Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war der Abschuss mehrerer Weissstörche, die aus einem Schutzprojekt im italienischen Udine stammten und die sich auf dem Weg in ihr afrikanisches Winterquartier befanden.
Maltas Premierminister Joseph Muscat fackelte nicht lange und erliess ein generelles Verbot für die Vogeljagd, das bis zum 10. Oktober dauern soll.
In der Folge kam es in der Hauptstadt Valletta zu gewalttätigen Protesten der Jäger und zu Schlägereien mit der Polizei. Zwei Naturschützer wurden verletzt, auch ein Reporter und ein Fotograf der «Times of Malta» wurden angegriffen. Zehn Jäger befinden sich in Untersuchungshaft.
Volkssport Nummer 1
Malta ist ein Paradies für Jäger – und ein Albtraum für Europas Vogelschützer, die seit Jahren dagegen protestieren, dass auf der Mittelmeerinsel unter stillschweigender Duldung der Regierung im grossen Stil Jagd auf geschützte Zugvögel gemacht werde.
Tatsächlich ist die Vogeljagd in Malta der Volkssport Nummer 1: Auf die insgesamt rund 400 000 Einwohner der früheren Kreuzfahrerinsel kommen 20 000 Jäger und Fallensteller. Damit ist das nur 315 Quadratkilometer grosse Malta der am stärksten bejagte Flecken der Erde: Auf einen Quadratkilometer kommen fast 70 Jäger. Einheimische Vogelarten gibt es kaum noch – und so warten die Jäger jeweils auf die Zugvögel, für die Malta eine wichtige Raststation darstellt.
Während der Jagdsaison im Herbst wird alles vom Himmel geholt, was Federn hat und in den maltesischen Luftraum eindringt: Störche, Flamingos, Falken, Mauersegler, Pirole, Lerchen, Wiedehopfe, Gartenrotschwänze. Im Frühling sind Wachteln und Turteltauben an der Reihe, obwohl auch dies gegen EU-Richtlinien zum Vogelschutz verstösst.
Beliebt und entsprechend weit verbreitet ist auch das Fangen von Vögeln mit sogenannten Schlagnetzen, bei denen in kleinen Käfigen eingesperrte Singvögel als Köder benutzt werden. Bis zu einer Million Tiere fallen den maltesischen Jägern jedes Jahr zum Opfer – Ornithologen haben Malta als «Killing Fields für Zugvögel» bezeichnet.
«Aus reiner Lust am Töten»
Vertreter der maltesischen Vogelschutzorganisation BirdLife kritisieren, dass viele der sogenannten Jäger «aus reiner Lust am Töten» auf die Vögel schössen. Oft würden die toten oder verletzten Tiere nicht einmal eingesammelt. Die Tiere würden als lebende Zielscheiben missbraucht.
Reines politische Kalkül?
Das temporäre Jagdverbot ist bei den Vogelschützern entsprechend positiv bewertet worden: «Es zeigt, dass die Regierung bereit ist, Massnahmen zu ergreifen, wenn Jäger keinen Respekt vor dem Gesetz haben», betonte Steve Micklewright, Direktor von BirdLife Malta.
Premierminister Muscat wiederum zeigte sich vom Aufstand der Jäger nicht beeindruckt: «Die Proteste dieser Tage werden bloss zu noch strengeren Gesetzen und Auflagen führen», sagte ein Regierungssprecher.
Allerdings hört man unter den Vogelschützern auch Stimmen, welche hinter der neuen Härte der Regierung reines politisches Kalkül im Hinblick auf die bevorstehende Bildung der neuen EU-Kommission wittern. Denn bisher hat sich Valletta herzlich wenig um die Brüsseler Klagen bezüglich des alljährlichen Vogelmassakers auf Malta geschert. Nun soll aber der Maltese Karmenu Vella neuer EU-Umweltkommissar werden. Damit, finden Umweltschützer, würde der Bock zum Gärtner gemacht.