
Gemeindepräsident Matthias Bellwald sagte es schon früh nach der Katastrophe von Blatten und er sagte es mit Nachdruck: «Wir haben das Recht, hier zu wohnen. Unsere Väter und Grossväter haben schon hier gewohnt.» Es komme nicht infrage, das Tal zu entvölkern. Bereits ab 2029 sollen grosse Teile der Bevölkerung in ein neues Dorf im Lötschental zurückkehren.
Am Freitag stand für diese Aussage der erste Realitätscheck an. Dann präsentierte Bellwald gemeinsam mit dem Walliser Staatsrat Franz Ruppen die neue Naturgefahrenkarte für das vom Felssturz zerstörte Dorf.
In rascher Folge wechselten während der Bildschirmpräsentation Satellitenbilder von Blatten mit rot, gelb und blau eingezeichneten Flächen. Sie stehen für die potenzielle Gefahr neuer Widrigkeiten: Steinschläge, Lawinen, Hochwasser. Oder eine Kombination von alledem. Denn schliesslich hängt der Birchgletscher immer noch unheilvoll über der Gemeinde. Im schlimmsten Fall können Teile davon wieder bis ins Tal donnern, schützender Wald fehlt mittlerweile.
Dennoch sprach Franz Ruppen von einem Wendepunkt, an dem die Gemeinde Blatten stehe. Noch sei die Erinnerung an die Katastrophe frisch, und doch nähmen die Arbeiten an einer Zukunft Fahrt auf.
Oberried ist verloren
Denn auch das zeigen die von Expertenbüros erarbeiteten Naturgefahrenkarten: Grundsätzlich ist ein Wiederaufbau von Blatten an der ursprünglichen Stelle möglich. Wenn auch mit Abstrichen. Der Ortsteil Oberried dürfte unwiderruflich verloren sein: Er liegt gemäss neuer Berechnungen in einer roten Zone.
Auch im Rest des Gemeindebanns droht Gefahr. Ein See, wie er sich nach dem Bergsturz plötzlich gebildet hatte, sei auch in Zukunft wieder möglich, sagte Guillaume Favre Bull. Der Geologe leitet seit wenigen Wochen den Dienst für Naturgefahren im Kanton Wallis.

Das Schadenspotenzial liesse sich allerdings mit baulichen Massnahmen eindämmen, berechneten die Experten. «Damit erhalten wir ein potenziell bebaubares Gebiet in der Grösse von 14,2 Hektaren», sagte Gemeindepräsident Bellwald. Vor der Katastrophe habe die Baulandfläche 15 Hektare betragen, wobei nicht alles davon genutzt wurde. Nach der Analyse der Gefahrenkarte gelte es, die Raumplanung in Angriff zu nehmen, sagte Bellwald.
«Nicht alle werden zurückkehren können»
Ihm ist bewusst: «Nicht alle werden in das Dorf zurückkehren können.» Manche seien schlicht zu alt dafür. Für viele gelte es aber jetzt, eine Perspektive zu erarbeiten. Eine Road Map für den Wiederaufbau von Blatten sieht rund 70 verschiedene Massnahmen vor. Die Bürgerinnen und Bürger werden im Dezember im Rahmen einer Urversammlung darüber befinden.
Als Ende Mai ein Felssturz am Kleinen Nesthorn den Birchgletscher zum Absturz brachte, haben Millionen Kubikmeter Eis, Schutt und Geröll die Gemeinde Blatten begraben. Das Dorf war zuvor evakuiert worden, rund 300 Bewohnerinnen und Bewohner hatten die Gemeinde verlassen. Dennoch kam es zu einem Todesfall: Ein 64-jähriger Mann wurde verschüttet. Als Ursache gilt die Instabilität des Bergs durch tauenden Permafrost, das Abschmelzen von Gletschern.
