Zwar hätten Regierungen, Zentralbanken und Wirtschaftsführer im Gegensatz den 1930er Jahren erstmals grenzübergreifend gemeinsam gegen die schlimmste Krise seit 80 Jahren Front gemacht, um einen Kollaps der Finanz- und Wirtschaftswelt zu verhindern. Heute bestehe in vielen Punkten Einigkeit darüber, was zu tun sei.
"Dennoch stelle ich einen sich öffnenden Graben zwischen Rhetorik und Realität fest", sagte Leuthard laut Redetext. Bei den anstehenden Finanzreformen würden strengere Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften verlangt. Zudem wolle man verhindern, dass risikofördernde Boni auch bei Misserfolg ausbezahlt würden. Soweit die Rhetorik.
In der Realität unternähmen viele Länder sehr wenig. "Die Bankiers versuchen sich aus der Verantwortung zu ziehen. In einigen Ländern wehren sie sich bis heute erfolgreich gegen strengere Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften sowie gegen eine wirksamere Einlagensicherung. Sie planen sogar, den Managern die höchsten je dagewesenen Boni auszuzahlen", sage Leuthard.
Einig sei man sich eigentlich auch bei den Ausstiegsstrategien der Staaten aus der Krise. Besonders wichtig sei es, die hohe Staatsverschuldung abzubauen. Nur dann finde das weltweite Wirtschaftswachstum wieder auf ein gutes, nachhaltiges Niveau zurück. Soweit die Rhetorik.
"In der Realität macht man wenig; ausgenommen vielleicht die Jagd auf Steuersünder mit teils zweifelhaften Methoden", sagte Leuthard und trat damit Frankreichs Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy ans Bein. Denn Paris will gestohlene Daten von Bankkunden der HSBC Private Bank in Genf verwenden, um französische Steuersünder zu schnappen.
Mit einer kapitalismuskritischen Rede hat sich Sarkozy selbst zur Eröffnung des WEF ans Publikum gewandt. Der französische Staatschef ortete dabei eine "Krise der Globalisierung". Die Bank-Regeln müssten grundlegend geändert werden, sagte der Staatschef.