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Afghanistan

Schweiz denkt über Stopp der Not- und Überlebenshilfe nach

Der Bund prüft, ob weiter Gelder für Projekte nach Afghanistan fliessen sollen. Grund ist das von den Taliban erlassene Arbeitsverbot für Frauen in Nichtregierungsorganisationen (NGO).

Für Frauen in Nichtregierungsorganisationen gilt in Afghanistan ein Arbeitsverbot. 
Bild: Keystone

Ende Dezember hatten die Taliban angeordnet, NGOs müssten ihre Mitarbeiterinnen bis auf Weiteres suspendieren – ein Entscheid mit Konsequenzen. Denn nun fragt sich der Bund, wie es mit den rund 30 Millionen Franken weitergehen soll, die er jährlich für Projekte in Afghanistan investiert. Das Aussendepartement (EDA) bestätigte auf Anfrage von CH Media einen entsprechenden Bericht des «SonntagsBlick».

Das EDA betonte in seiner Antwort, dass bislang weder von der Schweiz noch von anderen Staaten Gelder ausgesetzt worden seien. «Aufgrund der Unsicherheiten sind operationelle Aktivitäten jedoch im Moment teilweise eingestellt.» Die Partnerorganisationen benötigten Zeit, um die Situation zu analysieren und zu entscheiden, ob sie ihre Aktivitäten unter den gegebenen Umständen weiterführen könnten oder nicht.

«Darüber hinaus stellen sich weitreichende Fragen, wie und ob unter diesen Umständen die wichtige Not- und Überlebenshilfe fortgesetzt werden kann und soll», schreibt das EDA. Da die Konsequenzen dieser Entscheide für die Not leidende Bevölkerung gross seien, würden sie nicht leichtfertig gefällt. «Die Schweiz spricht sich für das weitere Vorgehen eng mit den Geberländern, der UNO und ihren Partnern vor Ort ab.»

EDA hatte Kontakte mit Taliban

Entscheidend wird sein, ob die Hilfswerke in Afghanistan ihre Arbeit fortsetzen können. Einige haben bereits ihren Rückzug angekündigt. Michael Kunz von der «Afghanistanhilfe» erklärte etwa gegenüber dieser Zeitung, dass sie ohne Frauen an der Front keine Hilfe mehr leisten könnten.

Deshalb versuchen die Staaten, auf die Taliban einzuwirken – auch die Schweiz. «Das EDA hat seit August 2021 wiederholt direkt im Gespräch mit Taliban-Vertretern die tiefe Besorgnis über die einschneidenden Entscheide zum Ausdruck gebracht», heisst es beim EDA. Man habe die Taliban aufgefordert, Massnahmen zur Beschneidung der Rechte von Frauen, Mädchen und Minderheiten rückgängig zu machen.

Es gebe aber keine regelmässigen Gespräche mit den Taliban und derzeit seien auch keine geplant. Allerdings gab es in den vergangenen Monaten «sporadische Kontakte» mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft, der ehemaligen Regierung und auch der Taliban – in Genf, Kabul und Doha.

Druck auf Taliban nimmt zu

Zudem verstärkten Ende Jahr die Aussenminister von zwölf Ländern den Druck auf die Taliban. Länder wie die USA, Deutschland und die Schweiz haben sie aufgefordert, das Arbeitsverbot für Frauen in NGOs sofort zurückzunehmen.

In der Erklärung hiess es, durch die Suspendierung von Frauen von NGOs würden Millionen Afghanen gefährdet, die für ihr Überleben auf humanitäre Hilfe angewiesen seien. Ohne Frauen würden die NGOs nicht in der Lage sein, die bedürftigsten Menschen des Landes mit Nahrungsmitteln, Medikamenten, Wintervorräten und anderen lebensnotwendigen Materialien und Dienstleistungen zu versorgen.

Das Wirtschaftsministerium in Kabul begründete den Entscheid damals damit, dass sich die Frauen angeblich nicht ordentlich verschleierten und damit gegen Vorschriften verstiessen. (abi)

Mit Material der dpa.