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Deutschland

Prinz Heinrich und sein Hofstaat: Wie eine Gruppe von «Reichsbürgern» die Bundesrepublik beerdigen wollte

Bei einem grossen Anti-Terror-Einsatz in Deutschland sind 25 Verdächtige festgenommen worden, die einen Umsturz geplant haben sollen. Unter den mutmasslichen Verschwörern befinden sich ein Elitesoldat und eine Richterin, die für die AfD im Bundestag sass. 
Er hätte Deutschland nach dem Willen der Verschwörer beherrschen sollen: Heinrich XIII. Prinz Reuss zu Köstritz nach seiner Festnahme am Mittwochmorgen in Frankfurt am Main. 
Bild: Bild: Boris Roessler/DPA

Monarchisten waren in Deutschland lange Zeit eine ebenso unauffällige wie unbedeutende Minderheit: Wer eine Restauration des Kaiserreichs oder eines der regionalen Königreiche und Fürstentümer wollte, konnte in den meisten Fällen als mehr oder weniger liebenswerter Spinner mit einem Faible für operettenhafte Inszenierungen abgetan werden.

Dies hat sich seit rund zehn Jahren geändert: Mit dem Aufkommen der sogenannten Reichsbürgerbewegung traten zunehmend Menschen an die Öffentlichkeit, die der Ansicht sind, das 1871 gegründete Deutsche Reich bestehe fort, während die Bundesrepublik kein legitimer Staat sei.

Sie warteten auf den «Tag X», an dem sie losschlagen würden

Um harmlose Nostalgiker handelt es sich bei den «Reichsbürgern» nicht: Neben Monarchisten finden in der Szene auch Antisemiten, Nazi-Sympathisanten und Holocaustleugner zusammen; manche von ihnen fertigen ihre eigenen Reisedokumente an, fällen Urteile an selbst ernannten Gerichtshöfen oder geben sich Fantasie-Titel wie «Reichskanzler» und «Minister für Besonderes». Der deutsche Inlandgeheimdienst rechnet rund 21'000 Personen der Reichsbürgerszene zu; etwa fünf Prozent davon seien Rechtsextremisten.

Am Mittwochmorgen wurde der Öffentlichkeit ins Bewusstsein gerückt, welche potenzielle Gefahr von «Reichsbürgern» mittlerweile ausgeht: In einem der grössten Anti-Terror-Einsätze in der Geschichte der Bundesrepublik durchsuchten rund 3000 Beamte mehr als 130 Wohnungen in ganz Deutschland. 25 Personen wurden festgenommen; acht von ihnen sitzen mittlerweile in Untersuchungshaft.

Insgesamt würden 52 Personen verdächtigt, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein oder eine solche zu unterstützten, teilten die Sicherheitsbehörden mit. Die Beschuldigten hätten einen Umsturz vorbereitet und dabei «auch die Begehung von Tötungsdelikten» vorgehabt. Die Gründung der Vereinigung habe «spätestens Ende November 2021» stattgefunden. Seither sollen sich die Beteiligten auf einen «Tag X» vorbereitet haben, an dem sie losgeschlagen hätten.

Das Jagdschloss «Waidmannsheil» in Bad Lobenstein. 
Bild: Bild: Bodo Schackow/DPA

Als Herrscher wollten die Verschwörer offenbar Heinrich XIII. Prinz Reuss zu Köstritz einsetzen, einen 71-jährigen Immobilienkaufmann. Der Adlige soll selbst einer von zwei Rädelsführern der Verschwörung sein. Am Mittwoch wurde er von einem Sondereinsatzkommando der Polizei aus seinem Frankfurter Wohnhaus abgeführt. Zeitgleich wurde sein Jagdschloss «Waidmannsheil» im thüringischen Bad Lobenstein durchsucht.

Dass der skurrile Plan der Möchtegern-Putschisten nicht die geringste Aussicht auf Verwirklichung gehabt hätte, ist klar. Beunruhigend wirkt er vor allem, wenn man sich einige der Beteiligten anschaut: So befinden sich unter den Verdächtigen mehrere frühere Bundeswehrsoldaten; ein Beschuldigter gehört sogar noch immer dem Kommando Spezialkräfte an, einer Eliteeinheit des deutschen Militärs. Zugang zu Waffen und Munition hätten die mutmasslichen Verschwörer wohl gehabt.

Eine Verdächtige arbeitete als Richterin in Berlin

Zwischen der Politik und den «Reichsbürgern» gibt es zumindest eine punktuelle Verbindung: Unter den Festgenommenen befindet sich auch Birgit Malsack-Winkemann, eine frühere Bundestagsabgeordnete der rechtsradikalen AfD. In der geplanten Übergangsregierung des Prinzen Heinrich hätte die 58-Jährige Justizministerin werden sollen.

Vor ihrem Einzug in den Bundestag hatte Malsack-Winkemann als Richterin gewirkt; nach ihrer Abwahl im Herbst 2021 nahm sie ihre Tätigkeit am Berliner Landgericht wieder auf. So kam es, dass eine Frau, die den gewaltsamen Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung befürwortet, weiter an einem deutschen Gericht arbeiten konnte. Gegen ihre Abberufung als Richterin hatte sich Malsack-Winkemann vor dem Berliner Verwaltungsgericht erfolgreich gewehrt.

Wurde die Sicherheit der Beamten unnötigerweise gefährdet? Ein Polizist am Mittwoch beim Einsatz in Berlin. 
Bild: Bild: Filip Singer/EPA

Es sei noch unklar, wie weit die Verdächtigen ihre Pläne vorangetrieben hätten, sagte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser am Mittwoch. Unklar ist auch die Rolle, die einige deutsche Medien bei der Polizeiaktion spielten: So machten unter anderem die ARD, «Der Spiegel» und die «Süddeutsche Zeitung» bereits am Mittwochvormittag auf ihren Websites mit detaillierten Hintergrundberichten auf, die nur den Schluss zuliessen, dass diese Medien vorab informiert waren.

Dies wirft Fragen nach der Geheimhaltung auf. Eine Nachricht, die einer der Verdächtigen am frühen Mittwochmorgen auf dem Messenger-Dienst Telegram absetzte, deutet darauf hin, dass auch einige der Beschuldigten Bescheid wussten. So könnte es sein, dass sich die deutschen Behörden noch die Frage stellen lassen müssen, ob der Erfolg des Einsatzes und die Sicherheit der Beamten unnötigerweise gefährdet wurden.