In der Politik ist Bescheidenheit ein schlechter Ratgeber. Wer eine Milliarde Franken will, muss zwei fordern. Wer fünf Jahre will, muss zehn verlangen. Nur gibt das selten ein Politiker zu. Belegen lässt es sich nun aber im Fall von Verteidigungsminister Guy Parmelin.
Als er diese Woche seinen Bundesratskollegen den Wunschzettel für neues Kriegsgerät unterbreitete, verlangte er 16 Milliarden Franken für das kommende Jahrzehnt: neun für neue Kampfjets und eine neue Fliegerabwehr, sieben für die Bodentruppen. Um die zusätzlichen Milliarden zu finanzieren, soll das Armeebudget bis 2032 wachsen – um 1,5 Prozent jährlich. Seine Regierungskollegen liessen ihn fürs Erste abblitzen.
Parmelins Poker
Wie Recherchen zeigen, dürfte man selbst im Verteidigungsdepartement (VBS) davon ausgehen, dass die Forderung das politisch Machbare übersteigt. Das Departement von Parmelins Parteikollege Ueli Maurer stellte Ende 2016 in einer Powerpoint-Präsentation zwei Finanzierungszenarien auf.
Szenario 1 sah ein jährliches Realwachstum der Armeeausgaben im kommenden Jahrzehnt um 1,6 Prozent vor, versehen mit der Bezeichnung «optimistisch»; also fast genau so viel, wie Parmelin am Mittwoch im Bundesrat verlangte. Szenario 2 fiel mit einem Wachstum von 0,8 Prozent pro Jahr deutlich bescheidener aus und trug den Titel «realistisch». In absoluten Zahlen beträgt der Unterschied zwischen Szenario «optimistisch» und «realistisch» 2,3 Milliarden Franken.
Mitglieder der von Parmelin eingesetzten Kampfjet-Begleitgruppe bestätigen, dass mit den Bezeichnungen «optimistisch» und «realistisch» die politischen Erfolgschancen des jeweiligen Szenarios gemeint sind. Die Gruppe befasste sich von 2016 bis im Mai dieses Jahres mit der Beschaffung eines neuen Kampfflugzeuges sowie einer neuen Fliegerabwehr.
Die etwas mehr als ein Dutzend Mitglieder setzten sich aus Vertretern der Bundesratsparteien, der Armee, der Bundesverwaltung und den Wirtschaftverbänden zusammen. Sie erhielten einen vertieften Einblick in die Vorbereitungsarbeiten der Expertengruppe des VBS.
Sprecher Renato Kalbermatten will auf Anfrage nicht zu den Szenarien «optimistisch» und «realistisch» Stellung nehmen. Der Bundesrat habe eine erste Diskussion zu diesem Dossier geführt und werde sich in einer kommenden Sitzung weiter damit befassen. «Wir äussern uns deshalb nicht zu diesem Dossier oder Ihnen vorliegenden Dokumenten.»
Strategische Überlegungen prägten bereits die Diskussionen in der Begleitgruppe. Das bürgerlich geprägte Gremium regte unter anderem an, dass das VBS in seinem Bericht zum neuen Kampfflugzeug «aus taktischen Gründen» nicht nur drei, sondern vier Optionen vorlegt. «Weil man bei drei Optionen immer zur Mitte tendiert», wie aus einem Protokoll hervorgeht.
Im Bundesrat plädierte Parmelin für 30 bis 40 neue Kampfjets, was den Optionen 2 und 3 entspricht. Option 1 ist die Maximalvariante und umfasst 55 bis 70 moderne Kampfflugzeuge für bis zu 18 Milliarden Franken (inklusive Fliegerabwehr). Option 4 sieht lediglich 20 neue Kampfflugzeuge zum Preis von total fünf Milliarden Franken vor.
Wunschzettel weiterhin möglich
Trotz Widerstand aus dem Bundesrat ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass sich Parmelins Rüstungswunschzettel erfüllen wird. Anders als die Landesregierung zeigte sich das Parlament in den vergangenen Jahren immer wieder offen für Erhöhungen des Armeebudgets.
Die grösste Hürde stellt ohnehin nicht die Bundesversammlung, sondern das Stimmvolk dar: Der Verteidigungsminister möchte den Kredit für neue Kampfjets und Fliegerabwehr in der Höhe von neun Milliarden Franken in einem referendumsfähigen Planungsbeschluss dem Parlament unterbreiten, wie der «Tages-Anzeiger» bereits am Dienstag berichtete. Sollte die Vorlage im National- und Ständerat eine Mehrheit finden, wäre eine Volksabstimmung so gut wie sicher. Der Urnengang dürfte voraussichtlich 2019 stattfinden.
Was Guy Parmelin nachdenklich stimmen muss: Sein Vorgänger im VBS, Ueli Maurer, scheiterte 2014 bei der Abstimmung über den Kauf von 22 schwedischen Gripen-Kampfjets bereits an einem Betrag von 3,1 Milliarden Franken. 53,4 Prozent legten damals ein Nein ein. Beim dreifachen Betrag wäre die Herausforderung ungleich grösser.