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Südafrika

Nelson Mandela wird 95: «Happy Birthday» aus 13 Millionen Kinderkehlen

Nelson Mandela wird 95 Jahre alt und erweist sich immer noch als Kämpfernatur. Am Geburtstag des Friedensnobelpreisträgers schwanken die Gefühle zwischen Freude, Hoffen und Bangen.

Er ist der einzige Bürger, dessen Geburtstag es zu einem weltumspannenden Feiertag schaffte: Südafrikas Ex-Präsident Nelson Mandela feiert heute Donnerstag seinen 95. Geburtstag. Zu seinen Ehren findet heute der fünfte Nelson-Mandela-Tag statt, den die UNO 2009 als internationalen Gedenktag auserkoren hat. Daher ist nicht nur die Nation an Afrikas Südkap aufgerufen, an sozialen Projekten teilzunehmen, sondern sämtliche Weltbürger. Doch gefeiert wird mit gemischtem Gefühl. Während die Welt Mandela hochleben lässt, liegt der gealterte Nationalheld nach wie vor im Spital.

Hoffnung auf Besserung

Es ist bereits der 40. Tag, an dem Mandela wegen einer wiederkehrenden Lungeninfektion behandelt wird. Doch scheinbar gibt es Hoffnung: Obwohl er laut Aussagen seiner Familie vor zwei Wochen noch knapp dem Tod entkam, könnte es der Vater der Nation nun noch einmal nach Hause schaffen. Zumindest mehren sich entsprechende Gerüchte.

Der letzte in einer Reihe von Verwandten und Politikern, die der Nation Hoffnung gab, war Ex-Präsident Thabo Mbeki. Bei einer Beerdigung am vergangenen Sonntag sagte er, Mandela könne vielleicht schon bald in seinem Haus in Johannesburg weitergepflegt werden. «Ich bin heute weniger besorgt als noch vor einer Woche», beteuerte auch Mandelas Frau, Graça Machel. Und ein Cousin bestätigte nach einem Besuch: «Er konnte zwar nicht sprechen, doch er hat mich erkannt und es mir durch Augenrollen gezeigt.» Präsident Zuma zufolge sei Mandela in diesen Tagen «ein genauso grosser Kämpfer wie vor 50 Jahren».

Als «kritisch, aber stabil» umschreibt die Regierung Mandelas Gesundheitszustand seit Wochen unverändert. Dabei stand es um den ersten demokratisch gewählten Präsidenten Südafrikas vor zwei Wochen noch so schlecht, dass viele Südafrikaner bereits mit ihm abgeschlossen hatten.

«Es geht nur noch um die Frage, wann sie die Maschinen ausschalten», sagte der Kapstädter Granger van Woren damals der «Nordwestschweiz». Eine Anspielung auf die Dialyse und die künstliche Beatmung, die Mandela bis heute erhält. Eine Kassiererin in einem Kapstädter Supermarkt bittet: «Der Mann hat so viel für uns getan. Wir sollten ihn in Ruhe sterben lassen.»

Meer aus Blumen vor dem Spital

Vor dem Mediclinic Heart Hospital in Pretoria, wo die Anti-Apartheid-Ikone behandelt wird, will man von einem nahen Tod Mandelas nichts wissen. Die Mauern der Klinik verwandelten sich in den vergangenen Wochen zu einem bunten Meer aus Ballons, Blumensträussen, Südafrika-Flaggen und Glückwunschplakaten. «Du hast uns die Hoffnung gegeben, dass wir mehr erreichen können», lautet eines davon. Oder: «Tata, du bist unser Held und wir führen dein Erbe fort, indem wir ein stolzes Leben führen.»

Aussagen wie diese verdeutlichen, wie sehr Mandelas Ideologie in der südafrikanischen Gesellschaft verankert ist, wenngleich er sich schon vor Jahren aus der Öffentlichkeit zurückzog. 27 Jahre verbrachte er in politischer Haft, ehe er 1990 entlassen wurde. Als 1994 das Apartheid-Regime fiel, wurde er unter dem African National Congress (ANC) der erste schwarze Präsident des Landes und gilt bis heute als Begründer einer Vorzeigedemokratie auf dem afrikanischen Kontinent.

14 Stunden laufen für «Madiba»

Zwei Athletinnen im Alter von 12 und 13 Jahren starteten vergangene Woche einen Dauerlauf, um ihrer Liebe zu «Madiba», so Mandelas Stammesname, Ausdruck zu verleihen. Aus Südafrikas grösstem Township Soweto waren sie im Morgengrauen gestartet, um 14 Stunden später am Krankenhaus anzukommen.

Die Gratulanten vor dem Spital teilen sich den Platz seit Wochen bereits mit Journalisten aus aller Welt. Neu hinzu kam diese Woche auch der öffentliche Sektor. So schauten nicht nur Studenten und Dozenten verschiedener Universitäten vorbei, um Mandela ihren Respekt zu zollen, auch Mitarbeiter aus dem Johannesburger Magistratsgericht brachten ihre Glückwunsch-Poster an.

In Pretoria findet heute zudem der sechste bilaterale Gipfel zwischen Südafrika und der Europäischen Union statt. Unter den Gratulanten werden die beiden EU-Politiker José Manuel Barroso und Herman Van Rompuy erwartet.

Weltweit wird gefeiert

Im südafrikanischen Radio gingen in den letzten Tagen minutenlange Werbeschaltungen dem Mandela-Tag voraus. Das Grossereignis rief Menschen rund um den Globus auf den Plan: Vom Pariser Eiffelturm prangt ein Glückwunsch-Banner für Mandela, in den USA meldeten sich Hunderte Freiwillige für soziale Projekte und in Melbourne veranstalten afro-australische Künstler ein Konzert zu Ehren des Anti-Apartheid-Kämpfers.

Die UNO ruft die Weltbevölkerung heute auf, 67 Minuten einer wohltätigen Arbeit zu widmen. Die Zeit geht auf die 67 Jahre politischen Aktivismus zurück, in denen Mandela für eine gleichberechtigte Gesellschaft gekämpft hatte.

In Südafrika selbst werden um Punkt 8 Uhr mehr als 13 Millionen Schüler «Happy Birthday» für ihren Helden singen. Ein Lehrer, auf dem sie im Anschluss verzichten müssen, ist Benjamin J., der zum Nelson-Mandela-Tag Urlaub erhalten hat. Der Kapstädter verbringt seinen Tag heute in einem Kinderspital, wo er Betten säubert. Präsident Zuma wird zu Ehren des Jubilars Häuser an die arme weisse Bevölkerung bei Danville in Pretoria übergeben.

ANC in der Krise

Doch Armut ist nur eines der Probleme, denen sich der ANC in diesen Tagen gegenübersieht. Vergangene Woche hatte Zuma drei Minister wegen Korruptionsskandalen und mangelnder Loyalität entlassen. Sein grösster Kritiker, der Ex-Präsident der Jugendliga, Julius Malema, gründete eine eigene Partei, mit der er dem ANC Jungwähler abwirbt. Und am Montag lief auch noch Nelson Mandelas Cousin, der einflussreiche König des Thembu-Clans, vom ANC zur Opposition über.

Bei den Wahlen im kommenden Jahr könnte die Unterstützung für den ANC erstmals unter 60 Prozent fallen. Motlanthe: «Es wird keine leichte Wahl. Die Menschen messen eine Partei nicht an ihrer glorreichen Vergangenheit, sondern anhand dessen, was sie erleben.