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Vatikan

Papst warnt in Öko-Enzyklika vor "selbstmörderischem" Verhalten

Die Erde eine riesige Müllhalde, die der Katastrophe entgegen schlittert: In deutlichen Worten kritisiert der Papst die Wegwerfgesellschaft, Umweltzerstörung und globale Gleichgültigkeit. Sein Öko-Manifest ist eine Ohrfeige für Politik und Wirtschaft.

Wie sehr sich Franziskus um die Schöpfung und damit um die Zukunft der Menschheit sorgt, lässt sich schon am Vorwort zu dem gestern im Vatikan vorgestellten päpstlichen Weltrundschreiben ablesen: Die Enzyklika richte sich, schreibt das 78-jährige Kirchenoberhaupt, nicht nur an die katholischen Gläubigen, sondern an «alle Menschen guten Willens».

Damit bezieht sich der Papst auf Johannes XXIII., der mit seiner 1963 erschienenen Enzyklika «Pacem in Terris» dasselbe getan hatte. Die «Friedensenzyklika» war kurz nach der Kuba-Krise veröffentlicht worden, in der die Menschheit auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges haarscharf an einem Atomkrieg vorbeigeschrammt war.

Mit der Enzyklika «Laudato si’» («Gelobt sei sie») widmet sich Franziskus gut 50 Jahre später einer neuen globalen Bedrohung: der Zerstörung der Umwelt und der Klimaerwärmung. Der Titel des Dokuments ist nicht zufällig gewählt: Es handelt sich um ein Zitat aus dem «Sonnengesang» des heiligen Franz von Assisi, in dem der Namenspatron des Papstes die Schöpfung preist. In der Enzyklika geht es um «die Pflege des gemeinsamen Hauses» (so der Untertitel). Der Papst zieht in dem Dokument eine niederschmetternde Bilanz: «Niemals haben wir dieses Haus so schlecht behandelt und verletzt wie in den letzten beiden Jahrhunderten», schreibt Franziskus. «Wenn jemand die Erdenbewohner von aussen beobachten würde, würde er sich über unser Verhalten wundern, das bisweilen selbstmörderisch erscheint.»

Industrieländer in der Pflicht

Franziskus beklagt in seiner Enzyklika die Verschmutzung und Verknappung des Wassers, die Verschwendung von natürlichen Ressourcen und die Produktion von täglich Millionen Tonnen Abfall: Die Erde, «unser Zuhause», scheine sich in eine «unermessliche Mülldeponie» zu verwandeln. Die Menschheit müsse zur Kenntnis nehmen, dass sie ihren Lebensstil, ihre Produktionsmethoden und ihr Konsumverhalten ändern müsse. Wegen der Erwärmung des Weltklimas, die wissenschaftlich erwiesen sei, fordert der Papst die Abkehr von fossilen Brennstoffen zugunsten erneuerbarer Energieträger. In der Pflicht sieht Franziskus in erster Linie die reichen Industrieländer, die für den mit Abstand grössten Teil des Ausstosses von Treibhausgasen verantwortlich sind.

Die Ärmsten leiden am meisten

Franziskus weist darauf hin, dass es vor allem die Ärmsten seien, die unter der Umweltverschmutzung und der Klimaerwärmung leiden müssten. Mit der egoistischen Ausnützung der Ressourcen bereicherten sich die Wohlhabenden, während die Umweltlasten nur allzu oft diejenigen tragen müssten, die von dieser Ausbeutung nichts hätten. Diese Ungerechtigkeit sei auch eine der Ursachen für die aktuellen Migrationsströme. Die Politik müsse erkennen, dass ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz verwandeln müsse: Gerechtigkeit als Teil der Umweltdiskussion.

In der Enzyklika rechnet Franziskus nicht nur mit der herrschenden «Wegwerfkultur» der Reichen ab, sondern auch mit dem «irrationalen Vertrauen auf den technischen Fortschritt» und dem «Glauben an einen vergötterten Markt». Die «Unterwerfung der Politik unter die Technologie und das Finanzwesen» zeige sich in der Erfolglosigkeit der Weltgipfel über Umweltfragen, beklagt der Papst. Niemand verlange, «in die Zeit der Höhlenmenschen zurückzukehren». Es sei aber unerlässlich, einen Gang zurückzuschalten und die «Realität mit anderen Augen zu sehen».

Franziskus hatte schon vor der Vorstellung der Enzyklika betont, dass Umweltschutz und Gerechtigkeit keine «grüne» oder gar «kommunistische» Anliegen seien, sondern christliche. Ein Abschnitt ist deshalb der theologischen Begründung seiner Thesen gewidmet. Der päpstliche Grundgedanke: Die Einladung Gottes an die Menschen, sich «die Erde Untertan zu machen», sei kein Freipass zur verantwortungslosen Ausplünderung der Natur. «Jede Gemeinschaft darf von der Erde das nehmen, was sie zu ihrem Überleben braucht, hat aber auch die Pflicht, sie zu schützen und das Fortbestehen ihrer Fruchtbarkeit für die kommenden Generationen zu gewährleisten», schreibt Franziskus. In den geschundenen Böden und Tieren, im verschmutzten Wasser und der Luft werde «die Sünde des verletzten menschlichen Herzens deutlich».

Den Kommentar von Italien-Korrespondent Dominik Straub lesen Sie hier.