Der US-Botschafter in Tripolis, Gene. A. Cretz, notierte sich in die Akten, warum in England 2009 der verurteilte Terrorist Abdel Basset al-Megrahi freigelassen wurde.
Der ehemalige Geheimdienstler war 2001 für den Anschlag auf ein Flugzeug verurteilt worden, das über dem schottischen Lockerbie explodierte und bei dem 270 Menschen ermordet wurden. Die schottische Polizei liess ihn im August 2009 frei, weil er angeblich an Krebs erkrankt sei und nur noch wenige Wochen zu leben gehabt hätte.
Arzt stellte Gefälligkeitsdiagnose
Heute wohnt der Attentäter wieder in Libyen bei seiner Familie, von akkuter Krebserkrankung ist keine Rede mehr. Schon während der Freilassung wurde spekuliert, die Briten seien von Gaddafi übers Ohr gehauen worden, der Arzt hätte extra eine falsche Diagnose gestellt.
Jetzt zeigt die US-Depesche 09TRIPOLI65, dass die Briten vor allem befürchteten, es würde ihnen gleich ergehen wie den Schweizern.
Sofortige harte Konsequenzen befürchtet
So kabelte Botschafter Cretz nach Washington: «Der Konflikt zwischen der Schweiz und Libyen, der wegen der Festnahme von Gaddafis Sohn Hannibal entbrannte, überzeugte die britischen Diplomaten, dass die Konsequenzen eines Todes von al-Megrahi oder der Weigerung der Freilassung sofort eintreten und hart sein würden und das Problem nicht einfach gelöst werden könnte.»
Auch die Amerikaner hatte keinerlei Interesse, den Terroristen Abdel Basset al-Megrahi weiter im Gefängnis schmoren zu lassen. So schrieb Cretz: Falls die USA die Freilassung bekämpften, würden sie ähnliche Repressalien erleiden, wie die Schweiz. Cretz rechnete mit orchestrierten Demonstrationen vor der Botschaft in Tripolis, massiven geschäftlichen Nachteilen und Schikanen bei der Ein- und Ausreisen amerikanischer Bürger.
«Sie könnten uns absägen, wie die Schweizer»
Offenbar wurden die Briten von Gaddafi enorm unter Druck gesetzt. In der Depesche 09TRIPOLI663 äusserte sich der britische Botschafter Vincent Fean erleichtert über die Freilassung von al-Megrahi. Er vermerkte, eine Verweigerung seitens Englands hätte üble Folgen für geschäftliche Interessen Englands gehabt: «Sie könnten uns absägen, genau so wie sie es mit den Schweizern getan haben.»
Wikileaks Depeschen: 09TRIPOLI65, 09TRIPOLI663