notifications
Rechtsextremer

Martin Sellner läuft aus Versehen in die Schweiz – und die Polizei nimmt ihn sofort mit

Der österreichische Rechtsextreme Martin Sellner wollte an der Grenze zur Schweiz provozieren. In Kreuzlingen wird ihm ein Fauxpas zum Verhängnis: Er bemerkt nicht, dass er schon in der Schweiz ist – und prompt nimmt ihn die Polizei mit.
Der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner demonstriert an der Schweizer Grenze bei Konstanz gegen das von der Schweiz verhängte Einreiseverbot gegen ihn.
Bild: Benjamin Manser

Die Kantonspolizei Thurgau fackelte nicht lange, als der rechtsextreme Martin Sellner am Samstagmorgen über die Grenze bei Konstanz in die Schweiz kam. Er lief direkt über die Grenze vor einer aufgebrachten Meute Demonstrierender in die Arme der Thurgauer Kantonspolizei. Diese machte Sellner auf das für ihn geltende Einreiseverbot in der Schweiz aufmerksam und nahm ihn mit. Mitglieder der Jungen Tat versuchten sofort die Aussage zu verbreiten, Sellner sei von der Polizei über die Grenze gezerrt worden. Das ist aber schlicht falsch: Sellner lief selbst über die Landesgrenze in die Schweiz.

Erst als die Kantonspolizei Thurgau den Rechtsextremen anspricht, fragt er verdutzt:

«Wo ist denn hier die Grenze?

Martin Sellners fehlende Ortskenntnisse wurde ihm zum Verhängnis.
Bild: Benjamin Manser

Sellner argumentierte gegenüber der Polizei steif und fest, dass er sich noch in Deutschland befinde, was die Polizisten verneinten: «Sie sind jetzt in der Schweiz!» Eine Frau des Demonstrationszugs sagte mit Schalk: «Der Nazizaun wirkt noch immer!» Denn dort, wo Sellner über die Grenze gelaufen ist, stand während dem Zweiten Weltkrieg der Grenzzaun, der umgangssprachlich auch «Nazizaun» genannt wurde.

Die Ironie, dass Sellner, der sich vehement gegen die illegale Immigration einsetzt, heute selber zum illegalen Immigranten wurde, erfreut die Demonstrierenden sehr. Auch die vor Ort anwesenden Mitglieder der Jungen Tat kannten offenbar den genauen Grenzverlauf zwischen Konstanz und Kreuzlingen nicht: Während sie eigentlich auf der Schweizer Seite stehen wollten um Sellner zu begrüssen, standen sie auf der falschen Seite der Grenze, in Deutschland. «Der macht sich doch zum Affen», sagt ein Mann, der in Kreuzlingen wohnt und nur den Kopf schüttelte.

Die Kantonspolizei Thurgau bestätigt, dass sie eine 35-jährige Person aufgegriffen und für weitere Abklärungen mitgenommen hat. Die Person wurde an die deutsche Grenze begleitet und den dortigen Behörden übergeben.

Passanten waren überrascht als sie an diesem Samstagmorgen mehreren Polizisten und Grenzwächtern am Zoll begegnet sind. Polizeifahrzeuge standen überall um die Grenze, dazu kamen postierte Polizisten und Grenzwächter. Grund für den Grosseinsatz war eine Pressekonferenz, die der rechtsextreme Martin Sellner an der Grenze zur Schweiz abhalten wollte. Er hatte sie im Vorfeld mit der rechtsextremen Gruppierung «Junge Tat» organisiert. Sellner wollte damit ein Zeichen setzen gegen das Einreiseverbot, welches das Fedpol gegen ihn verhängt hatte.

Hunderte Demonstrierende haben sich beim Einkaufzentrum Lago versammelt, um gegen den Auftritt von Sellner ein Zeichen zu setzen. Darunter auch die SP-Nationalrätin Nina Schläfli und Charis Kuntzemüller-Dimitrakoudis, SP-Präsidentin der Stadt Kreuzlingen. Beide waren sauer über den Auftritt Sellners: «Der darf keinen Fuss auf Schweizer Boden setzen», sagt Kuntzemüller-Dimitrakoudis.

Martin Sellner gilt als einer der führenden Köpfe der Identitären Bewegung in Europa. In seinen Publikationen und Videos hetzt er regelmässig gegen Ausländer und setzt alles daran, die Remigration – also die Rückführung von Migranten – durchzusetzen. Sellner ist Gründer einer mittlerweile verbotenen Gruppe in Österreich. Ebenso sympathisiert er mit diversen rechtsextremen Gruppen wie der Neonazigruppe «Junge Tat» in der Schweiz.

Demonstrierende setzen ein klares Zeichen gegen Sellner.
Bild: Benjamin Manser

Landesverbot wegen Sicherheitsbedenken

Bei Fedpol hält man sich mit Informationen eher zurück. Mediensprecher Christoph Gnägi bestätigt am Freitagabend jedoch, dass das Einreiseverbot gegen Martin Sellner noch gültig ist. Warum man Sellner nicht in die Schweiz einreisen lässt, kommentiert das Fedpol nicht genauer. Grundsätzlich kann die Bundespolizei gegen Ausländerinnen und Ausländer ein Einreiseverbot verfügen, sofern sie die Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit der Schweiz bedrohen. Fedpol habe Sellners Fall geprüft und entschieden, ihm keine Einreisebewilligung zu erteilen. Gegen diesen Entscheid könnte Sellner beim Bundesverwaltungsgericht Rechtsmittel ergreifen. Gemäss Anwesender der «Jungen Tat» soll man das auch getan haben und das Landesverbot sei widerrechtlich.

Fedpol kommentiert in einer Anfrage den Sachverhalt so, dass man generell jeden Einzelfall prüfe und viele Informationen und Quellen beurteile. Aufgrund des Amtsgeheimnisses kommentiert das Bundesamt für Polizei den Einzelfall nicht. Gnägi schreibt aber: «Bei der Beurteilung, ob eine Person eine konkrete Sicherheitsbedrohung darstellt, werden unter anderem die Art der geäusserten Meinungen, deren Verbreitung, direkte Verbindungen zu gewaltextremistischen Gruppen oder Aktivitäten, sowie gesicherte Anhaltspunkte für Aufrufe oder Beteiligungen an Gewalt beurteilt.»

Mehrere Länder haben gegen Sellner bereits eine Einreisesperre erlassen. So darf er weder in die USA noch nach Grossbritannien einreisen. Auch in Deutschland wurde ein Einreiseverbot gegen ihn erlassen, wogegen Sellner mit Erfolg geklagt hat. Das Einreiseverbot wurde per Eilauftrag aufgeschoben und die Gerichte sind noch mit der Beurteilung beschäftigt. Grund für die Erwägung waren Demonstrationen in mehreren Städten gegen geplante Vorträge des Österreichers.