps kostet in der Aviatik meist mehrere 100 Millionen.