notifications
Sonntagspresse

Ökonomen fordern kinderabhängige AHV-Rente ++ Klima-Professor verteidigt Klimakleber ++ Kürzt UBS bis zu 30'000 Stellen?

Die Zeitungen schreiben am heutigen Sonntag, 16. Juli 2023 unter anderem über Kritik an den Klima-Klebern, Ideen für die AHV, die schlechten Schweizer Englisch-Kenntnisse oder den CBD-Boom bei den Boomern.

Klima-Professor verteidigt Klimakleber

Der Berner Klima-Professor Thomas Stocker verteidigt die Klimakleber gegen öffentliche Kritik. Laut SRG-Wahlbarometer regt sich die Schweiz am meisten über Boni von Credit-Suisse-Bankern und über Klimakleber auf.

«Das hat mich wirklich überrascht. Die Klimakleber demonstrieren auf friedliche Weise für ein stabiles Klima, was allen zugutekommt. Klar, sie ecken an, wenn sie sich auf die Strasse kleben und den Verkehr aufhalten. Das kann man aber doch nicht mit der jahrzehntelangen Misswirtschaft und Profitgier Einzelner vergleichen, die eine ganze Institution zu Fall gebracht und viele Tausende Arbeitsplätze gefährdet haben!», sagt Stocker im Interview mit dem SonntagsBlick .

Thomas Stocker ist Professor für Klima- und Umweltphysik an der Universität Bern und einer der weltweit führenden Klimaforscher.
Bild: Keystone

Diese Woche hätten Hitze und Unwetter in der Schweiz erneut die Folgen des Klimawandels aufgezeigt. Zum Argument, Extremsommer habe es schon immer gegeben, sagt Stocker:

«Das stimmt. Aber vergleichen Sie die Sommer der letzten 30 Jahre mit den Sommern der 30 Jahre davor. Da sehen Sie einen eklatanten Unterschied: Viel häufiger, viel intensiver gibt es Extremsommer. Der Grund dafür ist der Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre, also CO2 und Methan, verursacht durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas sowie die weltweite Abholzung und die Nahrungsmittelproduktion.»

Schweizer sprechen schlechter Englisch als die meisten in Europa

Was hat die Schweiz gelacht, als der damalige Bundesrat Ueli Maurer 2019 live bei CNN radebrechte: «I can nothing say to this.» Wir fühlen uns gerne polyglott und überhaupt, Englisch kann doch heute jede und jeder! Offenbar eine Fehleinschätzung. Eine internationale Rangliste der Englischkenntnisse zeigt laut «Sonntagszeitung» , dass die Schweiz europaweit nur auf dem 23. Rang liegt.

Der English Proficiency Index der Sprachschule EF basiert auf den standardisierten Tests, die die EF-Schülerinnen und -Schüler weltweit absolvieren; für den Bericht 2022 konnte auf die Prüfungsresultate von 2,1 Millionen Personen zurückgegriffen werden. Das Fazit: Schweizerinnen sprechen unterdurchschnittlich Englisch, die Schweizer sind knapp über dem Durchschnitt. Besonders verblüffend: Am besten drauf haben es die 31-40-Jährigen, gefolgt von den Über-41-Jährigen - und am schlechtesten ausgerechnet die Jungen zwischen 18 und 25.

Sprachwissenschaftlerin pro Genderstern

Die Sprachwissenschaftlerin Claudia Schmellentin begrüsst einen Kompromiss beim Genderstern. «Wir konnten uns auf den Passus einigen, dass Gender-Sonderzeichen nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie gehören. Für mich ist klar: Das ist keine Ablehnung. Der Genderstern ist an Schulen und im öffentlichen Dienst nicht verboten», sagte Schmellentin dem SonntagsBlick. Sie vertritt die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) im Rat für deutsche Rechtschreibung, der sich am Freitag mit Gender-Sonderzeichen beschäftigt hat.

Berg TG - Thementagung Amt für Volksschule und PHTG: Schulsprache Deutsch. Referentin: Claudia Schmellentin, zum Thema Durchgängige Sprachbildung.
Bild: Andrea Stalder

Der Beschluss des Rechtschreibrates geht nun in allen deutschsprachigen Ländern in die Vernehmlassung, also auch in der Schweiz. Schmellentin kann sich vorstellen, dass die EDK bei Bedarf nun Empfehlungen für die Schulen ausarbeitet. Sie hält nichts davon, den Genderstern in Schulen als Fehler zu werten: «Wer den Genderstern benutzt, setzt damit ein Signal. Mit falscher Rechtschreibung hat das nichts zu tun. Und wenn Lehrpersonen den Genderstern benutzen, kann das je nach Situation pädagogisch sinnvoll und sensibel sein. Gleichzeitig wird auch niemand dazu gezwungen.»

Dragqueen will ins Parlament

Tobias Urech, 29, gehört zu den bekanntesten Dragqueens der Schweiz. Regelmässig zieht er Frauenkleider an, um als Kunstfigur Mona Gamie aufzutreten. Jetzt will Tobias Urech für die SP in den Nationalrat. Er kandidiert im Kanton Zürich auf der Liste der SP Queer, einem kürzlich gegründeten Organ der Sozialdemokraten. «Als Dragqueen kann man heute unmöglich nicht politisch sein», sagt er im Porträt der « NZZ am Sonntag » – und spielt damit unter anderem auf die jüngsten Angriffe gegen Lesungen von Dragqueens für Kinder an.

Wegen Trend zur Kinderlosigkeit: Ökonomen fordern kinderabhängige AHV-Rente

Kinderlosigkeit war lange Zeit mit einem Stigma behaftet. Das hat sich stark geändert. Die Zürcher Sozialwissenschafterin Jeannine Hess spricht gar von einem historischen Wandel: «Früher musste man sich bewusst gegen Kinder entscheiden. Heute dagegen ist es eher so, dass man einen bewussten Entscheid für ein Kind fällt.»

Daten des Haushaltspanels der Universität Lausanne, welche die « NZZ am Sonntag » veröffentlicht hat, zeigen nun, wie markant die Kinderlosigkeit zugenommen hat. Von den Frauen bleibt heute jede Vierte ohne Nachkommen. Vor zwei Jahrzehnten waren es mit 17% deutlich weniger. Am höchsten ist der Anteil der Kinderlosigkeit bei den Frauen mit einem Hochschulabschluss, wo er 30% erreicht. «Diese Entwicklung spiegelt den Bedeutungsverlust des traditionellen Familienmodells», erklärt Valérie-Anne Ryser von der Universität Lausanne.

Auch die Geburtenrate in der Schweiz ist auf einen historischen Tiefstwert gesunken: Letztes Jahr kamen pro Frau nur noch 1,39 Kinder auf die Welt. «Verharrt die Geburtenrate auf einem so tiefen Niveau, führt dies zu einer deutlichen Verschärfung der Finanzierungsengpässe in unserem Sozialsystem», warnt die UBS-Vorsorgeexpertin Veronica Weisser. Der Bund rechnet in seiner Bevölkerungsprognose mit einer Geburtenziffer von 1,62 bis im Jahr 2050. Doch selbst in diesem Szenario müssten dann nur noch zwei Erwerbstätige für einen Rentner aufkommen.

Ökonomen schlagen gegenüber der «NZZ am Sonntag» deshalb vor, die Höhe der AHV-Rente an die Zahl der eigenen Kinder zu koppeln. «In der AHV wird die Rendite der Kinder sozialisiert, während die Kinderkosten zum grossen Teil privat zu tragen sind», begründet Wolfram Kägi vom Basler Beratungsbüro BSS das Konzept. Eine kinderabhängige Rente bringe somit nicht nur mehr Gerechtigkeit, sondern verbessere ebenso die finanzielle Nachhaltigkeit der AHV.

Kündigungswelle mit zehntausenden blauen Briefen: Das ist das Sparprogramm der Credit Suisse

Bei der CS kommt es im September voraussichtlich zu einer Kündigungswelle. 30 Prozent des Personals muss abgebaut werden. Damit reagiert UBS-Chef Sergio Ermotti auf einen Umsatzeinbruch bei der kürzlich zwangsübernommenen Bank. Es geht laut SonntagsZeitung weltweit um gut 10'000 Stellen, die kurzfristig abgebaut werden.

UBS-Chef Sergio Ermotti baut wohl zehntausende von Stellen ab.
Bild: Michael Buholzer / KEYSTONE

In einem zweiten Schritt wird die Fusion vollzogen. Das wird ein längerer Prozess, bei dem nochmals rund 20'000 Stellen verloren gehen. Dieser Abbau soll aber bei der Belegschaft beider Banken erfolgen. Nicht wegdiskutieren lässt sich aber, dass die UBS die CS aufsaugt. Eine CS-Schweiz wird es wohl nicht geben. Die UBS wollte zu den Recherchen keine Stellung nehmen.

Bastien Girod rechtfertigt Geschäfte mit Ölkonzernen

Grünen-Nationalrat und Europa-Chef von South Pole: Bastien Girod.
Bild: Sandra Ardizzone

Die Schweizer Firma South Pole steht in der Kritik: Sie soll Ölkonzernen beim Greenwashing helfen. Selbst mit der russischen Gazprom hat sie geschäftet. Zudem soll sie praktisch wertlose CO2-Zertifikate verkauft haben. Europa-Chef von South Pole ist der grüne Nationalrat Bastien Girod.

Im Interview mit der «Sonntagszeitung» verteidigt er erstmals das Vorgehen der Firma. Bei den Deals mit Ölkonzernen gehe es primär um den Verkauf von CO2-Zertifikaten. Mit dem Erlös werde der Bau von Solaranlagen finanziert oder Projekte zum Schutz von Regenwäldern. Es sei wichtig, dafür so viel Geld wie möglich von den Ölkonzernen abzuzweigen.

Nach Grengiols-Solar: Zweites Solar-Grosskraftwerk in den Alpen redimensioniert

Neben Grengiols ist Vispertal Solar das zweite alpine Solarkraftwerk, das in der Planung weit vorangeschritten ist. Laut Konzeptstudie sollten ursprünglich 800’000 Solarmodule auf sechs verschiedenen Feldern 1,44 Terawattstunden Strom liefern. Doch nun zeigt sich: Das Projekt wurde stark redimensioniert. Laut dem Energieunternehmen Enalpin, das den Lead bei der Planung übernommen hat, will man statt sechs Solarfeldern nur noch deren drei.

«Wir prüfen zurzeit vertieft die Felder im Gebiet Mattmark, Mäsweide-Rieberg sowie Mattwald, wo die Testanlage steht», sagt Diego Pfammatter, stellvertretender Direktor von Enalpin gegenüber der «Sonntagszeitung» . Grund für die Verkleinerung des Projekts sei vor allem die fehlende Anbindung ans Hochspannungsnetz. Ausserdem seien an einzelnen Standorten Naturgefahren einer Realisierung im Weg gestanden.

Öko-Label Naturaplan und IP-Suisse: Die Hälfte der Kontrolleure schmissen den Bettel hin

Bekannte Label wie Naturafarm und IP-Suisse lassen die Tierhaltung von Spezialisten des Schweizerischen Tierschutz kontrollieren. Doch dort kämpft man mit Problemen. Jetzt zeigt sich das Ausmass: 12 von 20 Mitarbeitende im Kontrollteam des Schweizer Tierschutz haben innert 18 Monaten gekündigt, davon 9 hochqualifizierte Kontrolleure. Nach Kritik fällt nun auch noch der Chef der Kontrollabteilung aus. Kontrollen mussten reduziert werden. Bei IP-Suisse ist man «sehr besorgt» und schliesst den Wechsel zu einer anderen Kontroll-Organisation nicht aus. Coop mit dem Label Naturafarm sieht hingegen kein Problem. Der Tierschutz räumt Probleme ein und teilt mit, man sei auf dem Weg zur Verbesserung, man habe einen externen Experten eingesetzt. Der Tierschutz versichert: Die Qualität der Kontrollen sei nicht gefährdet.

Das grösste Bewässerungsprojekt der Schweiz entsteht in der Broye

In der Broye planen Bauern derzeit das ambitionierteste Bewässerungsprojekt der Schweiz: Eine unterirdische Leitung soll künftig das Wasser aus dem zehn Kilometer entfernten Neuenburgersee auf die Kartoffel- und Weizenfelder der Bauern im Broye-Becken leiten. Ein weit verzweigtes, 145 Kilometer langes Röhrensystem soll dann das Wasser auf einem Gebiet von 4200 Hektaren verteilen. 200 Bauern sollen davon profitieren. Wie Recherchen der « NZZ am Sonntag » zeigen, steht das Projekt Arrobroye sinnbildlich für den Totalumbau der Schweizer Landwirtschaft, wie ihn das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) anstrebt: weg von den kleinen Pumpstationen entlang von Bächen, die im Sommer immer öfter auszutrocknen drohen, hin zur Bewässerung mit Wasser aus den grossen Seen des Mittellands. «Arrobroye steht für die neue Generation von Bewässerungssystemen, wie wir sie in Zukunft unterstützen wollen», bestätigt Jan Béguin vom BLW. «Statt kleiner, individueller Lösungen brauchen wir künftig gemeinschaftliche Projekte, in denen sich die Bauern zu Kollektiven zusammenschliessen. Das ist viel effizienter.»

Trotz Umwelt-Versprechen: Luftwaffe verbraucht 40 Millionen Liter Kerosin

Die Schweizer Luftwaffe hatte grosse Pläne. Ab 2010 sollten Piloten nicht mehr im Kampfjet, sondern in der Propellermaschine trainiert werden. Diese weltweit einzigartige Ausbildung reduziere «die Schadstoffemissionen insgesamt um das Zehnfache». Doch nun zeigen Daten, die der SonntagsZeitung vorliegen: Die Zahl der Flugstunden der Luftwaffe verringerte sich seit der Umstellung gerade einmal um 0.5 Prozent, der Kerosinverbrauch um 7 Prozent. Im vergangenen Jahr benötigte man 41,2 Million Liter. Das entspricht jedem 50. Liter Kerosin, der in der Schweiz getankt wird. Selbst die Bundesratsjets, eigentlich für die Landesregierung vorgesehen, werden gemäss Recherchen auffallend oft von der Armee genutzt. Sie sind nur in einem Drittel ihrer Flugzeit für den Bundesrat und die Departemente in der Luft. Die restlichen zwei Drittel nutzt die Armee die VIP-Jets für eigene Zwecke. Man sei bezüglich Klimaziel trotz allem «auf gutem Weg», heisst es auf Anfrage bei der Armee. Die neuen Kampfjets sollen einen deutlich tieferen Verbrauch mit sich bringen. Zudem mische man dem Kerosin ab diesem Herbst nachhaltigen Treibstoff bei.

15’000 Schweine landen als Cervelats und Steaks auf dem Grill

In einer beispiellosen Notaktion mussten in der Schweiz im vergangenen November 570 Tonnen Schweinefleisch eingefroren werden. Seit einigen Wochen wird dieses Fleisch als Cervelats oder marinierte Steaks günstig verkauft. Mit Erfolg: Die Kühllager bei der Micarna sowie bei Bell sind bereits geleert, wie die « Sonntagszeitung » schreibt.

Blick in einen Schweinestall in Ruswil im Kanton Luzern.
Bild: Pius Amrein

Obwohl die Überproduktion überwunden ist und die Preise wieder steigen, sind hohe Rabatte von 40 bis 50 Prozent beim Schweinefleisch üblich . Das beeinträchtigt das Image. Eine Analyse von Ökonom Mathias Binswanger zeigt, dass die Margenpolitik der Grossverteiler und die Marktmacht auf der Nachfrageseite dazu führen, dass den Fleischproduzenten nur ein geringer Anteil des Ladenpreises zugutekommt - bei Schweinefleisch sogar deutlich weniger als bei Rindfleisch.

Senioren begeistern sich für Hanfprodukte

Joints, Öle oder Kaugummis: Die Palette an Produkten, die CBD enthalten, ist gross. Nun zeigt eine Umfrage des Marktforschungsunternehmen Link, die der « NZZ am Sonntag » vorliegt: Vor allem Seniorinnen und Senioren zeigen Interesse am Wirkstoff der Hanfpflanze. 30 Prozent der über 60-Jährigen, die noch nie CBD konsumiert haben, könnten sich vorstellen, CBD-Produkte zu nutzen. Bei den jüngeren Generationen zwischen 30 und 59 Jahren sind es bloss 23 Prozent. Bei den Jungen zwischen 15 und 29 Jahren immerhin 27 Prozent. Ältere und Frauen nutzen Öle, Salben oder Tropfen, oft um Schmerzen zu lindern oder besser schlafen zu können. Männer und Junge hingegen konsumieren CBD öfter, um in gute Stimmung zu kommen und Stress abzubauen.

Die Umfrage wurde zwischen dem 14. und 27. Juni online bei 2503 Personen durchgeführt. Die vorliegenden Ergebnisse basieren auf den Antworten jener 1611 Personen, die angaben, CBD-Produkte zu kennen.