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USA

Richter platzt im Trump-Prozess der Kragen: Er lässt den Gerichtssaal räumen – das ist der Grund

Schlussspurt im New Yorker Prozess gegen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump: Nun hat die Verteidigung das Wort. Ein Entlastungszeuge sorgte am Montag aber für einen Eklat im Gerichtssaal von Richter Juan Merchan.
Im Prozess gegen Ex-Präsident Donald Trump wies am Montag der Richter Juan Merchan (links) den Entlastungszeugen Robert Costello scharf zurecht.
Bild: Elizabeth Williams / AP

Dramatischer Moment an einem der letzten Verhandlungstage im Prozess gegen Donald Trump. Am Montag liess der Richter Juan Merchan in einem Lokalgericht im New Yorker Stadtteil Manhattan kurzerhand den Gerichtssaal 1530 räumen, um einem Entlastungszeugen ins Gewissen zu reden. Zuvor hatte dieser Zeuge hörbar den Richter kritisiert, den Kopf geschüttelt, die Augen verdreht und Merchan provoziert.

Beim Zeugen handelte es sich um den Anwalt Robert «Bob» Costello, seit Jahren ein Fixstern im Orbit von Ex-Präsident Trump. (Er vertrat unter anderem die Trump-Berater Steve Bannon und Rudy Giuliani.) Costello hätte eigentlich, als einer von höchstens drei Zeugen der Verteidigung, den Kronzeugen der Anklage anschwärzen sollen. Er besass Insiderwissen, weil er einst geschäftlich mit Michael Cohen zu tun gehabt hatte. Cohen spielt im Prozess eine zentrale Rolle, weil er im Wahlkampf 2016 die Schweigegeldzahlung an die Porno-Darstellerin Stormy Daniels einfädelte.

Costello aber schien sich nicht an das Drehbuch halten zu wollen. Stattdessen suchte der Staranwalt im Zeugenstand von Beginn weg die Konfrontation mit dem Richter. So ignorierte Costello die Anweisungen von Merchan. Als der Richter mehrmals einem Einspruch der Staatsanwaltschaft stattgab, da sagte Costello laut hörbar «Jeez» — ein Ausdruck, auf den ein gemeinhin höflicher New Yorker zurückgreift, wenn er verdeutlichen will, dass er unzufrieden ist.

«Entschuldigen Sie bitte?» erwiderte Merchan daraufhin ungläubig, als habe er sich verhört. Nachdem er die Geschworenen aus dem Saal geschickt hatte, sagte der Richter direkt an den Zeugen gerichtet, dass er sich solche Zwischenbemerkungen verbitte. «Wenn Sie meine Entscheidungen nicht mögen, dann geben sie mir keinen schrägen Seitenblick und Sie verdrehen nicht die Augen!»

Gedränge im Korridor eines New Yorker Lokalgerichts: Medienschaffende warten darauf, dass der Richter die Türen zum Gerichtssaal 1530 wieder öffnet.
Bild: Michael M. Santiago / AP

Als Costello ihn daraufhin provozierend anstarrte, da platzte Merchan — im Trump-Prozess gemeinhin die Ruhe selbst — der Kragen. Der Richter wies das Sicherheitspersonal mit lauter Stimme dazu auf, den Saal zu räumen. Unter Protest mussten Medienschaffende und einige Schaulustige den Raum 1530 umgehend verlassen. Dann sprach er Costello hinter quasi verschlossenen Türen ins Gewissen. Als das Publikum nach einigen Minuten wieder zurück in den Saal durfte, da hatte der langjährige Anwalt im Zeugenstand einen hochroten Kopf.

Im Verhandlungsprotokoll ist nachzulesen, dass sich der Richter über das «geringschätzige» Verhalten Costellos beschwerte. Wenn er noch einmal versuche, ihn mit seinem Blick niederzuzwingen, «werde ich sie aus dem Zeugenstand entfernen», sagte der Richter.

Costello unterminiert die Verteidigung

Was Costello mit seinem Auftritt bezweckte, war am Ende eines dramatischen Verhandlungstages auch vielen Insidern unklar. Vermutet wurde, dass der Anwalt versuchte, Trumps Gunst zu gewinnen. Vielleicht glaubt er, dass ihm der Ex-Präsident helfen könnte, offene Rechnungen bei den Ex-Klienten Bannon und Giuliani einzutreiben, lautete eine Theorie. Die beiden schulden Costello mehrere hunderttausend Dollars.

Wie dem auch sei. Mit seinem ungehobelten Auftreten überschattete Costello am Montag zwei wichtige Augenblicke, in denen es der Verteidigung vielleicht gelang, bei den Geschworenen Zweifel an den Behauptungen der Anklage zu wecken.

Zum einen sagte Costello unter Eid aus, wie ihm Cohen noch 2018 versichert habe, Trump wisse nichts von der Schweigegeldzahlung an Stormy Daniels. «Ich schwöre bei Gott, Bob.» (Das war gemäss Cohen eine Notlüge.)

Auch gab Cohen im Kreuzverhör zu, dass er seinen früheren Arbeitgeber Donald Trump um einige Zehntausend Dollar bestohlen habe. Dies war eigentlich in Grundzügen bereits bekannt. Aber die Art und Weise, wie Todd Blanche dieses Geständnis ihm abpresste, war doch einer der Höhepunkte des Prozesses.

Der Ex-Präsident wird nicht selbst aussagen

Trump beklagte sich nach dem Ende des langen Verhandlungstages am Montag bitterlich über den Richter und beschimpfte ihn als «Tyrannen». Zudem lobte der republikanische Präsidentschaftskandidat den Zeugen Costello, obwohl der Angeklagte doch eigentlich gemäss den Anweisungen von Juan Merchan solche Kommentare unterlassen sollte.

Weil Trump im ersten Strafprozess gegen einen Ex-Präsidenten wohl nicht aussagen will, wird die Beweisphase des Prozesses wohl am Dienstag abgeschlossen. Die Schlussplädoyers sollen erst kommende Woche beginnen, wie Merchan am Montag entschied. Das Warten auf ein Urteil im historischen Prozess geht also weiter.

Die Staatsanwaltschaft im New Yorker Stadtteil Manhattan wirft Trump vor, er habe Bilanzfälschung begangen, weil die Zahlungen an die einstige Geliebte Stormy Daniels falsch verbucht wurden. Da dieses Geld in der heissen Phase des Präsidentschaftswahlkampfes 2016 floss, sollen diese Falschbuchungen ein weiteres Verbrechen vertuscht haben — die illegale Beeinflussung eines Urnengangs.