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USA

Kevin McCarthys Showdown im US-Kongress

Wer den Vorsitz des US-Repräsentantenhauses übernimmt, bekommt einen Holzhammer. Das ist gute alte Tradition in der Kongresskammer. Aktuell hält die Demokratin Nancy Pelosi mit dem Hammer die Ordnung aufrecht. Sie ist die Vorsitzende - "Speaker of the House" heisst die mächtige Position offiziell. "Ich möchte, dass ihr zuschaut, wie Nancy Pelosi mir den Hammer reicht. Es wird schwierig sein, sie nicht damit zu schlagen", sagte der Republikaner Kevin McCarthy schon vor rund anderthalb Jahren.
Bild: Keystone/AP/J. Scott Applewhite

Ein schlechter Scherz, der angesichts einer gewalttätigen Attacke mit einem Hammer auf Pelosis Ehemann Paul vor gut einer Woche noch schlechter gealtert ist. Der 57-jährige McCarthy darf sich aber sehr grosse Chancen ausrechnen, nach den Zwischenwahlen an diesem Dienstag Pelosi den Hammer abzunehmen - und Vorsitzender des Repräsentantenhauses zu werden.

Denn es gilt als wahrscheinlich, dass die Republikaner die Mehrheit in der unteren Kongresskammer holen. Um die Unterstützung in seiner eigenen Partei zu bekommen, hat McCarthy den politischen Schulterschluss mit Verschwörungstheoretikern und Wahlleugnern geübt.

Bei den sogenannten Zwischenwahlen in der Mitte der Amtszeit von Präsident Joe Biden am 8. November werden in den USA unter anderem alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus neu gewählt. Aktuell halten die Demokraten 222 Sitze - und damit eine knappe Mehrheit. Mit dieser Mehrheit haben sie die heute 82 Jahre alte Pelosi zur Vorsitzenden gewählt. Wer den Vorsitz innehat, ist Nummer drei der staatlichen Rangfolge nach dem US-Präsidenten und dessen Vize. Umfragen sagen voraus, dass die Republikaner bei den anstehenden Wahlen um die 230 Sitze gewinnen könnten. Eigentlich eine recht komfortable Mehrheit - allerdings nicht unbedingt für McCarthy.

Denn er muss seine zersplitterte Partei hinter sich vereinen - und alle Strömungen in der Fraktion von sich überzeugen, wenn er zum Vorsitzenden gewählt werden will. Der Abgeordnete aus Kalifornien ist aktuell Fraktionsvorsitzender der Republikaner. Bereits im Jahr 2015 wollte er nach dem Rücktritt des Republikaners John Boehner Vorsitzender des Repräsentantenhauses werden - zog seine Kandidatur jedoch wegen fehlender Unterstützung zurück. Damit ihm das nicht noch mal passiert, arbeitet er seit knapp zwei Jahren unermüdlich daran, die gesamte Partei hinter sich zu versammeln - und hat damit den radikalsten Anhängern von Ex-Präsident Donald Trump Auftrieb verliehen.

"Der Vorsitzende der Republikaner im Repräsentantenhaus ist wortgewandt und schlagfertig, ein unermüdlicher Animateur und äusserst effektiver Spendensammler", beschrieb "The Economist" den Politiker. Doch er sei nicht dafür bekannt, in irgendeiner bestimmten Frage eine feste Meinung zu vertreten. Das Magazin "The Atlantic" kam zu dem Schluss, dass die Position des "Speaker of the House" McCarthys "einziges Ziel" sei. Und jede Entfremdung von Trump würde diese Chance zunichtemachen.

Nach der Attacke auf das US-Kapitol am 6. Janaur 2021 soll McCarthy geplant haben, Trump zum Rücktritt aufzufordern. Er soll wütend auf republikanische Abgeordnete gewesen sein, die die Gewalt befeuert haben, wie die Journalisten Alexander Burns und Jonathan Martin in ihrem Buch "This Will Not Pass" schreiben. Die Stimmung drehte sich jedoch schneller, als mancher gucken konnte.

Als deutlich wurde, dass ein beachtlicher Teil der Partei weiter zu Trump steht, verwarf McCarthy seine Pläne. Drastischer noch: Wenige Wochen nach der Attacke mit fünf Toten besuchte McCarthy Trump in seinem Anwesen Mar-a-Lago im US-Bundesstaat Florida und liess sich mit ihm fotografieren. Später boykottierte er den Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Attacke.

Unter McCarthy konnten sich republikanische Abgeordnete in den vergangenen zwei Jahren unverhohlen rassistisch oder gewaltverherrlichend äussern - ohne für Hass und Hetze irgendwelche Konsequenzen fürchten zu müssen.

Prominentestes Beispiel ist sicherlich die für Verschwörungstheorien bekannte Marjorie Taylor Greene aus dem US-Bundesstaat Georgia, die sich selbst als christliche Nationalistin bezeichnet. Galt die 48-Jährige Trump-Anhängerin zunächst noch als Aussenseiterin in ihrer Partei, hat sie unter McCarthy einen beachtlichen Aufstieg hinlegen können.

"Ich muss keine Führungsposition haben. Ich denke, ich habe bereits eine, ohne eine zu haben", zitierte die "New York Times" Greene jüngst in einem Porträt. Und mit Blick auf McCarthys mögliche zukünftige Position als Vorsitzender hat Greene auch eine Vorstellung: "Ich denke, um der Speaker of the House zu sein und die Basis zufrieden zu stellen, wird er mir viel Macht und viel Spielraum geben." Tue er das nicht, werde die Parteibasis sehr unglücklich sein. "Und das ist in keiner Weise eine Drohung. Ich denke nur, das ist die Realität."

Aber auch McCarthy selbst hat zuletzt mit Äusserungen provoziert und gezeigt, dass ein Repräsentantenhaus unter seiner Führung US-Präsident Biden das Regieren so schwer wie möglich machen wird. So kündigte er in einem Interview an, dass die Republikaner bei den Ukraine-Hilfen auf die Bremse treten könnten.

Und auch mit Blick auf die Anhebung der Schuldenbremse hat McCarthy angedeutet, dass seine Republikaner in Verhandlungen alle Register ziehen würden, um eigene Forderungen durchzusetzen. Das dürfte die vorübergehende Stilllegung der Regierungsgeschäfte zur Folge haben, ein sogenannter Shutdown droht.

Sollte Pelosi nach den Wahlen tatsächlich McCarthy den Hammer übergeben müssen, dürfte das einer der schwärzesten Momente in ihrer langen politischen Karriere sein. Die beiden verbindet eine tiefe Feindschaft, Pelosi nannte McCarthy in der Vergangenheit einen "Trottel".

Und auch McCarthy hat keine warmen Worte für Pelosi übrig. Zu der Attacke auf Pelosis Ehemann hatte der 57-Jährige übrigens wenig zu sagen. "Was mit Paul Pelosi passiert ist, ist falsch", sagte er im Interview mit dem Sender Fox News auf Nachfrage. Eine öffentliche Erklärung nach dem Angriff - Fehlanzeige. (sda/dpa)