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Schlechte Noten für Ex-Bundesratskandidat bei Aufarbeitung seines Schulzahnklinik-Skandals

Die Untersuchungskommission zum Schaffhauser Schulzahnklinik-Skandal übt harte Kritik an Regierungsrat Christian Amsler und seiner Verwaltung. Aber auch am Ex-Klinikdirektor, der Patienten in seine Privatpraxis abzügelte.
Muss sich von der Untersuchungskommission seines Kantons Schaffhausen einige Kritik anhören: Christian Amsler, Ex-FDP-Bundesratskandidat. (Foto: Peter Klaunzer/Keystone)

Samuel Thomi

Am Anfang des Skandals steht ein Artikel in den «Schaffhauser Nachrichten. Nun, gut eineinhalb Jahre später, zeigt der Abschlussbericht einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK), wie die auf den ersten Blick «gut» geführte und «einmalig kundenfreundliche» Schulzahnklinik des Kantons Schaffhausen vom Direktor über Jahre systematisch ausgenommen worden ist. Pikant am Schulzahnklinik-Skandal im nördlichsten Kanton der Schweiz: Die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung wollten bis zuletzt nie genau hinschauen.

Doch der Reihe nach. Als Christian Amsler im Herbst 2018 zum Sprung nach Bern ansetzt, um Bundesrat Johann Schneider-Ammann zu beerben, weht ihm zu Hause ein eisiger Wind entgegen. Der Schaffhauser Kantonsrat setzt eine Parlamentarische Untersuchungskommission ein. Das härteste Mittel eines Parlaments um offene Fragen abzuklären. Am Dienstag nun hat diese PUK den Medien die Ergebnisse ihrer Untersuchung zur Schulzahnklinik präsentiert und stellt dem damaligen Schaffhauser Regierungspräsidenten kein gutes Zeugnis aus.

Patienten abgezügelt, Arbeitszeit-Tricks und falsche Zulagen

Anders als ein erster, interner Untersuchungsbericht des ehemaligen FDP-Bundesratskandidaten, kommt die PUK nämlich zum Schluss, dass der damalige Leiter ab 2007 «systematisch» Patienten von der Schulzahnklinik in eine Privatpraxis abzügelte. «Am augenfälligsten ist der Wechsel bei Behandlungen, die von der IV bezahlt wurden», schreibt die PUK. Diese Wechsel hätten «gegen die Interessen der Schulzahnklinik» verstossen und dieser Umsatzeinbussen von bis zu 1,3 Millionen Franken beschert. Zudem sollen in der Schulzahnklinik die Arbeitszeiten nicht eingehalten worden sein. Als Folge der Tricksereien kommt die kantonale Finanzkontrolle auf Ausfälle von 1,1 Millionen Franken allein für die letzten zwei Jahre. Dazu sollen einige Klinik-Kader vom Kanton ungerechtfertigt Marktzulagen erhalten haben. Kostenpunkt: nochmals 650'000 Franken. Damit habe der Gesamtregierungsrat den gesetzlichen Spielraum nicht nur ausgenutzt, sondern «überschritten», hält die PUK fest.

Besonders kreidet die PUK Christian Amsler an, er habe als Vorsteher des Erziehungsdepartements – wie auch dessen Verantwortliche – mögliche Interessenkonflikte nie hinterfragt und Kontrollen vernachlässigt. Damit seien die Patienten-Abwerbungen nach der Übernahme der Privatpraxis durch den Schulzahnklinik-Direktor weitergegangen. Allerdings schränkt die PUK ein, bereits bei der Verselbständigung der Schulzahnklinik 1996 sei der Grundfehler passiert, dass Privatbehandlungen von Klinik-Mitarbeitenden ohne Einschränkung zugelassen wurden.

Kritisierter Ex-Bundesratskandidat rechtfertigt sich

Via seinen Anwalt schreibt Christian Amsler zum Entwurf des PUK-Berichts, er zweifle nach wie vor an der Verhältnismässigkeit der Untersuchung. Und die Patienten-Abwerbungen hätten bereits vor seiner Zeit begonnen. Er habe die Schulzahnklinik weitergeführt, wie er diese bei seinem Amtsantritt vorgefunden habe. Dann geht der freisinnige Ex-Bundesratskandidat zum Gegenangriff über: Amsler kritisiert, dass ein SVP-Kantonsrat ihm – wie auch der PUK – anonym zugespielte Akten noch immer vorenthalte. Diese hatten den Schulzahnklinik-Skandal in dem 80'000-Seelen-Kanton erst so richtig ins Rollen gebracht. Auf Amslers Kritik, dass dieser Kantonsrat auch in der PUK sass, entgegnet die Untersuchungskommission: Das Parlament habe ebendiesen Kritiker der ersten Stunde explizit in die höchste Aufsicht gewählt. Es könne also keine Rede sein von politischer oder persönlicher Abrechnung.

Aus dem Untersuchungsbericht geht zudem hervor, dass sich Christian Amsler – zumindest zu Beginn – auch handfest gegen die Arbeit der PUK wehrte. So wollte er PUK-Mitgliedern bei einem unangekündigten Besuch der Schulzahnklinik den Zutritt verwehren. Dies geht aus E-Mails hervor, die er an Mitarbeitende als auch politische Freunde sandte. Nach einigem Hin und her sowie im Gespräch mit der PUK liess sich der Regierungsrat dann allerdings überzeugen, dass diese auch selber ermitteln darf.

Der Regierungsrat seinerseits begrüsst in einer ersten Stellungnahme den Entwurf des PUK-Berichts und streicht hervor, dass weder einem Mitglied noch der Gesamtregierung eine Amtspflichtverletzung vorgeworfen wird. Dass bei der Schulzahnklinik «in einzelnen Bereichen Handlungsbedarf bestanden hat und besteht», sei unbestritten. Zum Weiteren Vorgehen will er gleichzeitig mit der Präsentation des PUK-Berichts informieren.

Viel zu viele Röntgen – und ohne Einwilligung der Eltern

Erste Kritik am Gebaren der Schaffhauser Schulzahnklinik gab es laut PUK bereits 2017. Damals richteten sich Vorwürfe von Zahnärzten aus der Region jedoch vorab gegen die Einführung von Myobrace. Diese umstrittene Methode zur Beseitigung von Fehlfunktionen der Kau- und Gesichtsmuskulatur war laut PUK ohne Konzept und Erfolgskontrolle eingeführt worden. In fast der Hälfte der Fälle der überdurchschnittlich oft angewandten Methode hat diese laut einem Gutachten abgebrochen werden müssen. Das «beinahe flächendeckend Röntgen» der Kinder war laut PUK zwar unangebracht und ohne Einwilligung der Eltern erfolgt. Eine Gesundheitsgefährdung der Kinder habe deswegen aber nicht bestanden.

Zu weiteren Vorwürfen, etwa dass an der Schulzahnklinik Schaffhausen zu viele Kariesbehandlungen erfolgten oder dass deren Betreiber aus dem Einsatz von Oralscannern unrechtmässige Zahlungen einer Drittfirma erhielten, konnte die PUK laut dem Bericht keine Hinweise finden.

Juristische Aufarbeitung des Skandals steht noch aus

Noch ausstehend ist laut PUK-Bericht die juristische Aufarbeitung des Schulzahnklinik-Skandals. Einerseits geht es um eine Strafanzeige der Geschäftsprüfungskommission, andererseits um eine Anzeige des Sozialversicherungsamt Schaffhausen gegen den ehemaligen Schulzahnklinik-Direktor. Das SVA wirft diesem vor, bei IV-Behandlungen falsch abgerechnet zu haben. Beide Verfahren führt ein ausserordentlicher Staatsanwalt aus Bern.

Laut eigenen Angaben hat die PUK 90 Sitzungen, eine zweitägige Klausur und Befragungen mit über 1249 Seiten Protokoll abgehalten. Der Bericht über die politische Aufarbeitung umfasst nochmals 277 Seiten. Bis zum Ende ihrer Arbeit rechnet die PUK mit Kosten von 470'000 Franken.