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Schweiz

Neues DNA-Gesetz: Die Ermittler würden die Akten im Fall Emmen wieder öffnen

Die Luzerner Staatsanwaltschaft wartet auf das neue Gesetz: Vielleicht findet sie damit den Vergewaltiger. Doch die Zuverlässigkeit der Analysemethoden wird überschätzt.
Hier an der Reuss wurde die Frau vergewaltigt. (Bild: Beatrice Vogel, 2015)

Andreas Maurer

Emmen am 21. Juli 2015: Eine 26-jährige Frau radelt von ihrer Arbeit in einem Heim für Schwerbehinderte nach Hause. Auf dem Weg entlang der Reuss wird sie von einem Mann vom Velo gerissen und vergewaltigt. Schwerverletzt lässt er sie im Gebüsch liegen. Seither ist sie querschnittsgelähmt und sitzt im Rollstuhl.

Im Januar 2018 gibt die Luzerner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf. Normalerweise würde man in so einem Fall schreiben: Vom Täter fehlt jede Spur. Doch im Fall Emmen stimmt das nicht ganz. Es gibt eine Spur, nur mit den heutigen Mitteln führt sie nirgendwohin.

Die Strafverfolgungsbehörden haben DNA-Spuren des mutmasslichen Täters sichergestellt. Mit dem heutigen Gesetz dürfen sie aber nur ein einziges äusserlich sichtbares Merkmal des Verdächtigen herauslesen, das Geschlecht. Die Auswertung ergibt in diesem Fall das Offensichtliche: Der Vergewaltiger war ein Mann.

Auch alle anderen erlaubten Möglichkeiten führen zu nichts: kein Treffer durch einen Abgleich mit der DNA-Datenbank, kein Treffer durch eine rechtlich umstrittene Verwandtenrecherche und kein Treffer durch einen DNA-Massentest mit 371 Männern. Über 100 000 Franken kostet alleine die technische Auswertung der DNA-Profile und der Handydaten.

Die Strafverfolger werden den Fall neu aufrollen

Dabei würde die gespeicherte DNA des Täters möglicherweise viel mehr über ihn verraten: Augen-, Haar- und Hautfarbe. Die Bundespolizei spricht von der «DNA-Analyse der Zukunft», die der Bundesrat nun einführen will (siehe Haupttext). Die neuen Methoden dürften nicht nur für künftige Fälle angewandt werden, sondern auch rückwirkend für vergangene.

Die Luzerner Ermittler warten deshalb seit Jahren auf die neue Gesetzesvorlage. Am Tag, an dem das neue Gesetz in Kraft tritt, wird die Staatsanwaltschaft die Akte Emmen wieder öffnen. Denn das Verfahren ist nur sistiert. Das heisst, die Untersuchung kann jederzeit wieder aufgenommen werden. «Wir werden alle möglichen und zulässigen Mittel einsetzen, um den Täter zu fassen», bestätigt die Staatsanwaltschaft.

Auch in den rechtsmedizinischen Instituten der Schweiz bereiten sich Spezialisten bereits auf die neuen Analysemethoden vor. Eva Scheurer, Direktorin des Basler Instituts für Rechtsmedizin, warnt aber vor übersteigerten Erwartungen. Sie erläutert den aktuellen Stand der Wissenschaft. Je nach untersuchter Eigenschaft unterscheide sich die Zuverlässigkeit der DNA-Analysen. Bei blauen und dunkelbraunen Augen liegt die Vorhersagegenauigkeit bei mehr als 90 Prozent. Bei Mischformen wird es schon schwieriger. Zum Beispiel grüne Augen lassen sich nur in 75 Prozent der Fälle richtig bestimmen. Dasselbe Problem besteht bei den Haaren: Für schwarze und rote ist die Zuverlässigkeit höher als für braune und blonde.

War es ein Afrikaner oder ein Europäer?

Nur sehr grob eingrenzen lässt sich die geografische Herkunft. Da sich das Genmaterial in der Geschichte der Menschheit stark vermischt hat, ist es schwierig, Populationen aus naheliegenden Regionen zu unterscheiden. «Einigermassen zuverlässig lässt sich deshalb nur bestimmen, von welchem Kontinent jemand stammt. Dies kann jedoch als Fahndungshinweis sehr wertvoll sein», sagt Rechtsmedizinerin Scheurer.

Die Familie des Vergewaltigungsopfers von Emmen hofft auf das neue Gesetz. Der Luzerner FDP-Nationalrat Albert Vitali sitzt im Stiftungsrat des Heims, in dem die 26-Jährige gearbeitet hat. Das neue Gesetz geht auf einen Vorstoss von ihm zurück. Er steht mit der Familie in Kontakt und richtet aus: «Sie ist sehr erfreut und steht zu hundert Prozent hinter der Gesetzesvorlage.»