notifications
Deutschland

Zwischen Corona und Sektlaune

In der Hoffnung auf ein Ende der Corona-Pandemie haben Menschen in aller Welt das Jahr 2021 begrüsst. In Deutschland wirkten viele Strassen wie leer gefegt, es waren weniger Menschen unterwegs als sonst zu Silvester. Geböllert wurde aber trotz des Verkaufsverbots, auch Feuerwerk leuchtete am Himmel. Grössere Vorfälle wurden zunächst kaum gemeldet - allerdings brannte in Berlin ein Supermarkt mit darin lagernden Feuerwerkskörpern aus und hielt Dutzende Einsatzkräfte in Atem.
Polizisten und ein Rettungssanitäter stehen an einer Kreuzung. Die Stadt Leipzig hatte für die Silvesternacht Versammlungen verboten und in drei Zonen - darunter am Connewitzer Kreuz - ein Böllerverbot erlassen. Foto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa
Bild: Keystone/ZB/Sebastian Willnow

Die grösste Silvesterparty Deutschlands und das Höhenfeuerwerk am Brandenburger Tor in Berlin waren wegen des geltenden Lockdowns abgesagt worden. Private Feiern waren bundesweit nur in kleinem Rahmen erlaubt. Zudem galt vor Silvester ein grundsätzliches Verkaufsverbot von Feuerwerk - vor allem um typische Verletzungen zu vermeiden und so die Krankenhäuser zu entlasten.

Das gelang zwar grösstenteils, aber nicht überall. So hantierte ein 63-jähriger Mann in Brandenburg mit einem illegalen Böller und verlor seine Hand, als der sich entzündete. Überhaupt knallten in vielen Städten trotz des Verkaufsverbots zahlreiche Böller und Raketen - besonders in Berlin. Wie andernorts sprach die Polizei auch dort trotzdem von einer ungewohnt ruhigen Silvesternacht - mit einer grossen Ausnahme.

In Berlin-Buckow ging ein rund 800 Quadratmeter grosser Supermarkt in Flammen auf und stürzte teils ein. In einem Teil des Gebäudes schienen Feuerwerkskörper gelagert worden zu sein, die explodierten und durch die Gegend flogen, wie ein Feuerwehrsprecher schilderte. Die rund 100 angerückten Einsatzkräfte konnten nur von aussen gegen die Flammen kämpfen. Menschen seien nicht in Gefahr, hiess es. Verletzt wurde nach ersten Erkenntnissen niemand.

Gut zu tun hatten die Einsatzkräfte auch in Leipzig, wo sieben Bundeswehr-Jeeps auf dem Gelände eines Autohandels ausbrannten. Die Polizei ging von Brandstiftung aus. In Essen setzten rund 30 Jugendliche zunächst Mülltonnen in Brand und bewarfen dann anrückende Feuerwehrkräfte massiv mit Böllern, wie ein Polizeisprecher sagte. Zur Verstärkung eilende Polizisten seien ebenfalls mit Feuerwerkskörpern beworfen worden. Einen 16-Jährigen nahmen die Beamten schliesslich fest, verletzt wurde keiner der Einsatzkräfte.

In Berlin, aber auch andernorts musste die Polizei zudem immer wieder kleinere Menschengruppen auflösen. Mehr als 80 Regelbrecher wurden dort vorübergehend festgehalten wegen Verstössen gegen das Infektionsschutzgesetz, wie ein Sprecher sagte. Mindestens drei Beamte wurden demnach im Einsatz leicht verletzt, konnten den Dienst aber fortsetzen. Polizeisprecherin Patricia Brämer fand dennoch lobende Worte. "Wir möchten uns bei den vielen Berlinerinnen und Berlinern bedanken, die sich an die Verordnungen gehalten haben."

Die meisten Berliner feierten im kleinen Kreis ins neue Jahr. Die Massnahmen stiessen bei vielen auf Verständnis. Manche, wie der 49-jährige Stefan, der mit einer Freundin in Neukölln spazierte, fanden es sogar "ganz hervorragend, dass weniger geballert wird". Zwei 25 Jahre alte Frauen konnten das Verbot ebenfalls "voll nachvollziehen", freuten sich aber auch ein bisschen über den zivilen Ungehorsam, den sie auf der Strasse sahen.

Am Brandenburger Tor herrschte ungewohnte Leere. Das ZDF strahlte seine traditionelle Silvestershow live, aber ohne Publikum vor Ort aus, der Applaus kam vom Band. Fernsehzuschauer konnten sich bewerben, um über Video in der Sendung "Willkommen 2021" eingeblendet zu werden. Im Showprogramm traten Álvaro Soler, Vicky Leandros und Jürgen Drews mit Tochter Joelina auf. Thomas Gottschalk grüsste per Videoschalte aus Baden-Baden.

Und wie wurde sonst in Deutschland gefeiert? Tendenziell ruhig. "Kein Vergleich mit vorangegangenen Jahren", sagte ein Polizeisprecher in Mainz. Ähnliches war aus München, Bremen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern zu hören. Die Düsseldorfer Innenstadt, wo ein Böllerverbot galt, war bis kurz vor Mitternacht menschenleer. Aus Hamburg hiess es vom Lagedienst, vereinzelt hätten Beamte Feuerwerkskörper eingesammelt, die Strassen seien aber zunächst sehr leer gewesen.

Anders war die Lage in der Oberpfalz, wo die Polizei in der Silvesternacht zu rund 30 Einsätzen wegen möglicher Verstösse gegen die Infektionsschutzmassnahmen fuhr und mehrere Neujahrspartys auflöste. Durch Beschwerden wegen Ruhestörung sei man dort auf Feiern mit vielen Haushalten und Verstösse gegen die Ausgangsbeschränkungen aufmerksam geworden, hiess es. Auch in Stuttgart kam es bei fünf genehmigten Demonstrationen gegen die Corona-Politik der Bundesregierung und Landesregierung Baden-Württembergs mit Hunderten Teilnehmern wiederholt zu Verstössen gegen die Auflagen.

Insgesamt erinnerte das Bild in deutschen Städten aber eher an den TV-Silvesterklassiker "Dinner for One" (Abendessen allein), bei dem sich zwei Menschen mit Freunden betrinken, die gar nicht anwesend sind. Manche kochten Fondue zu zweit, andere bestellten sich das Gourmet-Menü aus dem Restaurant für zu Hause oder trafen sich in Sektlaune mit der Familie in einer Videokonferenz.

In vielen Ländern der Welt fielen die Silvesterfeiern wegen der Corona-Pandemie verhaltener aus als sonst. Nicht nur in Italien und Frankreich herrschten nächtliche Ausgangssperren. Viele Partys und Feuerwerke wurden abgesagt, darunter Festivitäten in Amsterdam, London und Rio de Janeiro.

In der italienischen Stadt Bergamo, die bei der ersten Corona-Welle im Frühjahr besonders viele Tote zu beklagen hatte, war manchen gar nicht zum Feiern zumute. Die Verantwortlichen dort organisierten dann aber doch ein spezielles Event mit TV-Aufzeichnung, um das Coronavirus - oder besser das ganze Jahr 2020 - symbolisch zu verbrennen, wie es hiess.

In Griechenland wurde der Jahreswechsel landesweit mit riesigen Feuerwerken gefeiert - es wurde weitaus mehr geböllert als zuvor. Medien berichteten von "einer der spektakulärsten pyrotechnischen Shows aller Zeiten". Feuerwerk zu Silvester ist in Griechenland längst nicht so üblich wie in Deutschland. Weil dieses Jahr aber ein Ausgangsverbot galt, überboten sich Städte in Sachen Pyrotechnik.

Während das berühmte Pariser Feuerwerk in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie entfallen musste, kamen Elektro-Liebhaber auf ihre Kosten. Gleich zwei Stars inszenierten Shows vor der Kulisse von Pariser Wahrzeichen: Elektropop-Pionier Jean Michel Jarre (72) läutete das neue Jahr in einer virtuellen Notre-Dame-Kathedrale ein, Elektro-DJ David Guetta (53) beglückte seine Fans mit einer aufgezeichneten Musikshow vor dem Louvre.

In vielen Ländern begann das neue Jahr schon deutlich früher: Als weltweit Erste - bereits um 11 Uhr mitteleuropäischer Zeit - rutschten die Südsee-Inseln Samoa und Kiribati ins neue Jahr. Auch dort war die Neujahrsstimmung wegen Corona gedämpft.

Eine Stunde später schossen in Neuseeland die Feuerwerkskörper in die Höhe. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern verzeichnete der Inselstaat im Südpazifik seit mehr als einem Monat keine lokalen Corona-Fälle mehr. Daher fanden Musikfestivals und Feuerwerksshows ohne Begrenzungen der Besucherzahl oder andere Einschränkungen statt. Am Hafen und Opernhaus von Sydney in Australien waren beim Feuerwerk diesmal keine Zuschauer zugelassen.

Mit einem farbenprächtigen Feuerwerk samt Lasershow am höchsten Gebäude der Welt - dem Burdsch Chalifa - begrüsste Dubai das neue Jahr. In Moskau gab es trotz Corona-Sperrstunde ein grosses Feuerwerk am Kreml.

In anderen Ländern müssen sich die Menschen noch etwas gedulden - so auch in den verschiedenen Zeitzonen der USA: New York kann das neue Jahr erst um 6.00 Uhr MEZ mit dem "Ball Drop" am Times Square begrüssen, bei dem ein leuchtender Kristallball an einem Mast hinabgelassen wird - diesmal aber vor wenigen Schaulustigen statt wie sonst Tausenden. Um 9.00 Uhr folgt Los Angeles an der Westküste und erst um 11.00 Uhr Honolulu im Bundesstaat Hawaii.

Bis 13.00 Uhr MEZ am 1. Januar dauert es, bis der ganze Globus ins neue Jahr gerutscht ist. Als letztes sind die Bakerinsel und die Howlandinsel im Pazifik dran. Stören dürfte sich daran niemand: Beide Inseln sind unbewohnt. (sda/dpa)