notifications
Wahlen

«Schon verrückt»: Der grosse Gewinner ist der Bauernverband – doch was hat die Wirtschaft von der Allianz?

Die Wirtschafts- und Bauern-Allianz hat ihr Ziel erreicht: Das bürgerliche Lager wurde gestärkt – vorab dank der SVP. Das hilft insbesondere dem Bauernverband. War er mal wieder schlauer als die anderen?
Markus Ritter, Präsident des Bauernverbands und Mitte-Nationalrat, hat Grund zur Freude. 
Bild: Bild: zvg

Zum ersten Mal haben die Bauern und die Wirtschaft bei den Wahlen gemeinsame Sache gemacht. Mit zwei Millionen Franken und pinken Fahnen verfolgten Economiesuisse, Arbeitgeber-, Gewerbe- und Bauernverband mit ihrer Kampagne das Ziel, das bürgerliche Lager bei den nationalen Wahlen zu stärken.

«Wir sind sehr zufrieden», sagt Urs Schneider, stellvertretender Direktor des Bauernverbands. Bei ihm liefen die Fäden für die Wahlkampagne «Perspektive Schweiz» zusammen. Diese habe zur gegenüber 2019 deutlich höheren Stimmbeteiligung auf dem Land und im wirtschaftsfreundlichen Lager beigetragen, ist Schneider überzeugt. «Das bürgerliche Lager hat insgesamt zugelegt, das ist ein Erfolg.» Die SVP wuchs stark (+2,3 Prozentpunkte), die Mitte ein wenig (+0,3), während die FDP verlor (-0,8).

Der Bauernverband kann sich besonders freuen: Ein Dutzend Bäuerinnen und Bauern wurde neu gewählt, ihre Anzahl im Parlament stieg von 32 auf rund 40, wie Schneider vorrechnet - «schon verrückt», sagt er, und es klingt, als sei er selber noch überrascht über den Erfolg. Zum Vergleich: Als Unternehmer bezeichnet sich nur eine Handvoll der neuen Nationalräte.

Ein zweischneidiger Sieg

Hinzu kommt, dass vorab die SVP gestärkt wurde, eine treue Verbündete des Bauernverbands. Und eine nicht ganz so treue Verbündete der Wirtschaftsverbände: In der Europapolitik etwa stellt sie sich quer. Auch beim Freihandel könnte sich das gestärkte bäuerliche Lager bemerkbar machen.

Schneider zeigt sich aber überzeugt, dass alle vier Verbände von der Kampagne profitiert haben. Auch sehr viele Wirtschafts- und Gewerbevertreter seien sehr gut wiedergewählt oder neu gewählt worden, etwa die Thurgauerin Kris Vietze (FDP) oder Simon Michel (FDP/SO), CEO des Medizintechnikunternehmens Ypsomed und Vorstandsmitglied von Economiesuisse. Und schliesslich seien auch die Landwirtschaftsvertreter Wirtschaftsvertreter, betont Schneider.

Just Simon Michel, der sich im Kanton Solothurn notabene gegen Bauernverbandsdirektor Martin Rufer durchsetzte, hat sich indes skeptisch zur Allianz geäussert. Er wolle verstehen, was die Partnerschaft der Wirtschaft gebracht habe, sagte er in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen . «Mein Bauchgefühl ist, dass es uns nicht viel gebracht hat.»

War der Bauernverband wieder mal schlauer als die anderen?

Die drei beteiligten Wirtschaftsverbände äussern sich alle positiv, wenn auch nicht alle gleich euphorisch - und wollen die Allianz fortführen. «Die Wahlen waren für das bürgerliche Lager sehr erfolgreich», bilanziert Corinne Aeberhard vom Gewerbeverband. Josef Marty, Kampagnenleiter bei Economiesuisse, sagt: «Wir sind zufrieden – auch mit Blick auf den Wahlausgang.» Die bürgerliche Seite habe insgesamt zugelegt.

Die Präsidenten der vier Verbände stellten die Kampagne ein Jahr vor den Wahlen vor: Fabio Regazzi (Gewerbeverband), Valentin Vogt (Arbeitgeberverband), Christoph Maeder (Economiesuisse) und Markus Ritter (Bauernverband).
Bild: Bild: Anthony Anex/Keystone

Ein offeneres Ohr für die Wirtschaft

Der Arbeitgeberverband zeigt sich ebenfalls «grundsätzlich zufrieden» mit der Kampagne. «Dass nicht immer alle Akteure in gewissen Unterthemen denselben Standpunkt vertreten, ist nicht von der Hand zu weisen», räumt Kommunikationschef Stefan Heini ein. Das übergeordnete Ziel – optimale Bedingungen für den Wirtschaftsstandort Schweiz - verbinde die vier Akteure aber stärker, als dass gewisse «untergeordnete Differenzen» die Zusammenarbeit störten.

Auch bürgerliche Politiker unterstützen die Allianz. Diese müsse unbedingt weitergeführt werden, findet FDP-Nationalrat Peter Schilliger, Vorstandsmitglied des Arbeitgeberverbands und Mitglied der Gewerbekammer. «Es ist wichtig, dass die Wirtschaftsverbände mit einer Stimme sprechen», sagt auch FDP-Nationalrat Marcel Dobler, Economiesuisse-Vorstandsmitglied.

Economiesuisse zeigt sich überzeugt, dass die Anliegen der Wirtschaft im neuen Parlament vermehrt Gehör finden, etwa in der Finanz- und Steuerpolitik, der Regulierungs- oder der Energiepolitik. «Wir sind auch überzeugt, dass wir beim Freihandel Lösungen und Mehrheiten finden werden», sagt Marty.

Die Allianz wirke hier auch hinter den Kulissen, sagt ein bürgerliches Nationalratsmitglied: Der Bauernverband agiere beim Thema Freihandel zurückhaltender. Doch der Lackmustest dürfte kommen, wenn ein konkretes Dossier auf dem Tisch liegt.