Obwohl sich das syrische Regime von den westlichen Angriffen völlig unbeeindruckt zeigt, kündigten Frankreich, Grossbritannien und die USA am Sonntag eine umfangreiche diplomatische Initiative an, um den seit sieben Jahren tobenden Bürgerkrieg zu beenden.
Man werde schon heute Montag neue Vorschläge machen – im Weltsicherheitsrat in New York und in Brüssel beim Aussenministertreffen, erklärte Frankreichs Chefdiplomat Jean-Yves Le Drian, während auf den Strassen von Damaskus tausende Menschen die eigene Armee und Baschar al-Assad hochleben liessen: Ziel sei es, «mit allen, die das wollen, den Fahrplan festzulegen», erklärte Le Drian in Paris, der gleichzeitig vor dem nächsten humanitären Desaster in der Rebellenprovinz Idlib warnte.
In der syrischen Hauptstadt dagegen sang die Menge patriotische Lieder und schwenkte Fahnen von Syrien, Russland und der Hisbollah. Einige Regimeanhänger skandierten «Baschar, wir folgen deinen Befehlen – und wenn die Welt in Flammen aufgeht». Andere zeigten sich erleichtert, dass die nächtlichen Angriffe der Alliierten lediglich rund 45 Minuten gedauert und keine Todesopfer gefordert hatten. «Wir sagen Trump, du kannst nichts machen. Wir feiern hier, um dir zu zeigen, dass du am Ende bist», sagte eine Demonstrantin im Staatsfernsehen.
Assads Propaganda-Show
Das syrische Präsidialamt verbreitete am Samstag über Twitter ein kurzes Video, auf dem der Diktator demonstrativ mit Aktentasche in der Hand durch die prächtigen Marmorhallen seines Palastes schlenderte. «Diese Aggression wird Syrien und sein Volk nur noch entschlossener machen», sagte er.
Ob das Video echt und aktuell ist, wird angezweifelt. Zur gleichen Zeit, wie es erschien, gab das syrische Oberkommando bekannt, die Armee habe nun auch in der Stadt Douma die Kontrolle übernommen, nachdem drei Tage zuvor die letzten Rebellen von Jaish al-Islam mit ihren Familien nach Nordsyrien evakuiert worden waren.
Der Kommentar zum Thema
Alliierter Luftangriff in Syrien: trotz allem ein Sieg der Vernunft
Nach Angaben des Pentagon war die Zahl der abgefeuerten Raketen diesmal etwa doppelt so hoch wie vor einem Jahr nach dem Giftgasangriff auf die nordsyrische Stadt Khan Sheikhoun. Damals feuerten US-Kriegsschiffe im Mittelmeer 59 Marschflugkörper ab und zerstörten Startbahnen und Flugzeugbunker auf der Luftwaffenbasis Shayrat in Zentralsyrien, die jedoch eine Woche später wieder einsatzfähig waren. Diesmal galten die Luftschläge dem chemischen Forschungsinstitut Barzeh bei Damaskus und zwei Militärbasen nahe Homs, auf denen Chemikalien für Giftgasbomben lagern sollen.
Assad bereitet Sieg vor
Vor einer Woche waren nach einem Luftangriff in der Stadt Douma in Ost-Ghouta mindestens 43 Menschen in ihren Schutzräumen erstickt und über 500 verletzt worden. Vielen der Opfer quoll weisser Schaum aus Mund und Nase, Symptome, die den Einsatz von Nervengift nahelegen.
Nach Einschätzung westlicher Geheimdienste sprechen Beweise und Indizien dafür, dass zwei syrische Hubschrauber zum fraglichen Zeitpunkt Granaten mit einer Mischung aus Chlorgas und Sarin abwarfen. Ein Team der «Organisation zum Verbot von Chemiewaffen» begann am Sonntag mit seinen Analysen vor Ort.
Die Rückeroberung von Ost-Ghouta ist für den syrischen Diktator ein ähnlich spektakulärer Erfolg wie ein Jahr zuvor der Sieg über die Rebellen in Ost-Aleppo. Damit kontrolliert Baschar al-Assad jetzt praktisch alle wichtigsten Teile des Staatsgebietes, in denen die überwiegende Mehrheit der verbliebenen Bevölkerung lebt.
Das Regime muss keinen nennenswerten militärischen Widerstand der Aufständischen mehr fürchten, die neben zwei Enklaven nahe Homs und im Südwesten rund um Daraa nur noch die Nordprovinz Idlib beherrschen.
Auch die syrisch-kurdischen Gebiete an der Grenze zur Türkei, die in den letzten Jahren eine gewisse von Damaskus geduldete Autonomie besassen, riefen vor einigen Wochen das Regime um Hilfe, seit die Türkei die Grenzenklave Afrin belagert. Parallel dazu mehren sich die Anzeichen, dass die Machthaber in Damaskus ein Nachkriegssyrien planen, in dem Millionen von Regimegegnern, die sich derzeit als Flüchtlinge ausserhalb ihrer Heimat aufhalten, keinen Platz mehr haben sollen.
Schweiz fordert Deeskalation
Die Schweiz hat die Raketenangriffe westlicher Staaten auf syrische Ziele weder verurteilt noch begrüsst. Stattdessen erklärte das Aussendepartement deeskalierende Massnahmen zur «absoluten Priorität». Die Schweiz verfolge die militärische Eskalation im Syrienkonflikt mit Sorge, schreibt das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am Samstag in einer Stellungnahme. Es fordert alle beteiligten Parteien zur Vernunft auf und appelliert an sie, Bedingungen zu schaffen für die humanitäre Hilfe der Kriegsopfer. EDA-Vorsteher Ignazio Cassis rechtfertigte in einem Interview mit der NZZ am Sonntag die vorsichtige Haltung der Schweiz. Er sei überzeugt, dass «wir als zurückhaltender und vertrauenswürdiger Partner mehr erreichen, als wenn wir laut Verurteilungen aussprechen, Sanktionen ergreifen oder Diplomaten ausweisen».
Das EDA teilte weiter mit, es stehe in Kontakt mit den Schweizer Vertretungen in der Region. Die Krisendispositive würden überprüft, das Humanitäre Büro in Damaskus sei kontaktiert worden. Der Koordinator ist gemäss den Angaben von den Angriffen nicht betroffen worden. Besonders beunruhigt äusserte sich das Aussendepartement über den mutmasslichen Giftgaseinsatz in der syrischen Stadt Duma vor rund einer Woche. Die Verletzung einer zentralen völkerrechtlichen Norm sei «inakzeptabel und besorgniserregend». Zur Untersuchung des Vorfalls fordert die Schweiz, dass die Fact Finding Mission der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) nach Syrien wie geplant stattfinden kann. (SDA)