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Banken

«Weil die Bank ihre Verantwortung nicht wahrgenommen hat, mussten wir uns die Nächte um die Ohren schlagen»

Die UBS verzichtet beim CS-Deal per sofort auf sämtliche Staatsgarantien. Das sind gute Nachrichten für die Steuerzahlenden. Doch damit ist die Arbeit nicht getan – weder für Finanzministerin Keller-Sutter noch für UBS-Chef Sergio Ermotti.

Ordnungspolitisch ist die Welt unter der Bundeshauskuppel wieder in Ordnung: Die UBS hat sämtliche vom Bund und der Nationalbank abgesicherten Liquiditätsspritzen im Wert von insgesamt bis zu
200 Milliarden Franken zurückbezahlt und verzichtet zudem freiwillig auf die versprochene Staatsgarantie im Wert von bis zu 9 Milliarden Franken. Obendrauf hat der CS-Deal der Staatskasse unverhofft Einnahmen von gut 200 Millionen Franken beschert. Die Nationalbank hat gar rund 900 Millionen Franken erhalten.

Zusammengerechnet spült die CS-Rettung also rund 1,1 Milliarden Franken in die Kassen von Bund und Nationalbank. Die staatliche Rettung der UBS 15 Jahre zuvor hatte dem Bund zu Zusatzeinnahmen von 1,2 Milliarden Franken verholfen. Hinzu kamen damals die rund 3 Milliarden Franken, welche der sogenannte Stabfund für die Nationalbank abwarf.

Ende gut, alles gut. Für die Finanzministerin jedenfalls ist die Rechnung aufgegangen: Karin Keller-Sutter kann nur gerade 145 Tage nach der von ihr orchestrierten Zwangsrettung der Credit Suisse sagen, dass sie alles richtig gemacht hat. «Der Bund und die Steuerzahlenden tragen hier nun keine Risiken mehr», sagte Keller-Sutter am Freitag vor der Presse in Bern.

UBS-Präsident Colm Kelleher und Finanzministerin Karin Keller-Sutter verkünden am 19. März in Bern die Übernahme der Credit Suisse./>

Den Entscheid, auf die Staatshilfe zu verzichten, hat die UBS am Donnerstag gefällt respektive deren Verwaltungsrat. Der Rückzug erfolgt «freiwillig», wie die Grossbank mitteilt. Mit diesem Schritt entgeht dem Bund ein Kontrollinstrument über die UBS. Doch sie sei froh, dieses Werkzeug zu verlieren, sagte Keller-Sutter mit Verweis auf das mit 9 Milliarden Steuergeld-Franken doch sehr hohe Preisschild.

Die UBS wiederum, die im Rahmen der CS-Übernahme die Bundesgarantie «als notwendig erachtet» hatte, um sie vor «potenziellen Extremrisiken» zu schützen, braucht sie nicht mehr. Sie hat mittlerweile sämtliche Vermögenswerte im CS-Giftschrank durchleuchten können und ist offensichtlich zum Schluss gekommen, dass das Risiko kleiner ist als zu Beginn befürchtet und der Garantievertrag «nicht mehr erforderlich ist».

Die ersten Verluste hätte die UBS ohnehin selber tragen müssen, die Bundesmilliarden wären erst ab einem Schaden von über fünf Milliarden geflossen. UBS-Chef Sergio Ermotti und Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher zeigen sich jedenfalls in einem Schreiben an ihre Mitarbeitenden, das der «Schweiz am Wochenende» vorliegt, «zuversichtlich, dass wir in der Lage sein werden, die Gesamtkosten und die finanziellen Auswirkungen der Integration aus eigener Kraft zu tragen». Sie bezeichnen den Verzicht auf die wie auch immer gelagerten Staatsgarantien als «wichtigen Meilenstein».

Auf dem Höhepunkt der Krise rund um den mittlerweile in die Schweizer Bankengeschichte eingegangenen Sonntag vom 19. März hatten UBS und CS insgesamt 168 Milliarden Liquiditäts-Franken beansprucht: 48 Milliarden Franken an regulären, im Nationalbankgesetz vorgesehen und mehrheitlich mit Hypotheken abgesicherten Krediten (ELA), 50 Milliarden Franken Notfallliquiditätshilfen (ELA+), für welche die Nationalbank haftet und im Gegenzug nur ein ziemlich wertloses Konkursprivileg erhält, sowie 70 Milliarden Franken aus dem vom Bund garantierten Liquiditätsdarlehen (Public Liquidity Backstop).

Während nun sämtliche auf Notrecht basierende Liquiditätshilfen (ELA+ sowie der Public Liquidity Backstop) zurückbezahlt wurden, bleiben ELA-Kredite in einem nicht genannten Umfang bestehen. Aus dem Inneren der UBS ist allerdings zu vernehmen, dass auch diese Gelder möglichst bald an die Nationalbank zurückbezahlt werden sollen.

Das direkte finanzielle Risiko für die Steuerzahlenden ist also vorerst vom Tisch, doch es wartet noch viel Arbeit auf Keller-Sutter. Sie selbst hat die turbulenten und arbeitsintensiven Tage rund um die CS-Rettung noch nicht vergessen: «Weil eine Bank», also die Credit Suisse, «über Jahre hinweg ihre Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden, den Kunden, der Gesellschaft und der Schweiz nicht wahrgenommen hat, mussten wir uns die Nächte um die Ohren schlagen», sagte Keller-Sutter sichtlich verärgert.

Ermotti: «Diesen Pokal müssen wir erst gewinnen»

Nun müssen die nach der UBS-Rettung entwickelten «Too big to fail»-Regeln, die den Testfall nicht bestanden haben, grundlegend überarbeitet werden. Ein erster Grundlagenbericht soll hierfür im Frühjahr vorliegen. Und dann müsse man mit «kühlem Kopf» entscheiden, was zu tun sei, sagte Keller-Sutter. Ihr sind die Unzulänglichkeiten des heutigen Instrumentariums jedenfalls nicht entgangen, wie sie ergänzte.

Denn während regulatorisch bei der Credit Suisse bis zum Untergang eigentlich alles im grünen Bereich war, hatte der Markt schon viel früher seine Zweifel: So präsentierte die CS Quartal um Quartal Riesenverluste, es folgte ein skandalträchtiger Manager auf den nächsten, die für die Bonität eines Unternehmens aussagekräftigen Kreditausfallprämien (CDS) gingen in die falsche Richtung und der Aktienkurs ging nur noch nach unten.

Der Markt kam also zu einem ganz anderen Ergebnis als Bund, Nationalbank und Finanzmarktaufsicht. «Doch wie berücksichtigt man diese Marktindikatoren?», fragte Keller-Sutter. Sie wird Antworten finden müssen.

Antworten finden müssen werden auch Ermotti und Kelleher. «Es sollte uns allen klar sein, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben, um das volle Potenzial an Wert aus dieser Transaktion zu realisieren», schreiben sie an ihr Personal. «Diesen Pokal müssen wir erst gewinnen, wir bekommen ihn nicht geschenkt.» Die Integration der Credit Suisse «verlangt viel Einsatzwillen, Engagement und Sorgfalt».

Wie genau diese Integration aussehen soll, wollen die UBS-Oberen am 31. August präsentieren. Dann dürfte das CS-Ende definitiv besiegelt werden.