Renzo Ruf, Washington
Der desaströse Zustand der griechischen Staatsfinanzen mag derzeit die Wirtschaftsberichterstattung dominieren. Während der Frühjahrstagung der Bretton-Woods-Institutionen in Washington war die Rettung Griechenlands vor dem Staatsbankrott aber nicht Teil der Traktandenliste. Denn: Noch besteht keine Klarheit über die Details des Hilfepakets des Internationalen Währungsfonds (IWF). Selbst die genaue Höhe des Notkredites ist noch offen. Das Thema dominierte aber dennoch die Gespräche der versammelten Finanzminister und Experten aus den 186 Mitgliedstaaten.
IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn weigerte sich zwar, Fragen über das Hilfspaket zu beantworten. Er sagte aber, dass die Griechen keine Angst vor dem Währungsfonds haben sollten. «Wird sind dort, um der Bevölkerung zu helfen», sagte Strauss-Kahn – als ob eine solche Aussage die Sorgen der Griechen vor den Folgen von Kürzungen der grosszügigen Sozialprogramme dämpfen könnte.
Hinzu kommt: Strauss-Kahn steht unter Druck einzelner Mitgliederstaaten, die der Umwandlung des IWF in eine globale Versicherung gegen Wirtschaftskrisen skeptisch gegenüberstehen. Staaten wie die Schweiz, die einer der 24 Ländergruppen im Exekutivdirektorium vorsteht, warnen vor einer Aufweichung der harten IWF-Auflagen an Kreditnehmer. Auch wenn der Währungsfonds seit der Finanzkrise eine gut gefüllte Kriegskasse besitzt, müssten die Mitgliedstaaten ihren Haushalt möglichst aus eigener Kraft in Ordnung bringen, sagen sie. «Alle müssen Massnahmen angehen, die strukturelle Resultate zeitigen», forderte Bundesrat Hans-Rudolf Merz am Samstag an einer Pressekonferenz. Ein Allerweltsheilmittel gebe es allerdings nicht. «Jedes Land hat die Krise selber erlebt. Man sollte deshalb den Mut haben, regionale und länderbezogene Lösungsansätze einzubringen.»
Vorerst keine Bankenabgabe
Kritisch zeigte sich der Schweizer Finanzminister deshalb gegenüber einer globalen Bankenabgabe, die am Freitag von den G-20-Finanzministern debattiert worden war. Da die Schweiz in der G-20 nicht vertreten ist, konnte sie die Debatten nur am Rande verfolgen. Mit einer gewissen Zufriedenheit wurde aber registriert, dass die Pläne aufgrund des lautstarken Widerstandes Kanadas vorderhand schubladisiert wurden.
Bundesrat Merz deutete vor den Medien auch an, dass er die geplante Kapitalaufstockung des IWF und die damit verbundene Stimmrechtsreform mit einem Fragezeichen versehe. «Ich stelle ganz nüchtern fest», sagte er, «dass die letzte IWF-Umgestaltung, die vor zwei Jahren gegen den Widerstand der Schweiz beschlossen wurde, noch nicht umgesetzt worden ist.»
Unter dem Druck von aufstrebenden Wirtschaftsmächten wie Brasilien und China beschloss der Währungsfonds 2008, den Einfluss der westlichen Industrieländer im Exekutivdirektorium ein wenig zurückzustutzen. Die Ratifizierung dieser Stimmrechtsreform allerdings harzt. Vor diesem Hintergrund sei es natürlich fraglich, sagte Bundesrat Merz, ob die jüngsten Reformanstrengungen, die von der Schweiz im Prinzip unterstützt werden, schnell über die Bühne gebracht werden können.
Gemäss IWF-Fahrplan soll ein Entscheid bereits im Oktober an der Jahrestagung in Washington gefällt werden. Wie der Schweizer Exekutivdirektor René Weber sagte, herrscht über die genaue Ausgestaltung dieser Reform «noch kein Konsens». Hinter den Kulissen allerdings führen die Schweizer bereits Gespräche mit möglichen Kandidaten, die der eidgenössischen Ländergruppe – Übername: «Helvetistan» – ein grösseres Gewicht geben würden. So soll der Schweizer Sitz im Exekutivdirektorium besser abgesichert werden. Derzeit ist Helvetistan, das sich aus der Schweiz, Aserbaidschan, Kirgistan, Polen, Serbien, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan zusammensetzt, gemessen an der Stimmrechtskraft die Nummer 18 von 24 Ländergruppen. Einer der Übernahmekandidaten sei Kasachstan, hiess es aus Delegationskreisen. Bundesrat Merz sagte dazu einzig: «Wir verfolgen gezielte Aktivitäten.»