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Ausbeutung

Menschenhandel: Darum steigt die Zahl der Opfer in der Schweiz

Die Beratungsstellen gegen Menschenhandel schlagen Alarm: In der Schweiz hat sich die Zahl der Opfer seit 2019 markant erhöht. Dafür ist auch die Coronapandemie verantwortlich.

Zwei Drittel der Opfer von Menschenhandel wurden laut den Schweizer Beratungsstellen auch sexuell ausgebeutet. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Die Masche ist meistens ähnlich: Mit falschen Versprechen über eine gut bezahlte Arbeit werden Opfer von Menschenhändlern angeworben. Tatsächlich arbeiten sie dann unter ausbeuterischen Bedingungen, oft illegal. Entweder im Sexgewerbe, aber auch im Gastgewerbe, auf dem Bau, in der Landwirtschaft oder in privaten Haushalten. Meist werden sie abhängig gemacht – etwa, indem die Täter den Pass beschlagnahmen.

Auch in der Schweiz ist Menschenhandel eine Tatsache. Und die Situation verschärft sich. Die Zahl der Opfer hierzulande steigt markant an, wie neue Zahlen zeigen, welche die 2020 gegründete Schweizer Plattform gegen Menschenhandel «Plateforme Traite » am Dienstag präsentiert hat. Im letzten Jahr haben die Beratungsstellen 207 neue Opfer von Menschenhandel identifiziert. Zum Vergleich: 2019 waren es noch 142. Das ist ein Plus von 50 Prozent.

Der überwiegende Teil der Opfer sind Frauen (81 Prozent). Und: Rund zwei Drittel aller betroffenen Personen wurden sexuell ausgebeutet. Beim anderen Drittel ging es um Ausbeutung als Arbeitskraft in Privathaushalten, in der Gastronomie, in Nagelstudios oder auf dem Bau. Die vier in der «Plateforme Traite» zusammengeschlossenen Schweizer Beratungsstellen nennen in der Mitteilung auch Fälle, in denen Menschen zu illegalen Handlungen wie Diebstahl gezwungen wurden.

Mehr Sensibilität und Pandemie

Für den Anstieg der Opferzahlen sehen die Experten zwei Gründe: Dank ihrer Sensibilisierungsarbeit würden Fachpersonen bei Polizei, im Asylwesen oder im Gesundheits- und Sozialbereich mehr Opfer erkennen. Die Entwicklung führen die Beratungsstelle aber auch auf eine generelle Zunahme von Menschenhandel zurück.

Der Grund dafür heisst Corona: «Die Pandemie hat die Vulnerabilität von vielen Menschen verschlimmert», heisst es in der Mitteilung. Die bereits wirtschaftlich prekäre Situation der Opfer habe sich durch die Coronakrise zusätzlich verschärft. Als weiteren Grund sehen die Beratungsstellen die immer restriktivere Einwanderungspolitik für wenig qualifizierte Personen.

Lelia Hunziker, Geschäftsführerin der FIZ Fachstelle Frauenhandel & Migration, fasst die Situation gemäss Mitteilung so zusammen: «Armut und die Schwierigkeit legal zu migrieren machen Menschen verletzlich und ausbeutbar, und in der Not müssen sie sich auf Menschenhändler einlassen.»

Politik wird aktiv

Handlungsbedarf besteht auch auf staatlicher Ebene. Denn bei der Bekämpfung von Menschenhandel gibt es grosse kantonale Unterschiede. Zu diesem Schluss kommt ein Mitte September veröffentlichter Bericht im Auftrag des Bundesamtes für Polizei (Fedpol) . Oft würden sich die Kantone stark auf die sexuelle Ausbeutung konzentrieren und andere Bereiche weniger berücksichtigen. Eher ländlichere und touristische Kantone würden ein «beträchtliches Risiko» für Arbeitsausbeutung aufweisen.

Aber auch auf politischer Ebene bewegt sich etwas. Zwei Motionen zur besseren Bekämpfung von Menschenhandel sind im Parlament hängig. Der eine Vorstoss verlangt vom Bundesrat, das Strafgesetzbuch um einen Tatbestand der Arbeitsausbeutung zu ergänzen. Mit der zweiten Motion sollen den Kantonen finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um Menschenhandelsdelikte effektiv zu verfolgen. Der Nationalrat hat beide Vorstösse der zurückgetretenen Berner EVP-Nationalrätin Marianne Streiff bereits angenommen. Noch muss der Ständerat grünes Licht geben.