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Sponsoring

Schalke 04 hat jetzt einen Sponsor aus der Schweiz – dessen Geschäftsmodell ist höchst ungewöhnlich

Die Schweizer Lebensmittelfirma Sun ist neuer Trikotsponsor des deutschen Fussballklubs Schalke 04. Die Geschichte eines speziellen Produkts und eines speziellen Geschäftsmodells.
In der neuen Saison ziert die Schweizer Firma Sun das Trikot der Fussballer von Schalke 04 in der zweiten deutschen Bundesliga.
Bild: Bild: Ralf Ibing/Firo Sportphoto/Getty

Schalke 04 hat wenig Glück mit seinen Sponsoren. Der Schriftzug des russischen Staatskonzerns Gazprom prangte noch auf der Brust der Spieler, als Russland in die Ukraine einfiel. Zum Abstieg in die zweite Liga folgte ein grosses Loch in der Vereinskasse; der russische Grossgeldgeber war nicht mehr tragbar. Die nachrückenden Platzhalter wechselten im Jahresrhythmus. Nun hat sich vorige Woche eine bisher unbekannte Schweizer Firma den Brustplatz gesichert: die Sun AG mit ihrem Produkt Sun Minimeal.

Sun bietet Ersatzmahlzeiten an – in Tabs gepresste, natürliche Zutaten auf Sonnenblumenbasis –, mit denen ein Wust an Versprechen verbunden sind: Sie beinhalteten alle notwendigen Nährstoffe, die nicht nur günstiger seien als eine normale gesunde Ernährung («minus 50 Prozent»). Mit ihnen liessen sich auch Zeit und Ressourcen sparen, auch, da zwei Tabs eine Mahlzeit ersetzten («minus 90 Prozent»). Und wer täglich weniger als acht Kekse verspeise, dem sei auch eine Diät gewiss.

Kompaktnahrung liegt im Trend. Der Markt ist dicht gedrängt, kleine Anbieter tummeln sich darauf ebenso wie der Gigant Nestlé. Die Produkte sind häufig vergleichbar, mal mehr oder weniger schmackhaft. Entscheidend ist das Marketing. Da die Produktionskosten gemäss einem im Geschäft tätigen Produzenten nicht mehr als fünf bis zehn Prozent der Verkaufserlöse betragen, findet der Wettbewerb über die Werbung und den Vertrieb statt.

Verschiedene Anläufe auf dem Weg zum Kekskönig

Schalke 04 soll Sun die Bekanntheit bringen. Mindestens 3 Millionen Euro kostet das Sponsoring pro Jahr. Daneben investiert die Marke in den Motorrennsport, um vor allem in Deutschland Präsenz zu markieren. Die Zielsetzung ist hochgesteckt: Mindestens fünf Millionen regelmässige Gutzi-Kunden will Sun bis 2030 gewinnen. Für Versprechungen, die sich nicht realisieren lassen, hat Wolfgang Grabher, der Alleininhaber von Sun, allerdings ein Faible. Dies berichten mehrere ehemalige Geschäftspartner.

Die Sun Minimeals sind nicht Grabhers erster Anlauf, um Kekskönig zu werden. Seit über zehn Jahren finden sich Spurenelemente des Österreichers bei verschiedenen Gesellschaften. Dabei kommt es in der Ostschweiz zu einer auffälligen Ballung. Die spezielle Begabung von Grabher scheint es zu sein, immer neue Investoren für grosse Pläne zu finden.

Spätestens wenn die Investoren enttäuscht sind, kommt es zum Bruch. So war Grabher Mitte 2013 Mitbegründer der Isano, gut zwei Jahre später folgte die Trennung und Grabher lancierte 2016 die Vegisan. Nach weiteren zwei Jahren kam es dort zu einem Umbruch, das Management setzte sich ab. 2020 startete Grabher mit Vegisan, britischen Verbündeten und dem Markennamen Leanfoodtabs einen nächsten Anlauf: Nicht weniger als «das gesündeste Lebensmittel der Welt» sei die «kalorienarme Komplettnahrung», hiess eine der Werbebotschaften.

Trotz diesem überzeugenden Markenversprechen konnte sich das Produkt offenkundig nicht durchsetzen. Seit vergangenem Jahr laufen die Arbeiten an einer Neuerfindung: Aus der Vegisan wurde die Sun. Die bisherige Produktionsstätte, eine stillgelegte Bäckerei in Lutzenberg, wurde samt Firmenstandort in eine grössere stillgelegte Fabrikationshalle nach Wolfhalden verlegt.

Mit den Wunderkeksen zu geschenktem Reichtum

Einen zweistelligen Millionenbetrag pro Monat setze Sun um, heisst es nun auf Anfrage. Überprüfen lässt sich die Angabe nicht. Mit den Mitteln werde auch die Marketingoffensive finanziert. Zusätzliche Investoren gebe es keine, was allerdings den Informationen entgegensteht, dass namentlich bekannte Sportpromis als Geldgeber angegangen worden sind.

Doch Grabher, ein gelernter Koch, redet lieber über das Geld seiner Kundschaft. Im Internet sind Videotutorials zu finden, in denen er ihr mit seinen Minimeals Gesundheit samt Reichtum in Aussicht stellt – eine Art Kryptowährung soll es möglich machen.

Was Grabher anbietet: Wer Minimeals für 100 Franken kauft, erhält damit auch 100 Sun-Coins. Wer vorweg bezahlt, erhält gar den doppelten Coin-Betrag. Bei der nächsten Bestellung können jeweils zwanzig Prozent mit diesen Coins bezahlt werden, was nichts anderes als ein kompliziertes Bonussystem darstellt.

Wundertechnologie Blockchain soll es richten

Die eigentliche Pointe besteht nun darin, dass die Coins zumindest theoretisch auf einer Kryptohandelsplattform gehandelt werden können. Zudem spricht Grabher von einer «Deflation» seiner Coins, indem die Anzahl der Sun-Token, die im Umlauf sind, reduziert würde. Daraus folge – so Grabhers ökonomische Logik –, dass die Coins wertvoller würden.

Als Grabher an einem Kryptokongress von einer Moderatorin befragt seinen genialen Businesscase erläuterte, lächelte diese ihn freundlich an – wenn auch mit zunehmend irritiertem Gesichtsausdruck.

Grabher verspricht, keine der häufig anzutreffenden Multi-Level-Marketing-Maschen aufzuziehen. Das ist jedoch nur halb korrekt, da jeder Onlineshoppingkunde, der einen weiteren Kunden gewinnt, auch für dessen Einkäufe Sun-Coins erhält und damit seinem versprochenen Reichtum näherkommt.

In Gelsenkirchen, wo Schalke 04 zu Hause ist, will man von diesen Zusammenhängen nicht so viel wissen. Lediglich ein Fanblogger eruierte aus den Tiefen des Internets, Grabher sei in früheren Jahren mit der deutschen Justiz wegen eines Schneeballsystems in Konflikt geraten. Auf Nachfrage von CH Media spricht Grabher nun von «falschen Anschuldigungen im Rahmen eines Börsengangs in den USA». Zu einer Verurteilung in den USA sei es nach «intensiven Untersuchungen» nicht gekommen.

Die Redaktion der WAZ-Gruppe fragte bei Schalke 04 nach, ob der neue Sponsor seriös sei – was der Klub bestätigt. So hatte er seinen Sponsor auch angekündigt: «Ein Unternehmen mit klarer Vision und absoluten Spitzenansprüchen ziert fortan die Brust der Königsblauen.»