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Bayern

Sorge um weitere Tote nach Zugunglück

Noch immer liegen die Waggons umgestürzt neben dem Gleis. Fenster sind herausgebrochen, Trümmer liegen verstreut. Die ganze Nacht haben die Helfer bei Flutlicht gearbeitet. Mit zwei Kränen und Luftkissen haben sie versucht, die Tonnen schweren Zugteile zu heben - zunächst ohne Erfolg. Oben an der Autobrücke neben dem Unglücksort haben Menschen einen Blumenstrauss niedergelegt.
Bild: Keystone/dpa/Sven Hoppe

Am Freitag ist hier in der oberbayerischen Ferienregion ein Regionalzug entgleist. Es ist eines der schwersten Bahnunglücke der vergangenen Jahre in Deutschland. Es gibt mindestens vier Tote und drei Schwerverletzte, zudem ungefähr drei Dutzend Leichtverletzte. Bei den Toten soll es sich nach Angaben von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im Bayerischen Rundfunk um Frauen handeln.

Am Morgen danach ist aber noch immer nicht klar, ob unter den Trümmern sogar noch weitere Opfer liegen. Denn eine einstellige Zahl von Menschen wurde am Samstag noch immer vermisst. Von etwa sieben sprach Herrmann nach BR-Angaben.

Die Hoffnung: Dass diese Menschen anderweitig unterwegs waren und sich noch melden. "Wir hoffen sehr, dass es keine weiteren Todesfälle gibt", sagt Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der sich am Samstag sichtlich erschüttert selbst ein Bild von der Lage macht.

Der Zug war auch mit Schulkindern besetzt - am letzten Schultag vor den Pfingstferien. "Es ist kurz vor den Ferien, im Zug ausgelassene Stimmung, in einer der schönsten Regionen, die Bayern ja hat - und dann passiert sowas und verändert möglicherweise ein Leben komplett", schildert Söder. Er spricht von einem Schock und einem "Stich ins Herz". "Es ist ein unfassbares Ereignis." Es ist eines der schwersten Bahnunglücke der letzten Jahre.

Die Ursache des Unglücks ist weiter unklar. Auszuschliessen ist laut Polizei bisher nur eine Kollision mit einem anderen Fahrzeug. "Die genaue Unfallursache steht noch nicht fest. Vor Ort waren alle Experten der Meinung, dass die wahrscheinlichste Ursache ein technischer Defekt am Gleis oder am Zug sein müsste", sagt Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) am Samstag.

Auch am Samstag kreist immer wieder ein Hubschrauber über dem Unfallort. Mit Kettensägen hatten die Helfer bereits am Vorabend zahlreiche Bäume zwischen Gleis und der daneben laufenden Bundesstrasse gefällt, um besser arbeiten zu können. Leitplanken wurden weggeschnitten. Zwei Mal versuchten die Kräfte in der Nacht vergeblich, einen komplett umgestürzten Waggon zu heben.

Darunter so fürchten die Helfer, könnten noch Tote liegen. Erst wenn das geklärt ist und mögliche weitere Opfer geborgen sind, kann der Abtransport der havarierten Waggons beginnen, wie THW-Einsatzleiter Bernhard Schrallhammer sagt. Er ist wie viele seiner Kollegen seit 20 Stunden auf Beinen.

Bis zu 650 Helfer waren laut Innenministerin Nancy Faeser im Einsatz, sie hatte sich schon am Freitagabend selbst ein Bild von der Lage gemacht. Erwartet wurden am Samstag noch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Bahnchef Richard Lutz.

Das Heben des an die 50 Tonnen schweren Waggons gestaltet sich schwierig. "Die verunglückten Zugteile sind stark ineinander verkeilt und verdreht, man muss da Schritt für Schritt vorgehen, Teile wegflexen", sagt Martin Emig, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd.

Die Arbeiten werden noch dauern, die Rede war von ein oder eher Wochen. Wohl eine Woche werde einseitig auch die Bundesstrasse neben den Gleisen gesperrt bleiben, sagt Emig. Bernreiter hatte am Vortag bereits gemahnt, Garmisch-Partenkirchen weiträumig zu umfahren - und mit dem Zug wird eine Anreise schwierig - "und dass die Werdenfelsbahn die nächsten Tage über Pfingsten nicht befahrbar sein wird, das kann man schon definitiv sagen".

Schlechte Nachrichten just vor den Ferien auch für die Garmischer, die sich gerade auf den G7-Gipfel Ende Juni auf Schloss Elmau vorbereiten - und auch dann weniger Touristen, zugleich aber erhebliche Einschränkungen auf sich zukommen sehen. Herrmann sagte dem Bayerischen Rundfunk: "Man muss ohnehin sehen, inwieweit mit Blick auf den G7-Gipfel Baumassnahmen durchgeführt werden können". Während des Gipfels Ende Juni im nahen Schloss Elmau würde die Strecke Garmisch-Mittenwald gesperrt. (sda/dpa)