
Der Name Kathryn Keneally sagt den wenigsten Eidgenossen etwas: Dabei spielt die US-Steuerexpertin doch für die Schweizer Finanzbranche eine zentrale Rolle. Seit Frühjahr 2012 steht Keneally nämlich der Steuerabteilung im Justizministerium in Washington vor. Bei der Jagd auf amerikanische Steuerhinterzieher ist sie damit eine zentrale Figur im amerikanischen Schachspiel.
Keneally positioniert sich in den langen Verhandlungen zur Beilegung des Steuerstreits zwischen der Schweiz und den USA als Hardlinerin; in ihren seltenen öffentlichen Stellungnahmen zum Thema deutet sie an, dass die Amerikaner nicht ruhen werden, bis die Schweizer Finanzbranche sämtliche Sünden der Vergangenheit gebeichtet hat. Künftige Justizverfahren gegen Schweizer Finanzinstitute und ihre US-Kunden würden sich nicht zwingend am Rechtsstreit gegen die Grossbank UBS in den Jahren 2008 und 2009 orientieren, sagte Keneally jüngst an einer Konferenz von Steuerrechtlern.
So werde es künftig keine Vorwarnungen an Kunden und Banker mehr geben. In der Pipeline befänden sich Verfahren, die selbst die Medien überraschen würden, sagte Keneally. Und täglich verschafften sich das Justizministerium und die Steuerverwaltung Internal Revenue Service (IRS) einen besseren Überblick über die Akteure im Milliardengeschäft um Steuerhinterziehungen.
Mit Vorsicht zu geniessen
Das sind nicht nur schlechte Nachrichten für die Schweiz, sondern auch für Steuerparadiese in Übersee. Ein hochrangiger IRS-Mitarbeiter gab kürzlich bekannt, dass Anklagen gegen Banken ausserhalb der Schweiz und Liechtensteins kurz bevorstünden. Andererseits sind solche Aussagen amerikanischer Offizieller immer auch mit Vorsicht zu geniessen:
Wie Schweizer Banken in den vergangenen Jahren schmerzlich erfahren mussten, unterscheiden sich die Justizsysteme zwischen den USA und der Eidgenossenschaft fundamental. In Amerika gehört es geradezu zum guten Ton, angebliche Kriminelle an den Pranger zu stellen – um dann in aussergerichtlichen Verhandlungen ein Ergebnis zu erzielen, mit dem beide Seiten leben können. In diese Kategorie gehört wohl auch die jüngst veröffentlichte Anklageschrift gegen drei Angestellte der Zürcher Kantonalbank (ZKB) durch Staatsanwalt Preet Bharara in New York: Kein amerikanischer Jurist glaubt wohl im Ernst, dass sich die drei Schweizer freiwillig auf den Weg nach Amerika machen. (Zwei der drei Banker sind immer noch bei der Kantonalbank angestellt, derzeit aber beurlaubt.)
Auch hat die New Yorker Staatsanwaltschaft bisher nicht einmal einen Haftbefehl gegen die drei Schweizer ausgestellt. Und schliesslich richten sich die Vorwürfe nur gegen Bankenmitarbeiter und nicht gegen das höhere Management der ZKB oder gar das Unternehmen. Bei Anklagen gegen Finanzinstitute gehen selbst die USA sehr zögerlich vor, aus Angst vor unkontrollierbaren Auswirkungen in einem hochvolatilen Sektor der Weltwirtschaft. So lehnte es das Justizministerium im Dezember ab, die britische Grossbank HSBC wegen Geldwäscherei vor Gericht zu stellen: Stattdessen einigten sich die beiden Verhandlungsparteien auf einen aussergerichtlichen Vergleich und eine rekordhohe Strafzahlung von 1,9 Milliarden Dollar.
Gespräche gehen ins dritte Jahr
Dennoch hat Bhararas jüngster Schuss vor den Bug einer Schweizer Bank Auswirkungen auf die Verhandlungen über eine amerikanisch-schweizerische Globallösung. Diese Gespräche gehen nunmehr ins dritte Jahr. Noch immer gibt sich Staatssekretär Michael Ambühl, Chef des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF), zuversichtlich, dass er den Steuerstreit auf dem Verhandlungsweg beilegen kann.
Zu einem Durchbruch kam es aber auch bei der jüngsten Verhandlungsrunde vor Monatsfrist in Washington nicht. Dies hängt auch mit der Komplexität der Vorlage zusammen. Bundesbern möchte erreichen, dass die Globallösung nicht nur individuelle Ablasszahlungen der involvierten Banken vorsieht, darunter die Credit Suisse, sondern auch einen Persilschein für alle involvierten Angestellten.
Dies scheint in Washington auf Ablehnung zu stossen. Innerhalb der Regierung Obama gibt es zudem einflussreiche Kreise, die der Schweiz nach den aufgedeckten Verfehlungen der vergangenen Jahre schlicht nicht mehr trauen. Sie lehnen deshalb eine bilaterale Verhandlungslösung ab, die nach einem Kompromiss aussieht. Dieses Misstrauen dürfte auch 2013 die Gespräche zwischen Bern und Washington bestimmen.