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Energiepolitik

Mit seinem Ausstieg aus der Atomkraft schadet Deutschland sich selbst und dem Klima

Am Samstag gehen die letzten deutschen Reaktoren vom Netz. In Europa steht die Bundesrepublik mit ihrer Ablehnung der Kernkraft allein da. Die Welt folgt den Deutschen aus guten Gründen nicht. 
Das Kernkraftwerk im württembergischen Neckarwestheim ist einer von drei deutschen Atommeilern, die am Samstag vom Netz gehen. 
Bild: Bild: Michael Probst / AP

Des Menschen Wille ist sein Himmelreich, lautet ein Sprichwort. Wie im Paradies müssten sich demnach die deutschen Grünen fühlen: Die letzten drei Atomkraftwerke der Bundesrepublik gehen am Samstag vom Netz, womit ein jahrzehntelanger Wunschtraum der ökologischen Bewegung seine Erfüllung findet.

Dem Land ist mit der Abschaltung der Meiler freilich nicht gedient, ja nicht einmal dem Klima: Der Anteil schmutziger Kohlekraftwerke an der deutschen Stromerzeugung nimmt durch den Atomausstieg zu, auch weil die Bundesrepublik mittlerweile auf russisches Gas verzichtet.

So werden Kernkraftwerke ausgemustert, die als sicher und modern gelten, während in Frankreich oder der Tschechischen Republik Meiler weiterlaufen, deren Zustand Anlass zur Sorge gibt. Nicht einmal als Brückentechnologie darf die Atomkraft in Deutschland herhalten, und dies trotz aller Ungewissheit, die der Krieg in der Ukraine gebracht hat.

Schuld an Deutschlands abenteuerlicher Energiepolitik tragen allerdings längst nicht nur die Grünen: Es war eine rot-grüne Regierung unter dem Sozialdemokraten Gerhard Schröder, die vor zwei Jahrzehnten den Ausstieg aus der Kernkraft beschlossen hat. Deren Ende wird jetzt von Sozialdemokraten und Liberalen mitgetragen.

Heuchlerisch wirkt das Bedauern, das nun aus dem Lager der Christdemokraten ertönt. Auch sie haben sich in der Vergangenheit dem grünen Zeitgeist angepasst. Nach der Havarie im japanischen Fukushima wurde die CDU-Kanzlerin Angela Merkel innert weniger Tage von der Kernkraftbefürworterin zur -gegnerin.

Seinem Ruf als Wendehals wird einmal mehr der bayrische Ministerpräsident Markus Söder gerecht: Am Freitag nannte er den Ausstieg ein «trauriges Kapitel deutscher Energiepolitik»; 2011 hatte der Christsoziale noch seinen Rücktritt als bayrischer Umweltminister angedroht, sollten die Kraftwerke länger als bis Ende 2022 laufen.

In Europa steht die Bundesrepublik einsam da: Polen will in die Kernkraft einsteigen; Schweden, das einmal aussteigen wollte, plant neue Reaktoren. Die Schweiz hat zwar ein Ende der Atomkraft beschlossen, will bestehende Meiler jedoch so lange weiterbetreiben, wie sie sicher sind. Deutschland wäre gerne Vorbild. Aber die Welt folgt ihm aus guten Gründen nicht.