«War es eine Ohrfeige?», fragt das Pariser Newsportal Linternaute, und weiter: «Machen Emmanuel und Brigitte Macron eine Ehekrise durch? Verbergen sie einen Streit, der so lebhaft ist, dass er sich in körperlichen Reaktionen äussert?»
Von solchen Fragen wimmelte es am Montag im Internet, nachdem ein Kameramann der Agentur AP die Ankunft der Macrons in Hanoi, der Hauptstadt Vietnams, gefilmt hatte. Auf dem Video sieht man Macron noch im Innern des Flugzeugs, dessen Tür sich gerade geöffnet hat. Mit einem Mal schiesst ein rot gekleideter Arm vor, seine Hand drückt sich in das Gesicht des französischen Präsidenten. Auch nach mehrmaligem Abspielen des Videos lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob es ein aggressiver Schlag wie eine Ohrfeige war – oder eine mehr oder weniger scherzhaft gemeinte «Geh doch»-Geste zum Abschluss eines vorausgegangenen Disputs.
Natürlich verbreitete sich das Video dieses Zwischenfalls sogleich hunderttausendfach im Web. Das Präsidialamt im Élysée-Palast dementierte zuerst jede Auseinandersetzung der Macrons. Doch der vorschnellende Arm gehört unbestreitbar der First Lady: Brigitte Macron trat nach der Szene in einem gleichfarbigen Kleid auf die Rolltreppe ihres Flugzeuges.
Nun änderte das Élysée die Version: Die Rede war von einem «Moment der Vertraulichkeit». Danach sah es allerdings nicht aus, als das Paar das Flugzeug verliess: Sie wies seinen angebotenen Arm auf der Rolltreppe schroff zurück. Später bagatellisierte Macron die «Eheszene» als einen «Jux». Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Version zutrifft. Indem das Élysée aber zuerst die Unwahrheit deklamierte, macht es sich selber unglaubwürdig.
Und darin liegt die politische Bedeutung des viralen Videos. In den letzten Wochen hatte sich Macron bemüht, seine präsidiale Aura mit Auftritten auf dem internationalen Parkett zu stärken. Als geohrfeigter Staatschef macht er den Imagegewinn buchstäblich auf einen Schlag zunichte.
Einer der ersten Sender, der darüber berichtete, war Russia Today, zuständig für die Verbreitung der Kreml-Propaganda in der ganzen Welt. In Paris hatte dieser Lügensender schon französischen Moderatoren mit künstlicher Intelligenz zubereitete Falschaussagen in den Mund gelegt.
Das vermeintliche Säckchen Kokain
Vor zwei Wochen kolportierten Moskauer Medien, Emmanuel Macron habe bei der gemeinsamen Zugfahrt mit Bundeskanzler Friedrich Merz und dem britischen Premier Keir Starmer ein Säckchen Kokain vor sich auf dem Tisch liegen gehabt. Vor zwei Jahren schon habe er zudem vor laufender Kamera eine Rolex-Uhr diskret abgelegt.
Beide Behauptungen erwiesen sich als Fake News: Im Zug hatte Macron ein Papiertaschentuch vor sich, im Fernsehen trug er keine Rolex. Beide Male entledigte sich Macron aber der beiden Objekte auf eine sonderbar schuldbewusste Art, als hätten sie etwas Schändliches. Auch in Hanoi hob er linkisch die Hand zum Gruss, nachdem ihm aufgegangen war, dass «Macrons Züchtigung», von der im Internet die Rede ist, gefilmt worden war.
Derlei führt in den sozialen Medien sofort zu Verschwörungstheorien aus dem Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Brigitte Macron ist ebenfalls schon Opfer dieser Fake News geworden: Die amerikanische, in Moskau bekannte Influencerin Candace Owens behauptet seit langem, die Première Dame sei in Wahrheit ein Mann. Brigitte Macron, 72, hat Klage eingereicht; in der zweiten Jahreshälfte soll die Verleumderin aus dem Trump-Lager in Paris vor Gericht kommen.
Solche absurden, aber sehr genau gestreuten «Gerüchte» sind Teil der russischen Taktik, alles und sein Gegenteil zu behaupten – sodass am Schluss nichts mehr eindeutig stimmt und Russland auch nicht mehr als Kriegstreiber gegen die Ukraine durchgeht.
Im Internet bleiben solche Zusammenhänge verhüllt; umso grösser ist das Gaudi über die Lehrerin Brigitte Macron, die ihrem einstigen Schüler Emmanuel angeblich eine knallt. «Was für ein Mann, diese Brigitte», flachste einer hämisch, offenbar ohne zu wissen, dass er mit solchen Anspielungen russischen und trumpistischen Theorien nur Vorschub leistet.