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Abstimmung

Nach AHV-Fotofinish: Bürgerliche versprechen Frauen bessere Renten in zweiter Säule

Nach dem Abstimmungskrimi bei der AHV-Reform ist der Frust bei den Gegnern gross. Ihr Fokus richtet sich nun auf die zweite Säule. Dort möchten sie die bürgerlichen Sieger beim Wort nehmen.

Nervenaufreibende Zitterpartie: Die Befürworter sind erleichtert über das Ja zur AHV-Reform.
Bild: Keystone

Der Abstimmungskampf zur AHV-Vorlage war emotional. So erstaunt es wenig, dass auch nach dem knappen Ausgang am Sonntag die Wogen hochgehen. «Wir sind wütend», schreiben die SP Frauen Schweiz. Der Entscheid sei «ein Schlag ins Gesicht aller Frauen». Für Montag ruft die Partei zu einer Protestaktion auf. Grünen-Präsident Balthasar Glättli spricht von einer «Ohrfeige von einem Grossteil der Männer».

Markige Worte wählt auch die Gegenseite: «Die Lügenkampagne der Linken und Gewerkschaften wurde entlarvt und das Diktat der Linken in der Sozialpolitik gebrochen», schreibt der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) in einer Mitteilung.

Bundesrat zeigt «grosse Bescheidenheit»

Für die Befürworter ist der Entscheid historisch: «Nach einer 25 Jahre andauernden Blockade konnte mit dieser Reform ein guter Kompromiss gefunden werden, hinter dem die Mehrheit des Schweizer Volkes steht», freut sich die parteiübergreifende Allianz der EVP, GLP, FDP, Mitte und SVP.

Zurückhaltend gab sich Gesundheitsminister Alain Berset. Der Bundesrat nehme das Abstimmungsresultat «mit grosser Bescheidenheit» zur Kenntnis, sagte er vor den Medien in Bern. Dieses sei «ein starkes Zeichen der Solidarität». Allerdings zeige es die Schwierigkeit, mehrheitsfähige Lösungen in der Altersvorsorge zu finden. In diesem Sinne müsse auch die Minderheit erhört werden.

Linke pocht auf Gleichstellung

Einig sind sich Befürworter und Gegner in einem Punkt: Nach der Reform ist vor der Reform. «Wir haben gesicherte Renten für die nächsten zehn Jahre», betont die Berner GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy im Fernsehen SRF. Nach dem heutigen Abstimmungssonntag richte sich das Augenmerk auf die berufliche Vorsorge.

Für SP, Grünen und Gewerkschaften ist klar: In der zweiten Säule muss die Rentensituation der Frauen verbessert werden. In der Pflicht sehen sie dabei die bürgerliche Allianz. Jetzt müsse es endlich vorwärts gehen bei der Gleichstellung und der beruflichen Vorsorge, sagte SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer.

Rentenalter 66 vom Tisch

Die Gegenseite signalisiert Entgegenkommen bei der beruflichen Vorsorge. «Dort müssen wir etwas machen», sagt die Zürcher FDP-Nationalrätin Regine Sauter im Fernsehen SRF. Anzusetzen gelte es bei Menschen mit tiefen Einkommen und im Teilzeitbereich. FDP-Parteipräsident Thierry Burkart betonte, das Nein der Frauen zur AHV-Reform müsse die Politik ernst nehmen. Auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister bekräftigte, das knappe Resultat sei kein Freipass für einen Abbau. Reformen müssten sozial ausgewogen sein.

Skeptisch zeigt sich Grünen-Präsident Glättli. «Ich glaube es wirklich dann, wenn es beschlossen ist.» Der Zürcher Nationalrat spielt dabei auf den Ständerat an. Dort ist die Reform der beruflichen Vorsorge seit längerer Zeit blockiert. Anfang Monat wurde bekannt, dass die vorberatende Sozialkommission das Geschäft bereits zum zweiten Mal vertagt. Bundesrat Berset erklärte, eine gute Lösung sei wichtig. Einmal mehr warb er für den Kompromiss der Sozialpartner.

Zu reden geben dürfte in nächster Zeit aber nicht nur die zweite Säule. Auch bei der AHV gehen die Diskussionen weiter. Die Jungfreisinnigen wollen mit einem Volksbegehren das Rentenalter auf 66 Jahre anheben. Für die Linke ist nach dem heutigen knappen Volksverdikt diese Forderung vom Tisch. «Rentenaltererhöhungen haben im Volk keine Chance», betont die St.Galler SP-Nationalrätin Barbara Gysi. Männer würden kaum zustimmen, wenn es um sie selbst gehe.