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Frankreich/Nahost

Macrons Israel-Visite am Dienstag steht unter Hochspannung: Schon seine Vorboten erhielten Morddrohungen

Um den Besuch von Emmanuel Macron in Israel vorzubereiten, ist die französische Parlamentspräsidentin Yaël Braun-Pivet vorausgereist – und wird nun frontal attackiert.
Yael Braun-Pivet, Präsidentin der französischen Nationalversammlung, auf ihrer Kurzvisite in Israel.
Bild: Bild: Gil Cohen-Magen/AFP

Der französische Präsident Macron muss sich am Dienstag auf eine turbulente Israel-Reise einstellen. Am Wochenende hat schon Parlamentspräsidentin Yael Braun-Pivet bei einem eintägigen Kurzbesuch vorgespurt. Die 52-jährige Vertreterin der Macron-Partei Renaissance besuchte Angehörige französischer Hamas-Geiseln sowie einen Kibbuz, der von der Hamas-Miliz angegriffen worden war. Sie folgte damit einer Einladung ihres Knesset-Amtskollegen Amir Ohana, der dem Likud angehört.

Schon deshalb wurde in Paris Kritik laut, Braun-Pivet folge der umstrittenen Linie von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. Braun-Pivet, deren Eltern in den dreissiger Jahren aus Polen eingereist waren, um den Nazis zu entgehen, wurde in Israel bei ihrer Stippvisite nur von konservativen Abgeordneten begleitet.

Darunter waren Eric Ciotti von den Republikanern und der Parlamentsvertreter der nahöstlichen, meist jüdischen Auslandsfranzosen, Meyer Habib. Beide werden von französischen Medien als «Israel-Falken» bezeichnet.

Braun-Pivet verteidigte die unausgewogene Parlamentarierdelegation mit dem Hinweis, dass sie Vertreter aller Parteien eingeladen habe. Die Linke habe aber das Besuchsprogramm abgelehnt. Kommunistenchef Fabien Roussel bestätigte die Ablehnung und erklärte, er habe vergeblich darauf gepocht, dass Braun-Pivets protokollarischer Besuch auch die Bombardierung des Gazastreifens kritisiere und die palästinensische Behörde treffe.

Der sozialistische Sekretär Olivier Faure kritisierte zudem, dass die Präsidentin der französischen Nationalversammlung der israelischen Regierung ihre «bedingungslose Unterstützung» zugesagt habe. Damit kritisierte er indirekt Macron, der in einer Fernsehansprache den gleichen Begriff verwendet hatte. Der Geopolitologe Pierre Haski fand am Montag, dass diese französische Position «immer schwieriger einzunehmen sei».

Für Mélenchon ist die Hamas nicht terroristisch

Am weitesten ging wie so oft Linkenchef Jean-Luc Mélenchon. Er twitterte ein Bild der jüngsten propalästinensischen Demonstration in Paris, an der 15’000 Teilnehmer teilgenommen hatten, ohne dass es zu Ausschreitungen gekommen war. «Das ist Frankreich», freute sich der Vorsteher der Partei der Unbeugsamen, der sich weigert, die Hamas als «terroristisch» zu bezeichnen. «Frau Braun-Pivet kampiert dagegen in Tel Aviv, um das Massaker zu unterstützen», fuhr Mélenchon fort.

Die Angesprochene bestritt am Montag nach ihrer Rückkehr aus Israel, dass sie Netanyahus Regierungskurs unterstütze. «Meine bedingungslose Unterstützung gilt dem Existenzrecht Israels, nicht der Regierung in Jerusalem», präzisierte die Parlamentspräsidentin.

Ohne Mélenchon zu nennen, verwahrte sie sich gegen Kommentare, die «in die Glut blasen». Sie führten dazu, dass ihr «Rücken eine Zielscheibe» sei. Damit spielte Braun-Pivet auf antisemitische Tiraden und Morddrohungen an, die sie erhalten habe. «Es ist unglaublich», sagte sie dem Radiosender France-Inter. «Ich bin Französin, aber seit einiger Zeit wird nur hervorgehoben, dass ich Jüdin bin – obwohl ich meine Religion nicht praktiziere und nicht einmal gläubig bin.»

Am Montagnachmittag leitete Braun-Pivet eine kurzfristig anberaumte und äusserst hitzige Nahostdebatte in der französischen Nationalversammlung. Die Linken-Abgeodnete Mathilde Panot unterstellte der Staatsführung, sie decke die «kolonialistische» Politik der rechtsextremen Regierung Israels. Damit verletze er das Gleichgewicht, das Frankreich seit der «politique arabe» von Ex-Präsident Charles de Gaulle (1959-1969) zwischen Israel und seinen Nachbarn gehalten habe. Macron kehre von dieser langjährigen Maxime französischer Aussenpolitik ab, wenn er der israelischen Regierung die «bedingungslose» Schützenhilfe Frankreichs zusage.

Macrons Visite im Nahen Osten – eventuell mit Stationen in Ägypten und Libanon – steht deshalb schon vor ihrem Beginn unter Hochspannung. Einen politischen und diplomatischen Faux-Pas kann sich der französische Präsident nicht leisten. Im Nahen Osten wird er nach Olaf Scholz oder Joe Biden zwar nicht der erste westliche Staatschef sein, der Israel seine Aufwartung macht. Die Lage in Frankreich ist aber so polarisiert und aufgeheizt, dass Macron mit jedem deplatzierten Wort eine unabsehbare Reaktion bis in die propalästinensischen Vorstädte von Paris, Lyon oder Marseille auslösen könnte.