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Richter müssen am richtigen Ort wohnen

Nur wer im Bezirk wohnt, kann auch Bezirksgerichtspräsident werden. Das schränkt die Kandidatenauswahl stark ein, wie der Fall Kulm zeigt: Eine qualifizierte Kandidatin ist deswegen chancenlos.

Thomas Röthlin

Für das neue Präsidium II am Bezirksgericht Kulm hätte die FDP fünf Interessentinnen gehabt. «Von den Qualifikationen her wären allesamt geeignet gewesen», sagt nicht ohne Stolz Roger Baumberger, im Vorstand der Kulmer Freisinnigen zuständig für die Kandidatinnensuche.

Was nach einem spannenden parteiinternen Ausscheidungsverfahren zugunsten der besten Kandidatin aussah, erledigte sich bald von selbst.

Neben zwei freiwilligen Rückzügen hätte eine Kandidatin wegen Interessenkonflikten ihr Anwaltsbüro aufgeben müssen. Und eine langjährige Gerichtsmitarbeiterin scheiterte daran, dass sie nicht im Bezirk Kulm wohnt. Blieb noch Suzanne Marclay-Merz, General Legal Counsel für Microsoft Switzerland&Austria in Zürich. Sie ist nach Anmeldeschluss die einzige Kandidatin für das 50-Prozent-Amt im Bezirk Kulm.

Die beiden FDP-Interessentinnen, die sich unfreiwillig zurückgezogen haben, reichten beim Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) ein Ausnahmegesuch ein. Die eine argumentierte, sie sei als Anwältin ausschliesslich ausserkantonal tätig; die andere, sie wolle ausserhalb des Bezirks wohnen bleiben.

Die Antworten waren abschlägig. «Es gibt keine Ausnahmen und deshalb keine formelle Gesuchsmöglichkeit», stellt der stellvertretende DVI-Generalsekretär Andreas Bamert punkto Wohnortserfordernis klar. Der Buchstabe des Gerichtsorganisationsgesetzes (GoG) sei eindeutig.

Gemäss Paragraf 5 müssen Richter «in ihrem Amtskreis Wohnsitz nehmen». Eine Gesetzesrevision sieht vor, dieses Prinzip 2013 zu lockern. Bezirksgerichtspräsidenten müssten dann zumindest im Kanton Aargau wohnen.

Von dieser Gesetzes-Restriktion ist auch eine erfahrene Bezirksgerichtsschreiberin betroffen. Sie hat das Anwaltspatent und könnte sich das Amt als Gerichtspräsidentin gut vorstellen. In ihrem Wohnbezirk hat eine andere Partei als jene, hinter der die Gerichtsschreiberin stehen könnte, Anspruch auf das Amt erhoben und eine Kandidatur angemeldet.

Also das Eigenheim aufgeben und in einen anderen Bezirk ziehen und dort kandidieren? Sie habe es sich wirklich überlegt, sagt die Frau, die nicht namentlich genannt werden möchte. Die Gelegenheit wäre günstig gewesen: Sämtliche Bezirksgerichte schaffen dieses Jahr wegen der Revision der eidgenössischen Strafprozessordnung zusätzliche Vorsitze.

Zurück nach Kulm: Wenn nicht noch eine andere Partei die Nachmeldefrist nutzt und einen Sprengkandidaten aufstellt, wird Suzanne Marclay-Merz still gewählt. Das heisst, die Urnenwahl vom 26. September entfiele mangels Kandidatenauswahl. Marclay-Merz müsste in diesem Fall spätestens beim Stellenantritt am 1. Dezember dieses Jahres Wohnsitz im Bezirk Kulm nehmen.

Mit ihrem potenziellen Tätigkeitsgebiet verbindet sie immerhin ein Menziker Bürgerrecht: «Aufgrund meiner familiären Beziehungen zum Bezirk ist es eher ein Heimkommen», sagt die gebürtige Aargauerin, die allerdings vor zehn Jahren wegzog.

Die wählerstärkste Partei im Bezirk Kulm ist die SVP. Trotzdem hat sie gemäss Präsident Martin Sommerhalder nicht vor, eine Kampfwahl anzuzetteln. Bei der kürzlichen Ersatzwahl eines Laienrichters habe die FDP zwar den SVP-Sitz - erfolglos - angegriffen, obwohl das nicht so abgemacht gewesen sei. «Aber wir halten unser Wort», sagt Sommerhalder und meint damit, dass die SVP bei der Profirichterwahl der FDP den Vortritt lasse. Zudem sei es nicht einfach, jemanden für ein halbes Pensum zu finden.

Der Verzicht auf das Gerichtspräsidium II ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die SVP der FDP 2006 das Gerichtspräsidium I abluchsen konnte. Unterlegener Kandidat war damals Roger Baumberger. Er hat sich inzwischen in Aarau mit einer Anwaltskanzlei selbstständig gemacht und verzichtet auf eine nochmalige Kandidatur.