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Neue Banknoten

Polenta, Pokémon und Ponykopf im Portemonnaie: Note ungenügend

Die Nationalbank lässt über die künftigen Banknoten abstimmen. Zwölf Vorschläge stehen zur Wahl. Es geht von ganz schlimm bis zu ein bisschen okay. Eine Polemik.

Das kostet drei Geissen, zwei Hasen und zwei Eulen. Also 3440 Franken. So könnten Gespräche laufen, wenn sich Konzept A der neuen Banknoten durchsetzt. Zwölf solcher Konzepte hat die Schweizerische Nationalbank aufgeschaltet und lässt – ganz demokratisch – die Bevölkerung mitbestimmen. Viele der Entwürfe können eigentlich nur einen Zweck haben: Bargeld auf dem Schleichweg abzuschaffen. Sie sind visuell eine derartige Zumutung, dass zwangsläufig lieber mit dem Kärtli bezahlt wird.

Dabei irritieren sie auf unterschiedlichen Ebenen. Beginnen wir mit dem Offensichtlichsten: dem sehr verschwenderischen Einsatz von knalligen Farben. Die Schweizer und Schweizerinnen sind ein dezentes Völkchen, bei «Konzept L» leuchten die Noten aber derart, dass sie wohl selbst durchs Portemonnaie drücken. Flackert der Vordermann Gelb-Grün-Violett, hat er wahrscheinlich 10er-, 50er- und 1000er-Noten in der Hintertasche. Taschendiebe dürften sich über die Gratis-Tipps freuen.

Der Luchs mit den stechenden Augen.
Bild: SNB

Komplett rätselhaft bleibt Konzept F. Auf der einen Seite prangen futuristisch wirkende Naturmaschinen, oder wie es im Eigenbeschrieb heisst: «Im Zentrum steht der Gedanke der gesellschaftlichen, kulturellen und geografischen Veränderung.» Aha. Wird die Note umgedreht, sind da pokémonartige Wesen. Besonders der prähistorisch anmutende Luchs (es könnte aber auch etwas ganz anderes sein) auf der 50er-Note wirkt mit seinen stechenden Augen und den ausgefahrenen Krallen beinahe bedrohlich.

Allgemein Tiere: Die Notenzeichnerinnen und -zeichner mögen ganz offensichtlich Tiere. Steinböcke, Bernhardiner, Kühe und sehr, sehr viele Vögel zieren die möglichen neuen Wertpapiere. Thema des Wettbewerbs war «Die Schweiz und ihre Höhenlagen». Die Noten sollen das «vielfältige Leben in der Schweiz wiedergeben, welches sich auf den unterschiedlichen Höhenlagen abspielt». So vielfältig ist das Leben nicht. Es sind anscheinend vor allem Tiere. Mal sehr konkret wie etwa die Biene in Konzept E, mal erinnert es an ein Federica-de-Cesco-Pferdebuch-Pferd wie bei Konzept I.

Ist es Stein? Oder eine Drogenpille?
Bild: SNB

Irgendwie funky, aber auch irgendwie beängstigend ist Konzept H. Neonleuchtende Steine schweben im luftleeren Raum. Es gemahnt leicht an Fotos von Drogenpillen und könnte unter dem leichten Einfluss von halluzinogenen Stoffen wohl zu Schaum vor dem Mund führen. Auf der Rückseite strahlen einem schroffe Bergreliefs so plastisch entgegen, dass sie beinahe spürbar sind. «Gestein als Sinnbild geografischer Herkunft und ökonomischer Substanz», heisst es im Konzeptbeschrieb. Hart wie Granit, wertvoll wie Diamant! Dagegen sind Dollar und Euro bestenfalls Kuchenbrösel.

Polenta sieht von oben nicht wahnsinnig fein aus.
Bild: SNB

«Unser Notenentwurf ist der erste, der als Hauptelement auf die helvetische Esskultur setzt», schreiben die Gestalter von Konzept A. Rasch wird klar, warum das vorher noch niemand gemacht hat: Es sieht unappetitlich aus. Die Polenta (?) auf der 10er-Note und die Fruchtwähe (?) auf der 20er-Note könnten auch als Nahaufnahmen von Viren in der Coronazeit durchgehen. Richtig Hunger macht nur die Bündner Nusstorte auf der 1000er-Note. Fürs Fussvolk die Polenta, für die Reichen die Nusstorte. Kulinarik als Aufruf zum Klassenkampf. Auf Banknoten!

Dann kommen noch ein paar der obligaten grafischen Spielereien (Konzept C und E) mit lässigen Kreisen und Vierecken (oder ganz verrückt: Halbkreise), die eingeflochten werden. Konzept D kontrastiert mit dem Charme von Schulbuchabbildungen Natur und Technik (auch so ein Notenklassiker). Bei G wird alles, wirklich alles von Uhrenindustrie und Demokratie über Skitouren bis Internet auf die Noten gepackt: Innovationsland Schweiz! Es bleibt treuherzig harmlos wie der Bernhardiner auf der 200er-Note. Immerhin hat der ein Schnapsfässchen um den Hals. Der Glückliche.

Zurück bleiben eigentlich nur Konzept B und K. Die beiden Langweiler unter den Konzepten. Sie punkten mit Schlichtheit. Oder damit, dass sie einen nicht sonderlich verstört zurücklassen (aber warum braucht es eigentlich so wichtigtuende Linien, die irgendwas darstellen wollen?).

Spätestens jetzt ist klar: Bargeld muss bleiben. Über was wollen wir uns auch sonst aufregen?