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Deutschland

Heidi Klum rechtfertigt sich zu Vorwürfen

Seit 17 Jahren schon läuft "Germany's Next Topmodel" mit Heidi Klum in verlässlicher Regelmässigkeit auf ProSieben und ebenso lange gibt es Kritik an dieser Show: das Frauenbild problematisch, das Schönheitsideal auch - und Ex-Teilnehmerinnen erhoben Manipulationsvorwürfe.
Bild: Keystone/dpa/Kay Nietfeld

Zuletzt tat das Model Tessa Bergmeier. Die 33-Jährige behauptete zwar flüsternd, aber natürlich für Millionen Zuschauer gut hörbar am Lagerfeuer des RTL-"Dschungelcamps", die Szene, in der sie nach ihrem Ausscheiden in der "GNTM"-Staffel von 2009 ihren Mittelfinger in die Kamera reckte, sei- wie so vieles - aus dem Zusammenhang gerissen worden: "Die haben ein Monster aus mir gemacht."

Klum nahm all diese Kritik bislang weitgehend stoisch hin, liess sie abperlen, lächelte sie weg. Doch nun scheint ihr der Kragen geplatzt zu sein: Zum Start der 18. Staffel am Donnerstagabend holte sie zum Rundumschlag aus und sagte, was sie wohl schon länger sagen wollte.

"Nachdem ich mir so viele Sachen anhören musste, vor allem im letzten Jahr, möchte ich jetzt auch einmal Stellung beziehen, liebe Zuschauer", eröffnet die 49-Jährige ihre rund zehnminütige Verteidigungsrede. Dazu werden Schlagzeilen von kritischen Medienberichten eingeblendet, die ein dogmatisches Schönheitsideal kritisieren oder der Show vorwerfen, sie schreibe sich nur zum Schein das Thema "Diversity", also körperliche Vielfalt, auf die Fahnen.

Der Elternratgeber "Flimmo" zeigte sich auch vor der aktuellen Staffel sehr kritisch, was die Show angeht: "Vor allem Äusserlichkeiten und Selbstdarstellung, Konkurrenzkampf und Anpassung zählen", so das Urteil. "Und auch wenn mittlerweile unterschiedliche Körperformen gezeigt werden, wird insgesamt ein sehr einseitiges Schönheitsideal propagiert."

Dabei sei ihr das Ganze wirklich eine Herzensangelegenheit, hält Klum gegen diese Vorwürfe - auch aus eigener Betroffenheit. "Ich komme aus einer Zeit, in der die Branche noch ganz anders funktioniert hat", sagt die vierfache Mutter. Wer nicht in eine Grösse 34 gepasst habe, habe nach Hause gehen können - das habe auch sie selbst oft getroffen.

Dazu sind Interview-Ausschnitte aus ihrer Anfangszeit als Model zu sehen, in denen sie darüber spricht, für viele Jobs einfach zu kurvig zu sein. "Das war meine Schule", sagt sie. "Heute herrschen zum Glück andere Zeiten."

Dass die Teilnehmerinnen ihrer Show nur wenig essen dürften, sei Quatsch. "Am Set gibt es Catering und der Kühlschrank ist stets gefüllt", sagt sie. "Meine Models müssen nicht hungern."

Und manipuliert werde auch nicht: "Wir können eine Person nur so darstellen, wie sie ist. Wir erschaffen also auch mit Hilfe des Bildschnittes keinen anderen Menschen", betont Klum und geht damit auch auf Vorwürfe der früheren Topmodel-Kandidatin Lijana Kaggwa ein, die im vergangenen Jahr - kurz vor dem Finale der Staffel von 2022 - in einem Youtube-Video unter anderem angegeben hatte, die Produktion nehme Einfluss darauf, wer auf dem Laufsteg stürze und creme darum einigen Kandidatinnen die Füsse ein.

Designer Wolfgang Joop sass 2014 und 2015 zwei Staffeln lang mit Klum in der Jury. Ob eine Kandidatin weiterkomme, hänge allein von Klum ab, sagte er dem "Spiegel". Er nannte sie "eine gefürchtete Scharfrichterin".

Dabei spiele aber auch eine gewisse Dramaturgie eine Rolle: "Das Timing wird von der Redaktion mitbestimmt. Die sagen dann so was wie: "Lass die noch nicht gehen, da kommt noch der Boyfriend, das gibt viele Freudentränen, das nehmen wir noch mit"." Er habe während der Drehs gemerkt, "wie emotional anstrengend das alles für die Mädchen ist", sagte Joop, der "das Kompetitive" an der Show aber durchaus schätzt. "Ich wollte für sie da sein, habe sie spontan in die Arme genommen, wenn die Tränen kamen."

"Wir sind eine Reality-Sendung und zeigen genau das, was passiert", sagt Klum in ihrer Verteidigungsrede, die übrigens nur bei der ersten TV-Ausstrahlung um 20.15 Uhr zu sehen war - nicht im Stream und nicht bei der Wiederholung der Sendung in der Nacht.

"Manche Dinge wiederholen sich nicht im Leben. Und für andere ist 20.15 Uhr auf ProSieben die beste Zeit", teilte Sendersprecher Christoph Körfer dazu am Freitag mit.

Die Zuschauerzahlen blieben trotzdem hinter denen aus dem vergangenen Jahr zurück: Im Schnitt 1,73 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten den Staffelstart. Das entsprach im Gesamtpublikum einem Marktanteil von 7,3 Prozent. Vor einem Jahr schauten den Auftakt noch etwa 300 000 mehr, vor zwei Jahren sogar etwa 600 000.

Peyman Amin, der von 2006 bis 2009 Juror bei "Germany's Next Topmodel" war, sieht in der Verteidigungsrede den Versuch, "einen Scherbenhaufen zusammenzukehren", wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte. Schliesslich sei die Kritik an der Show mit den Jahren nicht weniger geworden - im Gegenteil. "Es werden ja immer mehr Stimmen laut und ich habe den Eindruck, dass sich die Situation verschlechtert hat. Das sind Ansätze von Heidi und dem Sender, die eigene Haut zu retten." (sda/dpa)